Definition: Bei den Ösophagusvarizen/Fundus- handelt es sich um pathologisch dilatierte, submukös liegende, ösophageale/gastrale Venen, verursacht durch eine portale Hypertension, meist bei alkoholbedingter Leberzirrhose, aber auch anderer Genese.

Epidemiologie:

→ I: Etwa 90% der Patienten mit Leberzirrhose bilden im weiteren Krankheitsverlauf Ösophagusvarizen aus;

→ II: Etwa 30% erleiden dann im weiteren Verlauf akute Varizenblutungen.

III: Das Rezidivblutungsrisiko tritt am häufigsten wenige Tage bis Wochen nach der Erstblutung auf.

 

→ Ätiopathogenese:

→ I: Durch den sich entwickelnden portocavalen Umgehungskreislauf wird vermehrt Blut infolge einer portalen Hypertension aus den Abdominalorganen über diese Kollateralgefäße abgeleitet.

→ II: Folge ist ein Anstieg des intraluminalen Venendrucks mit konsekutiver Dilatation der Gefäße.

→ III: Die Entwicklung von Ösophagusvarizen ist abhängig vom portosystemischen Druckgradienten zwischen Pfortader und V. cava inferior (Anatomie Ösophagus), der physiologischerweise bei 5 mmHg liegt.

585 Downhill Varizen

 

Klinisch-relevant:

→ A) Bei einem portosystemischen Druckgradient von 10mmHg ist die Entwicklung von Ösophagusvarizen wahrscheinlich. 

→ B) Bei einem Druckgradienten von > 12mmHg besteht ein hohes Rupturrisiko der Varizen.

 

Klassifikation: Stadieneinteilung der Ösophagus-Varizen nach ihrem endoskopischen Befund.

I: Grad 1: Nachweis weniger prominenter submuköser Varizen, die bei Luftinsufflation komplett kollabieren.

→ II: Grad 2: Es bestehen einzelne das Ösophaguslumen einengende Varizen.

→ III: Grad 3: Die Varizen engen das Ösophaguslumen auf mehr als 1/3 ein und weisen einen geschlängelten Verlauf auf. Das Epithel ist kaum verändert.

→ IV: Grad 4: Die dünnwandigen sehr prominenten Varizen füllen das Lumen fast komplett aus. Man findet charakteristischerweise Teleangiektasien und punktförmige kirschrote Epithelläsionen = cherry red spots bzw. Streifen = red color sign.

549 Klassifikation der Ösophagusvarizen nach Paquet

 

Klinik:

→ I: Meist unspezifische klinische Beschwerden mit Druck- und Völlegefühl,

→ II: Zeichen einer portalen Hypertension wie Leberhautzeichen (z.B. Hautatrophie, Spider naevi, Lacklippen, -zunge, Palmar- und Plantarerythem, Weißnägel etc.) und Aszites.

 

Komplikationen:

→ I: Die schwerste Komplikation der Ösophagusvarizen ist die akute Varizenblutung.

→ II: Risikofaktoren hierfür sind:

→ 1) Frühere Varizenblutung,

→ 2) Ösophagusvarizen Stadium III/IV,

3) Große Varizen > 5mm,

→ 4) Nachweis von sogenannten Red color signs und cherry red spots,

5) Darstellung von Huckepackvarizen (= gefüllte vasa vasorum),

→ 6) Fundusvarizen (dickwandiger)

7) Weiterführung des Alkoholkonsums.

 

Diagnose: Mittel der Wahl zum Nachweis von Ösophagusvarizen bzw. deren Stadieneinteilung ist die Ösophagogastroskopie.

 

Therapie:

→ I: Primärprophylaxe:

→ 1) Sie dient der Verhinderung der 1. Varizenblutung bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko; sie weisen eine hohe Letalität auf.

→ 2) Mittel der Wahl ist die Applikation eines nicht-selektiven Beta-Blockers wie z.B. Propranolol mit einer initialen Dosierung von 40mg/d (langsam steigernd bis die Herzfrequenz um 20% abnimmt).

→ 3) Propranolol senkt den portokavalen Druck durch:

→ A) Senkung der Herzfrequenz und des Herzminutenvolumens und

→ B) Verminderung der Splanchnikusdurchblutung.

II: Sekundärprophylaxe:

→ 1) Sie dient der Verhinderung eines Blutungsrezidivs nach der 1. Blutung. Das Risiko für eine Rezidivblutung liegt innerhalb der ersten 10 Tage bei 35%, innerhalb des 1. Jahres bei 70%. Mögliche Therapieoptionen sind:

→ III: Therapieoptionen: Eine endoskopische Therapie zur Eradikation der Varizen kann während der aktiven Blutung, im blutungsfreien Intervall oder prophylaktisch erfolgen (siehe auch akute Varizenblutung). Hierzu zählen:

→ 1) Sklerosierung: Hierbei wird eine Verödungsmittel, meist Polidocanol 1%ig, submukös in das Gefäß indiziert. Über eine Entzündungsreaktion kommt es zur Nekrosebildung und Thrombosierung der Varize. Zudem entwickelt sich eine Fibrose im Bereich der inneren Ösophaguswandschicht, was wiederum die Ausbildung von Ösophagusvarizen minimiert (haben mit > 10% der Fälle ein erhöhtes Komplikationsrisiko). Komplikationen sind u.a. Perforation, Blutung aus Nekrosen und Stenosierung.

→ 2) Varizenligatur: Hierbei werden die Ösophagusvarizen mit dem Endoskop angesaugt und anschließend wird ein Gummiband, welches sich am distalen Ende des Endoskop befindet, über die Varize gestreift (= Gummibandligatur). Folgen sind u. a. Strangulation der Varize mit Unterbindung des Blutflusses, nachfolgende Nekrosebildung und Lösung des Ligaturringes. Zurück bleibt ein oberflächliches Schleimhautulkus, das innerhalb weniger Tage abheilt. Pro Sitzung werden ca. 6 Ligaturringe plaziert, die alle 1-2 Wochen wiederholt wird. Eine vollständige Eradikation der Varizen wird meist nach 2-4 Sitzungen erreicht. Wichtige Komplikationen stellen Infektionen, Blutungen, seltener Perforation und Stenosen dar.

3) Protokavale Shunts: Sie können zur Rezidivprophylaxe eingesetzt werden und dienen der Senkung des Pfortaderdruckes (siehe portosystemische Shuntoperationen). Indikationen Rezidivblutungen nach Sklerosierungstherapie oder endoskopischen Ligaturbehandlungen. Typische Verfahren sind u.a.:

→ A) TIPSS: (= Transjugulärer-intrahepathischer-portosystemischer Shunt-Stent). Hierbei wird eine Verbindung zwischen Lebervene und Pfortader durch transjuguläre Einlage eines Metallgitterstents, nach Ballondilatation (über die V. jugularis interna und die Lebervene durch das Leberparenchym in einen intrahepatischen Pfortaderast) geschaffen, sodass das im portalen System gestaute Blut über den großen Kreislauf abfließen kann. Wichtige und z.T. schwerwiegende Komplikationen sind Stentstenose (prophylatische Einlage eines beschichteten Stents), Abnahme der Leberfunktion und/oder eine therapierefraktäre Enzephalopathie. Des Weiteren (Katheter-assoziiert) Leberabszess, Cholangitis, Peritonitis und die Sepsis. Kontraindikationen sind wiederum eine schwere Leberzirrhose (Child-C), frühere hepatische EnzephalopathieLebertumoren und nicht zuletzt eine schwere Herzinsuffizienz,

B) Selektiver porto-systemischer Shunt: (= distaler splenorenaler Shunt) Ziel ist es, eine selektive Entlastung der Ösohagusvarizen unter Beibehaltung der Leberdurchblutung zu schaffen. Es erfolgt eine Unterbindung der V. coronaria ventriculi und der V. gastrica sinistra. Die V. lienalis wird vor der Einmündung in die V. portae durchtrennt und durch eine End-zu-Seit Anastomose an die V. renalis sinistra angeschlossen.

C) Kompletter porto-systemischer Shunt: Hierbei erfolgt ein kompletter Abfluss der Pfortader in die V. cava inferior unter Ausschaltung der Leber (Entgiftungsfunktion). Es dient der vollständigen Druckentlastung der Ösophagusvarizen, wird aber nur selten durchgeführt.