Definition: Die Divertikulitis ist definiert als eine Entzündung bzw. Infektion eines oder mehrer mit z.T. Darminhalt gefüllten Divertikel.

Epidemiologie: Die Divertikulitis stellt die häufigste Komplikation der Divertikulose dar. Etwa 15-25% aller Divertikelträger bilden im Krankheitsverlauf eine Divertikulitis aus; mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz; so weisen Patienten zwischen dem 65.-70. Lebensjahr eine Prävalenz von 238/100000, bei den über 85. Jährigen 631/100000 auf. 

 

Ätiopathogenese:

→ I: Ursache ist ein Stuhlaufstau im Bereich des Divertikelhalses mit konsekutiver Bakterienvermehrung und anschließenden Entzündungsprozessen.

II: Je nach Ausmaß der Entzündung unterscheidet man zwischen:

410 Entzündungsausbreitung der Divertikulitis

→ III: Wichtige Risikofaktoren, die eine Divertikulitis triggern sind u.a.:  

→ 1) Höheres Lebensalter,

→ 2) Obstipation,

→ 3) Bewegungsarmut,

→ 4) Fettreiche, ballaststoffarme Kost etc.

→ IV: Lokalisation: Divertikel können im gesamten Kolon vorkommen, jedoch sind sie in > 95% der Fälle im Colon sigmoideum, in 1% im Colon transversum und in je 2% im Zökum bzw. Colon ascendens lokalisiert.

 

Klinik:

→ I: Meist akut auftretende Schmerzen im linken Unterbauch (= Linksappendizitis), die z.T. in den Rücken ausstrahlen.

→ II: Tastbare druckschmerzhafte Walze des Sigmas, evtl. umschriebener Peritonismus.

→ III: Tenesmen und Flatulenz.

→ IV: Stuhlunregelmäßigkeiten von Diarrhoe bis Obstipation.

→ V: Weitere Symptome: Sind u.a. Übelkeit, Erbrechen, subfebrile Temperaturen bis hin zu hohem Fieber, Schleim- und Blutbeimengungen im Stuhl, aber auch Stuhlverhalten.

→ VI: Bei chronischem Krankheitsverlauf kann es zur narbigen Schrumpfung des Sigmas mit zunehmender Stenosesymptomatik kommen.

 

Komplikationen:

→ I: Gedeckte Perforation, die sich durch den Austritt von Kontrastmittel im CT bzw. den Erregernachweis im Abszesspunktat eruieren lässt. 

→ II: Abszessbildung (intraabdominelle Abszesse) oftmals in den retroperitonealen Raum (Douglas-Raum) sowie Leberabszesse.

→ III: Fistelbildung in die Harnblase im Bereich der Blasenhinterwand mit rezidivierenden Harnwegsinfekten (z.B. Zystitis, Pyelonephritis, etc.), Pneumaturie und Fäkalurie sowie in die Scheide, Dünndarm und Haut.

→ IV: Frei Perforation mit konsekutiver kotiger Peritonitis (Nachweis von freier Luft).

→ V: Sekundäre Stenosen bei chronischer Divertikulitis infolge entzündlicher Prozesse der Darmwand und narbiger Strikturen (narbiger Schrumpfung) mit der Gefahr der mechanischen Ileus-Entwicklung. Retroperitoneale Entzündungen können die Harnleiter miteinbeziehen und zur Dysurie und Ureterstenosen führen.

→ VI: Divertikelblutungen: Bei bis zu 15% der Fälle können sich massive therapiebedürftige Blutungen ausbilden.

 

Diagnose:

 I: Anamnese/Klinische Untersuchung: Lokalisierte Abwehrspannung, durchschmerzhafte Walze des Sigmas sowie eine ausgeprägte Druckschmerzhaftigkeit des Douglas-Raums bei der rektalen Palpation.

→ II: Labor:

→ 1) Leukozytose, BSG- und CRP-Erhöhung.

→ 2) Urin: Leukozyten- und Erythrozyten-Nachweis bei Blasenbeteiligung.

III: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Sonographie: Nachweis der Divertikel, evtl. Targetzeichen (= schießscheibenähnlicher Kolonquerschnitt im Bereich der wandverdickten Segmente), evtl. Nachweis eines Douglasabszesses.

→ 2) Röntgen Abdomen:

A) Leeraufnahme (in Linksseitenlage oder im Stehen) mit Darstellung von freier Luft im Abdomen oder retroperitoneal bzw. von Spiegelbildungen bei bestehendem Ileus.

→ B) Kolonkontrastmittelaufnahme: Mit Barium zur Abschätzung der Ausdehnung der Entzündung. Des Weiteren können Stenosen, Fistelbildungen, intraabdominelle Abszesse nachgewiesen werden.

748 Klassifikation der Divertikulose und Divertikelkrankheit

 

Klinisch-relevant: Bei Verdacht auf eine Perforation ist die Gabe von Barium kontraindiziert, da es eine schwer behandelbare Barium-Peritonitis auslösen kann. In diesem Fall erfolgt die Applikation eines wasserlöslichen Kontrastmittels (z.B. Gastrografin).

 

3) CT/MRT: Stellt das sicherste Verfahren zur Diagnose der Divertikulitis (Stadieneinteilung) und ihrer Komplikationen dar.

→ IV: Koloskopie: Es sollte im akuten Stadium aufgrund der Perforationsgefahr darauf verzichtet werden; dient jedoch zusätzlich der Erkennung von pathologischen Veränderungen wie Polypen oder einem Kolonkarzinom.

 

Klassifikation: Man unterscheidet hinsichtlich der Klinik und Diagnose nach Hansen und Stock verschiedene Stadien der Divertikulitis:

747 Stadieneinteilung der Divertikelkrankheit nach Hansen und Stock

 

Differenzialdiagnose: Von der Divertikulitis sind u.a. anchfolgende Erkrankungen abzugrenzen:

→ I: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie die Colitis ulcerosa, aber vor allem auch der Morbus Crohn.

→ II: Reizdarm-Syndrom und Appendizitis sowie

→ III: Kolonkarzinom

→ IV: Weitere Erkrankungen: Sind u.a.:

→ 1) Gynäkologische wie die extrauterine Schwangerschaft, Adnexitis, etc.

→ 2) Harnwegsinfektionen und Nierenerkrankungen wie die akute Pyelonephritis, Pyonephrose, etc.

 

Therapie:

→ I: Konservative Therapie: Gerade beim ersten Schub einer unkomplizierten Divertikulitis sollte eine konservative Behandlung erfolgen. Hierzu gehören:

→ 1) Nahrungskarenz,

→ 2) Parenterale Flüssigkeitszufuhr und Analgetika-Therapie,

→ 3) Gabe eines Breitband-Antibiotikums wie Metronidazol + Ciprofloxacin (alternativ Piperacillin + Tazobactam) mit Abdeckung der Anaerobia und gram-negativen Bakterien.

→ 4) Größere Abzesse können mittels CT oder sonographisch unter Anlage einer Drainage abgeleitet werden.

→ II: Operative Therapie: Eine operative Indikation besteht u.a. bei:

→ 1) Rezidivierender Divertikulitis (> 3-7 Schübe, elektiv OP),

2) Freier Perforation mit/ohne begleitender Peritonitis (Notfall-OP),

→ 3) Massive Blutungen (Notfall-OP),

→ 4) Ileus (Notfall-OP),

→ 5) Intraabdominelle Abszess- und Stenosebildung (dringliche OP),

→ 6) Fistelbildung in Blase, Vagina und Bauchdecke (dringliche OP), sowie

→ 7) Gedeckte Perforation (dringliche OP).

III: Verfahren:

→ 1) Rektosigmoidresektion laparoskopisch oder offen mit End-zu-End-Anastomose.

→ 2) Bei der freien Perforation mit kotiger Peritonitis erfolgt die OP nach Hartmann. Es handelt sich um eine zweizeitige Operation:

→ A) Erste Sitzung: Diskontinuitätsresektion (= Rektosigmoidresektion) mit Blindverschluss des Rektums und Anlage eines Anus praeter des Colon descendens. Zudem ist eine umfangreiche Lavage der Peritonealhöhle indiziert.

→ B) Zweite Sitzung: Rückverlagerung des Anus praeter und Reanastomosierung durch eine Deszendorektostomie. Diese erfolgt zumeist erst nach 12-16 Wochen.

415 Schematische darstellung der Hartmann Operation 

 

Prognose: Bei der Elektiv-Operation liegt die Letalität < 1%; gerade bei einer freien Perforation mit kotiger Peritonitis ist die Sterblichkeit deutlich höher (> 50%).