Definition: Das Aortenbogensyndrom fasst alle stenosierende und obliterierende Gefäßprozesse, die vom Aortenbogen und den dort entspringenden Gefäßen, nämlich dem Truncus brachiocephalicus, der linksseitigen Arteria carotis communis und Arteria subclavia sinistra, zusammen.

Pathogenese: Obliterationen der supraaortalen Gefäße sind deutlich seltener als Okklusionen im Bereich des kaudalen Gefäßsystems.

→ I: Häufigste Ursache für das Syndrom in den westlichen Ländern ist eine arteriosklerotische Gefäßveränderung (zumeist unvollständiger Aortenbogensyndrom) aufgrund nachfolgender Risikofaktoren:

→ 1) Nikotinabusus,

→ 2) Arterielle Hypertonie,

→ 3) Hypercholesterinämie,

→ 4) Diabetes mellitus.

Bei den arteriosklerotischen Wandprozessen kommt es überwiegend nur zum unvollständigen Aortenbogensyndrom, da in der Regel nur ein oder zwei Gefäßäste (insbesondere die A. subclavia sinistra, der Truncus brachiocephalicus und/oder die A. carotis communis sinistra) befallen sind.    

→ II: Des Weiteren können entzündliche Gefäßerkrankungen (führen häufiger zum vollständigen Aortenbogensyndrom) wie die Takayasu-Arteriitis, Riesenzellarteriitis (Abb.: Klassifikation der Vaskulitiden), luetische Aortitis, im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis, aber auch Aneurysmen (insbesondere Aneurysma verum und dissecans), Tumoren im Mediastinum (z.B. Lymphome, Thymom) mit Stenosierung der Gefäßabgänge, die Entstehung etc. begünstigen.

 

Klassifikation:

→ I: Das Aortenbogensyndrom lässt sich unterteilen in ein:

→ 1) Komplettes Aortenbogensyndrom: Mit Befall des Truncus brachiocephalicus, Arteria carotis communis sinistra und die Arteria subclavia sinistra.

→ 2) Inkomplettes Aortenbogensyndrom: Mit Befall eines oder zweier vom Aortenbogen abgehenden Stämmen.

→ II: Sehr selten sind alle 3 Gefäßabgänge (Truncus brachiocephalicus, A. subclavia und A. carotis communis) insbesondere bei der arteriosklerotischen Genese gleichzeitig betroffen (das komplette Aortenbogensyndrom ist v.a. bei der Takayasu-Arteriitis nachweisbar).

 

→ Epidemiologie:

→ I: Das arteriosklerotisch bedingte Aortenbogensyndrom tritt jenseits des 40. Lebensjahr auf und hat seinen Manifestationsgipfel zwischen dem 60-70. Lebensjahr, wobei Männer mit 60% der Fälle deutlich hääufiger als Frauen betroffen sind.

→ II: Gerade die linke A. subclavia ist von dem arteriosklerotischen Pathomechnismus betroffen.

→ III: Manifestiert sich das Aortenbogensyndrom infolge einer Takayasu-Arteriitis sind zumeist Frauen im Alter von 25-30. Jahren betroffen (manifestiert sich insbesondere im asiatischen Raum).

1067 Prozentuale Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Stenose Obliteration im Bereich des Aortenbogens

 

Klinik:

→ I: Die klinischen Symptome variieren je nach befallenem Gefäß.

→ II: Je nach Lokalisation der Durchblutungsinsuffizienz unterscheidet man 3 Systeme:

→ A) Das Subclavia-brachialis-,

→ B) Vertebralis-basilaris- und

→ C) Das Karotissystem.

1) Subclavia-brachialis-Syndrom: Gerade bei einer Stenose proximal des Vertebralis-Abgangs manifestiert sich das Subclavian-Steal-Syndrom. Weitere Symptome sind sich schleichend entwickelnde Ermüdbarkeit, Kältegefühl und Parästhesien des betroffenen Arms, einseitige oder doppelseitige Pulslosigkeit, Blutdruckdifferenz und Armklaudikatio.

2) Vertebralis-basilaris-System: Charakteristische Symptome sind Schwindel, Sehstörungen, Amaurosis fugax, Synkopen, intermittierende Aphasie, evtl. Hemiparesen, TIA, Krampfanfälle und kognitive Defizite, etc.

3) Karotis-System: Bei Befall der A. carotis interna direkt hinter der Bifurkation ist die Symptomatik ähnlich der des Vertebralis-basilaris-Systems mit kontralateralen brachiofazial betonter Parästhesien oder Hemiparesen, ipsilateraler monokulärer Visusstörung bis passagerer Blindheit; sie kann aber auch zu transistorisch-ischämischen Attacken (= TIA), reversiblen-ischämisch-neurologischen Defiziten (= RIND), prolongierten-reversiblen ischämisch-neurologischen Defiziten (= PRIND)  und kompletten zerebralen Infarkten führen. Bei Okklusion der A. carotis externa (A. temporalis) manifestiert sich u.a. eine Claudicatio masticatoria, Gesichtsmukelatrophie, Endophthalmus bis hin zum Zahnausfall.

1068 Klinische Symptome des kompletten und inkompletten Aortenbogensyndroms

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:

→ 1) Nachweis einer ein-/doppelseitigen Pulslosigkeit,

→ 2) Auskultatorische Stenosegeräusche über dem Truncus brachiocephalicus, den Karotiden oder den Suprakalvikulargruben.

→ 3) Blutdruckseitendifferenz (RR-Messung an beiden Armen).

II: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Sonographie: Dopplersonographie zur Beurteilung der extrakraniellen Gefäße.

→ 2) Weitere Verfahren: Sind CT-Angiographie und digitale Subtraktionsangiographie (DSA).

 

Therapie:

→ I: Konservativ:

→ 1) Ein asymptomatisches Aortenbogensyndrom bedarf keiner Therapie.

→ 2) Jedoch sollte immer eine Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern (z.B. Acetylsalicylsäure, etc.) zur Ausschaltung potenzieller Emboliequellen durchgeführt werden.

→ 3) Besteht eine Vaskulitis (Takayasu-Arteriitis) erfolgt eine entsprechende immunsuppressive Therapie mit Kortison und Methotrexat.

→ II: Operativ:

→ 1) Stent-Angioplastik: Bei hochgradiger Stenose eines supraaortalen Gefäßes mit entsprechender Symptomatik ist die Therapie der 1.Wahl die Stent-Angioplastik. Diese kann anterograd über die A. femoralis oder retrograd über die A. carotis erfolgen.

→ 2) Bypass-Operation: Zugang über eine mediane Sternotomie und Anlage z.B. eines Subkalvia-Karotis-Bypasses oder bei symptomatischer Stenose des Truncus brachiocephalicus eines Aorto-Truncus-, Aorto-Karotis- oder eines Aorto-Subklavia-Bypasses. Wird jedoch wegen der vielen Risiken nur selten durchgeführt.