Definition: Bei der Divertikulose handelt es sich um multiple Ausstülpungen der Darmwand des Intestinaltraktes. Man unterscheidet hierbei zwischen:

→ I: Echten Divertikeln: Sie stellen Ausstülpungen aller Darmwandschichten (Mukosa, Muskularis, Serosa) dar, sind kongenital angelegt, treten zumeist solitär auf und sind deutlich seltener; echte Divertikel sind insbesondere im Zaekum und Colon ascendens lokalisiert. 

→ II: Falschen Divertikeln: (= Pseudodivertikel) Es handelt sich um erworbene Ausstülpungen der Darmmukosa und Submucosa durch Lücken in der Tunica muscularis. Sie treten überwiegend multipel auf und sind bevorzugt im linken Hemikolon lokalisiert.

→ III: Meckel-Divertikel: Er repräsentiert einen echten Divertikel und ist ein Rudiment des Ductus omphaloentericus, ca. 90cm proximal der Ileozökalklappe.

750 Schematische Darstellung der Divertikel Prädilektionsstellen

 

Epidemiologie: Die Inzidenz für eine Divertikulose nimmt mit dem Alter zu. Während sie sich bei den > 50. Jährigen in 5% der Fälle manifestiert, liegt sie bei den > 80. Jährigen bei > 70% vor. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen (wobei in jüngeren Jahren die Männer im höheren Lebensalter die Frauen etwas dominieren).

 

Ätiopathognese: Bei der Divertikulose handelt es sich um eine Zivilisationskrankheit, die insbesondere durch die Ernährungsgewohnheiten (v.a. zu wenig Ballaststoffe) der westlichen Welt gefördert wird.

→ I: Ursache ist eine vermehrte Muskelkontraktur (Spasmus), gerade der intestinalen Längsmuskulatur (Tänien), bei ballaststoffarmer (faserarmer) Ernährung.

→ II: Durch den erhöhten intraluminalen (intrakolischen) Druck kommt es im höheren Lebensalter infolge eines Darmwandelastizitätsverlustes (generelle Bindegewebsschwäche) zum Schleimhautprolaps, insbesondere im Bereich muskulärer Schwachstellen, an den Durchtrittsstellen der mesenterialen Gefäße. 

→ III: Risikofaktoren: Für die Entwicklung einer Divertikulose sind u.a.:

→ 1) Höheres Lebensalter infolge einer altersbedingten Abnahme des elastischen Bindegwebes.

→ 2) Adipositas mit Aufweitung der Gefäßkanäle durch Fetteinlagerung.

→ 3) Ausgeprägter transmuraler Druckgradient zwischen Darmlumen und Bauchhöhle.

→ 4) Ballaststoffarme Kost und chronische Obstipation verantworlich.

IV: Nach ihrer Morphologie unterscheidet man zwischen:

→ 1) Inkompletten Divertikeln: (= intramurale Divertikel) Hierbei liegen die Divertikel auf Darmwandniveau und sind von außen nicht erkennbar.

→ 2) Kompletten Divertikeln: (= transmurale Divertikel) Die Divertikel stülpen sich über die Darmwand hinaus, d.h. sie überschreiten die Ringmuskelschicht nach außen.

 → V: Lokalisation: Die Divertikulose kann in allen Darmabschnitten auftreten, ist jedoch in > 90% im Bereich des Colon sigmoideum lokalisiert.

751 Schematische Darstellung des in  und kompletten Divertikel

 

Klinik: Nicht selten bleibt die Divertikulose ein lebenlang symptomlos (nur 20-30% zeigen klinisch-relevante Komplikationen wie Divertikulitis, Stenosen, Blutungen oder Perforation).

→ I: Die unkomplizierte Divertikulose verläuft in > 80% klinisch asymptomatisch. 

→ II: Selten zeigen sich unspezifische Symptome wie intermittierende, krampfartige Schmerzen im linken Unterbauch nach Nahrungsaufnahme oder klinische Zeichen eines Reizdarm-Syndroms.

III: Weitere Symptome: Sind u.a. wechselnde Stuhlkonsistenz mit Phasen der Diarrhoe und Obstipation, Völlegefühl, Blähungsbeschwerden, etc.

→ IV: Die Saint-Trias ist charakterisiert durch das gleichzeitige Auftreten von:

→ 1) Divertikulose,

→ 2) Cholelithiasis und

→ 3) Axialer Hiatushernie.

 

Komplikationen: Charakteristische Komplikationen sind:

→ I: Blutungen (= untere gastrointestinale Blutung durch Ruptur eines arteriosklerotisch veränderten Gefäßes; bildet sich in 10-30% der Fälle aus; sind häufig selbstlimitierend),

→ II: Spontane Perforation insbesondere beim Zäkumdivertikel.

→ III: Divertikulitis

→ IV: Malassimilationssyndrom bei Fehlbesiedlung bestehender Dünndarmdivertikel.

→ V: Papillenstenose und Pankreatitis bei peripapillären Duodenaldivertikeln.

 

Diagnose:

→ I: Meist handelt es sich um einen Zufallsbefund im Rahmen einer Koloskopie.

→ II: Guter endoskopischer Nachweis der Divertikelausführungsgänge; begleitender Ausschluss eines Kolonkarzinoms.

→ III: Röntgen-Kontrastmittel: Darstellung der mit Kontrastmittel-gefüllten Divertikel. 

 

Therapie: Im Vordergrund der Divertikulose-Behandlung steht die Veränderung der Lebensgewohnheiten

→ I: Allgemeinmaßnahmen:

→ 1) Ernährungsumstellung auf ballaststoffreiche Kost mit z.B. Leinsamen, Weizenkleie etc.

→ 2) Ausreichende Flüssigkeitszufuhr,

→ 3) Stuhlregulation evtl. mit kolloidalen Laxanzien.

→ 4) Bei bakterieller Fehlbesiedlung antibiotische Therapie.

→ II: Operative Therapie: Bei Rezidivblutungen oder nicht-beherrschbaren Blutungen ist eine operative Behandlung durchzuführen:

→ 1) Ist die Blutung lokalisiert, erfolgt eine Segmentresektion mit anschließender End-zu-End-Anastomose.

→ 2) Bei massiven, nicht-lokalisierbaren (diffusen) Blutungen kann eine notfallmäßige, subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose indiziert sein. Selten muss ein endständiger Ileostoma mit Rektumblinverschluss durchgeführt werden.