→ Allgemein:

→ I: Die Schulterluxation stellt mit 50% die häufigste Luxation des Organismus dar.

→ II: Ursache hierfür ist, dass eine knöcherne Führung fehlt.

III: Die Stabilität wird ausschließlich durch:

1) Den Kapsel-Band-Apparat (glenohumerale Bänder: Lig. glenohumerale inferior, superior und mediale),

→ 2) Die Rotatorenmanschette (M. supraspinatus, infraspinatus, M. subscapularis und M.teres minor) und

→ 3) Den M. deltoideus erreicht.

 

Ätiologie:

→ I: Traumatisch: Durch Sturz auf den Arm/Schulter bzw. durch eine forcierte Abduktion und Außenrotation.

→ II: Habituell: Rezidivierende Luxationen ohne adäquates Traumata bei prädisponierenden Faktoren (Instabilität des glenohumeralen Bandapparates, Dysplasie des Pfannenrandes). Die Luxationslokalisation der atraumatischen Form ist nach vorne, hinten, oben und unten möglich.

→ III: Rezidivierend: Reluxationen nach adäquatem Ersttraumata, infolge Schädigungen z.B. nach Bankart-Luxation.

 

Klassifikation:

→ I: Nach Luxationsgrad:

→ 1) Subluxation: Hierbei überschreitet die Humeruskopfmitte das Glenoid nicht.

→ 2) Luxation: Vollständige Trennung des Humeruskopfes vom Glenoid.

3) Verhakte Luxation: Der Humeruskopf ist am Glenoid verhakt.

II: Nach der Luxationsrichtung:

→ 1) Anteriore: Sie ist mit 80-90% die häufigste Luxationsform. Der Unfallmechanismus ist die gleichzeitige forcierte Abduktion und Außenrotation z.B. beim Handballspielen. Der Humeruskopf steht ventral unter dem Proc. coracoideus,

→ 2) Posteriore: Mit 4% der Fälle eine seltene Luxationsform nach hinten; sie wird häufig klinisch übersehen.

3) Kaudale: Luxatio errecta/axillaris nach unten.

→ III: Schweregrad: Der traumatischen Luxation:

730 Schweregrad der traumatischen Schulterluxation

 

Klinik:

→ I: Starke Schmerzen im Schulterbereich und die Gelenkkontur ist verformt.

II: Bewegungsunfähigkeit infolge einer federnden Fixation im Schultergelenk.

→ III: Vordere Luxation: Der Arm ist abduziert und außenrotiert. Eine Delle unterhalb des Akromion ist tastbar (aufgrund einer leeren Gelenkpfanne).

→ IV: Hintere Luxation: Der betroffene Arm wird typischerweise in adduzierter, innenrotierter Stellung gehalten.

→ V: Epauletten-Phänomen: Eckige Kontur des Schultergelenks.

 

Begleitverletzungen:

→ I: Bankart-Läsion: Abriss des Labrum glenoidale, des Lig. glenohumerale inferior und weiterer Gelenk-Kapsel-Anteile vom vorderen-unteren Pfannenrand bei vorderer Luxation.

→ II: Bankart-Fraktur: Das Labrum glenoidale bricht mit einem Teil des knöchernen Pfannenrandes ab.

→ III: Andrews-Läsion: Abriss des superioren Labrums mit Beteiligung des Bicepssehnenankers.

→ IV: Hill-Sachs-Läsion: Impressionsfraktur im dorso-lateralen Bereich des Humeruskopfes.

→ V: Weitere Begleitverletzungen: 

→ 1) Humeruskopffraktur, bei der es meist zur Abrissfraktur des Tuberculum majus kommt.

→ 2) Rotatorenmanschettenruptur: Im Alter zunehmend; bei den > 60. Jährigen liegt die Rate bei 80%.

→ 3) Nervenverletzungen, v. a. des N. axillaris in 15% der Fälle; meist kommt es jedoch zur spontanen Rückbildung innerhalb von Monaten.

→ 4) Sehr selten manifestiert sich eine Verletzung der A. axillaris. Klinische Zeichen sind insbesondere die Hautblässe sowie ein abgeschwächter bis fehlender Radialispuls.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:

→ 1) Klärung einer Erst- bzw. Rezidivluxation und eines adäquaten Traumatas.

→ 2) Palpatorisch kann die Gelenkpfanne leer sein und der Oberarmkopf ist außerhalb der Gelenkpfanne tastbar.

→ 3) DMS-Kontrolle zum Ausschluss von Gefäßverletzungen bzw. Läsionen des Nervus axilaris, seltener des Plexus brachialis.

→ 4) Evtl. Überprüfung der Schulterstabilität mittels Apprehension-Test.

II: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Röntgen: der Schulter in 2 Ebenen a.p. und transkapsulär (tangential).

→ 2) Sonographie: Zum Ausschluss einer Rotatorenmanschettenruptur.

→ 3) CT: Zum Ausschluss einer hinteren Luxation, einer Hill-Sachs-Läsion, einer Bankart-Fraktur oder einer Humeruskopffraktur.

 

  Therapie:

→ I: Konservtiv: Mittel der Wahl ist die sofortige Reposition unter Analgesie und Sedierung mit Midazolam und Tramadol.

→ 1) Vordere Luxation:

→ A) Reposition nach Arlt: Wird am sitzenden Patienten durchgeführt. Hierbei wird auf den betroffenen Arm über eine gepolsterte Stuhllehne (Hypomochlion) bei 90° Flexion im Ellenbogengelenk ein langsamer kontinuierlicher Zug ausgeübt, bis der Humeruskopf reponiert.

731 Schematische Darstellung der Reposition nach Arlt

→ B) Reposition nach Hippokrates: Wird am liegenden Patienten durchgeführt. Der Fuß des Untersuchers wird in der Axilla positioniert (Hypomochlion). Die Reposition erfolgt durch den langsamen kontinuierlichen Zug auf den ausgestreckten Arm.

→ 2) Hintere Luxation: Dieses Verfahren muss immer in Narkose unter ausreichender Relaxation durchgeführt werden. Der betroffene Arm wird um 90° abduziert und innenrotiert. Gleichzeitig sollte von dorsal Druck auf den Humeruskopf ausgeübt werden.

3) Die Kontrolluntersuchungen nach Repositionsmanöver umfassen insbesondere:

732 Kontrolluntersuchungen nach Repositionsmanöver

II: Operative Therapie:

→ 1) Indikation:

→ A) Eine geschlossene Reposition gelang nicht.

→ B) Gefäßläsionen,

→ C) Hill-Sachs-Läsion (> 20% der Gelenkfläche),

→ D) Rotatorenmanschettenruptur,

→ E) Bankart-Läsion,

→ F) Abriss der Subscapularissehne.

2) Minimal-invasiv: Die arthroskopische Versorgung ist bei der Bankart-Läsionen und kleineren Rissen der Rotatorenmanschette geeignet.

3) Invasiv:

733 Operative Interventionsoptionen bei der Schulterluxation

 

Komplikationen:

→ I: Hohe Rezidivrate, gerade bei Patienten mit fehlender Versorgung einer Bankart-Läsion.

→ II: Läsion des Nervus axillaris,

III: Posttraumatische Arthrose.

→ IV: Bewegungseinschränkung

→ V: Selten Humeruskopfnekrose.