Definition: Bei der kognitiven Verhaltenstherapie nach A.T. Beck handelt es sich um ein Behandlungsverfahren, das speziell für die Behandlung der leichten bis mittelschweren Depression entwickelt wurde. Es werden insbesondere die kognitiven Prozesse, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen beteiligt sind, in den Mittelpunkt stellt (siehe auch rational emotive Therapie nach Ellis).

 

Indikation:

→ 1) Leichte/mittelschwere Depression.

→ 2) Angststörungen, insbesondere die Phobien (z.B. Soziale Phobie, isolierte Phobie),

→ 3) Abhängigkeits- und Suchterkrankungen,

4) Persönlichkeitsstörungen,  

5) Somatoforme Störungen, 

6) Essstörungen. 

 

Ausgangssituation: A.T. Beck geht davon aus, dass für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer psychischen Störung (z.B. Depression) dysfunktionale Grundannahmen wie verzerrte Gedanken und Vorstellungen aufgrund von langjährigen indivduellen Erfahrungen bestehen. 

→ I: Störungsspezifisches Verhalten und Erleben manifesiert sich aufgrund von Denkfehlern. Hierzu zählen:

→ 1) Dichotomes Denken: Schwarz-Weiß-Sicht. Hierbei werden Erfahrungen in gegensätzliche Extreme eingeteilt; eine Abstufung existiert nicht (gut-böse, heilig-sündhaft). Beispiel: Entweder bestehe ich die Klausur sehr gut oder es wird ein totales Distaster.

→ 2) Selektive Wahrnehmung/Selektive Abstraktion: Ein einziger negativer Aspekt einer Situation wird überbewertet, die anderen positiven Aspekte der Situation werden vernachlässigt. Beispiel: Die Klausur war eine einzige Katastrophe, zwar habe ich eine 2, aber das Röntgenbild konnte ich überhaupt nicht deuten.

→ 3) Katastrophisierendes Denken: Für die Zukunft werden nur negative Ereignisse prophezeit. Andere Möglichkeiten werden ausgeschlossen. Beispiel: Bei der Klausur werden ich redlich versagen und dann ohne Abschluss HARZ-IV beantragen müssen.

→ 4) Übergeneralisierung: Ein negativer Aspekt einer Situation wird gleich auf die ganze Person bezogen. Beispiel: Ich habe den Teller fallen lassen. Ich bin einfach ein Idiot und zu dumm fürs Leben.

→ 5) Personalisierung: Ereignisse werden ohne ersichtlichen Grund auf die eigene Person bezogen. Beispiel: Mein Partner hatte einen Unfall, um mich wegen meiner Taten zu bestrafen.

→ 6) Willkürliche Schlussfolgerung: Eine Person zieht aus einer Empfindung bestimmte Schlüsse, ohne dass diese bewiesen, bzw. durch Beweise widerlegt werden können.

II: Des Weiteren geht er davon aus, dass sich diese dysfunkionalen Kognitionen aus der individuellen Disposition bzw. Autobiographie (z.B. traumatische Erebnisse, Verlusterfahrungen, Ablehnung, Zurückweisung) entwickeln und in spezifischen Situationen reaktivieren.  

→ III: In Bezug auf die depressive Störung sind dysfunktionale Gedankeninhalte auf diesogenannte kognitive Triade zurückzuführen. Sie ist gekennzeichnet durch die negative Sicht des Patienten bezüglich:

1) Der eigenen Person,

2) Der Umwelt und

3) Der eigenen Zukunft.

 

→ Klinisch-relevant:

→ A) Negative Denkstereotypien werden auch als automatische Gedanken bezeichnet, treten rasch auf und werden meist nicht wahrgenommen und nach ihrer Realität kritisch hinterfragt.

→ B) Zudem rufen sie weitere klinische Merkmale der depressiven Störung wie psychomotorische Inaktivierung, sozialen Rückzug etc. bei den Betroffenen hervor.

 

Therapie:

→ I: Grundannahme: Werden Kognitionen inhaltlich verändert, verändert sich auch das Erleben, Fühlen und das Verhalten der betroffenen Person.

II: Therapieziel: Das Hauptziel der kognitiven Verhaltenstherapie nach Beck besteht darin, die verzerrten, realitätsfernen Kognitionen, die die Ursache der psychischen Störung/Depression sind, in realitätsadäquate Wahrnehmungen und Interpretationen zu überführen.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Das depressive eindimensionale Denken soll in ein mehrdimensionales differenziertes Denken umstrukturiert werden.

B) Im weiteren Verlauf der Therapie soll der Patient eigenständig irrationale, realitätsfremde Gedanken aufdecken und diese eigenständig verändern.

 

III: Therapievorgehen: Die 6 Schritte der kognitiven Umstrukturierung: 

1) Vorstellung des kognitiven Modells: Zu Beginn der Therapie zeigt der Therapeut dem Patient die Zusammenhängen zwischen automatischen Gedanken und den depressogenen Grundannahmen auf, damit er ein besseres Verständnis für das Therapieverfahren hat, um einen höheren Erfolg zu erlangen. Diese depressogene Grundannahmen stehen hinter den automatischen Gedanken, situationsunabhängig verborgen und stellen eine depressive Disposition dar. Erst nach längerer Introspektion ist der Betroffenen in der Lage, diese zu artikulieren. Zu den Grundannahme gehören u.a.:

→ A) Ich bin nur glücklich, wenn alle meine Sachen Erfolg haben.

B) Ich bin nur glücklich, wenn ich von allen anderen akzeptiert und gemocht werde.

C) Wenn jemand anderer Meinung ist, bedeutet dies, dass er mich nicht mag.

D) Wenn ich Fehler mache, bedeutet dies, dass ich unfähig bin usw.

2) Aufdeckung dysfunktionaler Kognitionen: Hierbei soll der Patient sich selbst beobachten und Kognitionen (automatische Gedanken), die zu einem Stimmungseinbruch führen, aufdecken. Therapeutische Instrumente stellen das Tagesprotokoll negativer Gedanken oder Rollenspiele dar.

601 Verhaltenstherapeutisches Tagesprotokoll negativer Gedanken

 

Klinisch-relevant: Selbstbeobachtung ist der Schlüssel zur Identifizierung dysfunktionaler Kognitionen.

 

3) Infragestellung der Kognitionen/ Realitätsprüfung: Nun liegt der Schwerpunkt auf der Überprüfung der dysfunktionalen Kognitionen, die der Patient aus eigenen Erfahrungen gelernt hat, sich ins Bewusstsein zu rufen und auf ihre Rationalität und ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Patient soll angehalten werden, seine Falschaussagen zu belegen.

4) Reflexion der Kognitionen/ Reattribuierung: Hierbei unterzieht der Therapeut mit dem Patient bzw. der Patient selbst“ seine Kognitionen einer logischen Analyse und ist somit in der Lage die automatischen Gedanken zu hinterfragen.

5) Entwicklung alternativer Kognitionen/ Alternative Erklärungen: Im weiteren Verlauf kommt es zur Umstrukturierung dysfunktionaler Kognitionen durch Bereitstellung alternativer funktionaler Kognitionen, die es dem Patienten, ermöglichen Situationen positiv zu beeinflussen und sie dadurch auch positiver zu erleben.

→ 6) Entkatastrophisieren: Durch die explizite und auch differenzierte Beschäftigung mit den eigenen Katastrophengedanken werden diese eingegrenzt und entschärft.

600 Therapiestrategien zur Umstrukturierung dysfunktionaler Kognitionen

 7) Training der neuen funktionalen Kognitionen: Es werden die neu erlernten Kognitionen im Sinne der Stabilisierung im Alltag in den verschiedenen Situationen trainiert. Anfänglich kann dies auch über Rollenspiele eingeübt werden. Im weiteren Verlauf werden diese Kognitionen auf ihren Erfolg kontrolliert, um frühzeitig eine Stagnation zu erkennen.

 

 Gesprächsführung: Die Gesprächsführung durch den Therapeuten erfolgt im Sinne des sokratischen Dialogs. Dieser ist durch intensive Befragung bestimmte Denkinhalte (Kognitionen) zu hinterfragen und evtl. dadurch neu zu definieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind kognitive Hausaufgaben wie Tagesprotokolle negativer Gedanken.

 

→ Therapiedauer: Bei der kognitiven Verhaltenstherapie nach Beck handelt es sich um eine Kurzzeitbehandlung mit insgesamt 25-45 Sitzungen, in schweren Fällen bis 65 Sitzungen.

 

→ Kontraindikationen: Das Therapieverfahren ist u.a. bei:

→ I: Akuten psychotischen Störungen (z.B. akute Schizophrenie),

→ II: Geistiger Behinderung,

→ III: Demenz und

→ IV: Akuten Belastungsreaktionen kontraindiziert.