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- Geschrieben von: CF
- Kategorie: Diabetologie
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→ Definition: Beim diabetischen Fußsyndrom handelt es um ein Symptomkomplex bestehend aus Ulzerationen, Gewebsdestruktionen und/oder Infektionen sowie deren Komplikationen (erhöhtes Amputationsrisiko) an den Füßen von Diabetikern (Diabetes mellitus Typ I und Typ II).
→ Epidemiologie:
→ I: Die Prävalenz des diabetischen Fußsyndroms liegt bei der diabetischen Bevölkerung bei 2-10%.
→ II: Mehr als 300000 Patienten leiden in Deutschland an diesem Syndrom und bei > 50% der Betroffenen ist innerhalb von 4 Jahren nach Diagnosestellung eine Amputation indiziert.
→ Ätiopathogenese:
→ I: Im Mittelpunkt der Genese steht die diabetische Stoffwechsellage, die über eine akzelerierte Atherosklerose (= Makroangiopathie) zur Läsion der Nervenfunktion führt. Wichtige ätiologische Kriterien sind u.a.:
→ 1) Neuropathie mit Traumatisierungen und Fehlbelastungen.
→ 2) Makro- und Mikroangiopathie.
→ 3) Wundheilungs- und Angiogenesestörungen sowie Störungen der lokalen Infektionsabwehr.
→ II: Auslösende Faktoren: Sind insbesondere:
→ 1) Geringfügige lokale Traumen, sogenannte Bagatelltraumen, durch z.B. falsche Nagelpflege, fasches Schuhwerk, etc.
→ 2) Mangelnde Fußhygiene (z.B. Fußpilz) sowie
→ 3) Eine sich anschließende Infektion. Häufig assoziierte Keime sind vor allem GRAM-positive - (insbesondere MRSA), aber auch GRAM-negativen Kokken sowie anaerobe Keime.
→ III: Klassifikation: Bezüglich der Pathophysiologie lässt sich das diabetische Fußsyndrom unterteilen in eine:
→ 1) Ischämische Form: (Infolge einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, insbesondere der peripheren Gefäßabschnitte z.B. A. tibialis, A. fibularis oder das Profundastromsystem) Hierbei steht die hypoxische Störung der Gewebetrophik im Vordergrund. Die Läsionen manifestieren sich in der Regel an Zehen und Ferse als schmerzhafte flächige Nekrosen und Gangräne (aufgrund der evtl. gleichzeitig bestehenden Neuropathie ist die Symptomatik zumeist diskreter, so kann z.B. eine Claudicatio intermittens gänzlich fehlen).
→ 2) Neuropathische Form: (vorwiegend bei jüngeren Typ-I-Diabetikern). Bei dieser Form fallen verschiedene nerval-gesteurte Schutzmechanismen weg. Der Fuß ist zumeist warm mit trockener Haut. Im Bereich der starken Verhornung befinden sich z.B. an Groß- und Kleinzehenballen scharf begrenzt, meist schmerzlose Geschwüre (= Mal perforant). Charakteristischerweise sind die Fußpulse hierbei gut tastbar.
→ Klinik: Die klinische Symptomatik wird vor allem durch die Form des diabetischen Fußsyndroms bestimmt:
→ I: Ischämische Form:
→ 1) Kühle blasse Haut bei erhaltener Schmerzempfindung.
→ 2) Claudicatio intermittens mit primär belastungsabhängigen Wadenschmerzen, später Ruheschmerzen.
→ 3) Akrale Nekrosen und Gangräne.
→ II: Neuropathische Form:
→ 1) Mit Kribbelparästhesie, Hypästhesie, brennender Schmerz im Bereich der Fußsohle sowie gestörter Thermo- und Vibrationsempfindung.
→ 2) Trockene, rosige Haut mit Neigung zur Hyperkeratose im Bereich mechanisch belasteter Stellen.
→ 3) Mal perforans pedis: Hierbei manifestiert sich typischerweise ein schmerzarmer bis -loser Ulkus an der Fußsohle zumeist im Bereich der 2.-3. distalen Metatarsaleköpfchen.
→ 4) Charcot-Fuß: (= diabetische Neuroosteoarthropathie; Abb.: Charcot-Fuß) Hierbei handelt es sich um die ausgeprägteste Form des neuropathischen diabetischen Fußes. Zumeist aufgrund von Bagatell-Traumen kommt es zur zunehmenden Destruktion des knöchernen Skeletts mit konsekutiver Deformierung. Hierfür existiert eine Stadieneinteilung nach Levin:
→ III: Neuropathisch-ischämischer Mischtyp: Bei dieser Form des diabetischen Fußsyndroms zeigt sich eine Kombination aus Angio- und Neuropathie und weist eine besonders schlechte Prognose auf, da Claudicatio- und Ischämie-Zeichen aufgrund der Neuropathie oft nur eingeschränkt oder nicht wahrgenommen werden.
→ Klinisch-relevant: Bei dem diabetischen Fußsyndrom hat sich eine klinische Klassifikation nach Wagner und Armstrong etabliert, die sich an den Kriterien Gewebezerstörung, Infektion, Ischämie sowie Infektion und Ischämie (ätiologische Parameter) orientiert:
→ Diagnose:
→ I: Anamnese: Beinhaltet u.a. die Diabetesdauer, -einstellung, weitere Sekundärkomplikationen, Ischämie und Neuropathie-Symptomatik, frühere Läsionen und Ulzerationen, etc.
→ II: Klinische Untersuchung: Umfasst die Bereiche:
→ 1) Inspektion: Mit beidseitiger Fußinspektion (z.B. Hautfarbe, Hyperkeratose).
→ 2) Palpation: Mit Palpation der Fußpulse, Temperatur und Hautfeuchtigkeit.
→ 3) Neurologische Untersuchung insbesondere von Reflexstatus (Achilles-, Patellarsehnenreflex), Schmerz- und Vibrationsempfindungen (Stimmgabeltest) sowie Temperatur- und Druckempfindungen, aber auch Verschlussdruckmessung.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Regelmäßige Fuß- und Schuhinspektion sind wesentliche Prophylaxe des diabetischen Fußsyndroms.
→ B) Die Untersuchungsintervalle des Fußbefundes sind v.a. von individuellen Risikofaktoren abhängig:
→ 1) Untersuchungsintervall alle 6 Monate bei fehlender Polyneuropathie.
→ 2) Besteht eine Polyneuropathie und oder pAVK ist das Kontrollintervall auf 3 Monate verkürzt.
→ III: Laborchemie: Mit Bestimmung von BZ, HbA1C, Kreatinin, Proteinurie/Albuminurie, BSG, Leukozyten, CRP (bei Infektion).
→ IV: Bildgebende Untersuchung:
→ 1) Dopplerperfusionsdruckmessung bzw. bidirektionale Dopplersonographie mit Bestimmung des Arm-Knöchel-Index.
→ 2) Farbduplexsonographie (insbesondere bei pAVK) bei nicht eindeutigem Befund Magnetresonanz-Angiographie.
→ 3) Intraarterielle digitale Subtrationsangiographie in PTA-Bereitschaft (= bei Stenosenachweis Angioplastie durch z.B. Ballondilatation mit konsekutiver Stentimplantation).
→ 4) Weiterer Untersuchungen zur Kontrolle der Fußarchitektur (z.B. Fußdeformität) bzw. Ausschluss von möglichen Infektionen (Phlegmone, Osteomyelitis, Charcot-Fuß) kann ein Röntgen oder MRT indiziert sein.
→ Differenzialdiagnose: Vom diabetischen Fußsyndrom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Traumatisierungen anderer Genese.
→ II: Infektionen und Durchblutungsstörungen (z.B. Nikotinabusus) anderer Genese.
→ III: Neuropathie bei u.a. Vitamin-B12-Mangel, Paraproteinämie, chronischer Alkoholabhängigkeit, etc.
→ Therapie: Im Vordergrund der Therapie des diabetischen Fußsyndroms stehen insbesondere die Primärprävention, die eigentliche Behandlung des Ulkus (Nekrose, Gangrän, etc.) sowie die Sekundärprävention nach abgeheilter Läsion.
→ I: Primärprävention: Umfassen u.a.:
→ 1) Adäquate Einstellung des Glukosestoffwechsels, regelmäßige Blutzucker-Kontrollen sowie ernährungsmedizinische Beratung.
→ 2) Regelmäßige gründliche (professionelle) Fußpflege.
→ 3) Vermeidung von Verhornungen durch z.B. geeignetes, nicht drückendes Schuhwerk, etc.
→ II: Hat sich das diabetische Fußsyndrom entwickelt steht die interdiziplinäre Betreuung (Hausärzte, Diabetologen, Gefäßchirurgen, Orthopäden, etc.) im Vordergrund und umfasst:
→ 1) Absolute Entlastung des Fußes (u.a. Bettruhe, Orthese). Ohne adäquate Druckentlastung kann eine Wunde nicht heilen. Hierbei ist die Patienten-Compliance von großer Bedeutung.
→ 2) Manifestiert sich ein infiziertes Gangrän muss eine gezielte systemische antibiotische Therapie erfolgen; primär mit einem Breitbandantibiotika anschließend nach Antibiogramm.
→ 3) Bei bestehenden Nekrosen und Wundtaschen ist ein sogenanntes Wunddebridement mit u.a. sorgfältiger chirurgischer Entfernung indiziert.
→ III: Chirurgische Intervention:
→ 1) Insbesondere beim artherosklerotisch-bedingtn,e diabetischen Fuß ist das Mittel der ersten Wahl die Wiederherstellung der Perfusion mittels z.B. perkutaner Dilatation und Stent-Implantation oder Bypass-Operation.
→ 2) Sind Sehnen, Knochen oder Gelenke betroffen ist eine chirurgische Revision (häufig mit Knochenentfernung) unumgänglich. Es kann versucht werden mit einer Strahlen- oder Vorfußamputation auszukommen, jedoch ist bei nicht-beherrschbarer Infektion eine Unterschenkel- oder sogar Oberschenkelamputation erforderlich.
→ IV: Eine weitere wichtige therapeutische Säule ist die Prophylaxe der Rezidivläsion durch regelmäßige Fußinspektion, Tragen von nicht-einschnürenden Strümpfen und druckentlastendem Schuhwerk, aber auch semiorthopädische Weichbettung durch Einlagen, etc.
→ Prognose: Das diabetische Fußsyndrom stellt eine der häufigsten Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus dar und die Prognose ist fast ausschließlich von der Primärprävention sowie Früherkennung des DFS abhängig (immerhin erkranken etwa 6-8 von 1000 Diabetikern pro Jahr daran).
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→ Definition: Beim Gestationsdiabetes handelt es sich um eine Glukoseintoleranz unterschiedlichen Schweregrades, die zum ersten Mal während der Schwangerschaft (insbesondere in der 24-28 Schwangerschaftswoche) auftritt. Diese Form des Diabetes sistiert in der Mehrzahl der Fälle nach der Schwangerschaft.
→ Epidemiologie:
→ I: Etwa 2-3% aller Schwangeren bilden mit steigender Tendenz einen Gestationsdiabetes; es handelt sich somit um eine häufigere Schwangerschaftkomplikation.
→ II: Bei den betroffenen Frauen manifestiert sich bei den nachfolgenden Schwangerschaften zumeist ein erneuter Gestationsdiabetes; in ca. 50% der Fälle entwickelt mit einer Latenz von bis zu 10 Jahren ein Diabetes mellitus Typ II.
→ Ätiologie:
→ I: Während der Schwangerschaft, insbesondere im 2. Trimenon kann sich eine Hormon-bedingte periphere Insulinresistenz (v.a. durch Cortisol, Östrogen und HPL = Humanes Plazentalaktogen) ausbilden.
→ II: Folge ist ein deutlich erhöhter Insulinbedarf mit gesteigerter Insulinproduktion (2-3fache), die bei einigen Patientinnen die Produktionskapazität des Pankreas übersteigt.
→ III: Risikofaktoren: Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes sind u.a. Diabetes mellitus in der Familienanamnese (auch Diabetes mellitus Typ I), Übergewicht mit einem BMI > 27kg/m2 und ein erhöhtes Lebensalter (> 32. Lebensjahr). Auch im Bereich der geburtshilflichen Anamnese bestehen weitere Risiken wie:
→ 1) EPH-Gestose in der Anamnese mit arterieller Hypertonie, Proteinurie und peripheren Ödemen.
→ 2) Makrosomie > 4000g-4500g eines zuvor geborenen Kindes.
→ 3) Schwere kongenitale Fehlbildungen in einer Vorschwangerschaft, habituelle Abortneigung und Totgeburten.
→ Klinik: Der Gestationsdiabetes verursacht keine Symptome, hat jedoch akute - und Langzeitfolgen für Mutter und Kind.
→ I: Symptome Mutter: Charakteristische Diabetessymptomatik mit Adynamie, Polydypsie und Polyurie, etc.
→ 1) Akute Folgen: Vermehrt Harnwegsinfekte (z.B. Zystitis, Pyelonephritis) sowie vaginale Infekte, arterielle Hypertonie, Präklampsie, Eklampsie, Hydramnion (= pathologische Fruchtwasser-Bildung > 2l, meist 3-4l).
→ 2) Chronisch: Ausbildung eines Diabetes mellitus Typ II in bis zu 50% der Fälle nach einer Latenz von bis zu 10 Jahren.
→ II: Folgen für das Kind:
→ 1) Akut: Vermehrte fetale Insulinproduktion (= Hyperinsulinismus) aufgrund der mütterlichen Hyperglykämie. Folge ist die Manifestation einer Makrosomie mit gleichzeitiger Reifestörung, postpartales Atemnot-Syndrom, Hyperbilirubinämie, Hypomagnesiämie, Hypokalzämie sowie Hypoglykämie.
→ Klinisch relevant: Die fetalen Beta-Zellen des Pankreas adaptieren sich an den hohen mütterlichen Glukosespiegel mit konsekutiver Hypertrophie sowie Hyperplasie der Inselzellen und vermehrter Insulinsekretion mit konsekutiver Hypoglykämie.
→ 2) Chronisch: Fetopathie diabetica mit Fehlbildungen des Herzens, der Wirbelsäule und des Gastrointestinaltraktes. Zudem neigen Kinder diabetischer Mütter in der Adoleszenz vermehrt zu Adipositas, Diabetes mellitus Typ II und zum metabolischen Syndrom.
→ Diagnose: Im Zuge der Schwangerschaftsvorsorge-Untersuchungen erfolgt ein Diabetes-Screening zwischen der 24-28 Schwangerschaftswoche und in der 32-34 Schwangerschaftswoche (höchste Wirksamkeit kontrainsulinärer Hormone); bestehen jedoch Risikofaktoren ist das Screening vor der 16. Schwangerschaftswoche indiziert:
→ I: Basislabor: Mit Bestimmung insbesondere von Blutzucker, Blutzuckertagesprofil, HbA1C und Fructosamin, etc. Da der HbA1C-Wert ein sehr träger Parameter ist, der die Glukosestoffwechsellage der letzten 2-3 Monate wiederspiegel, stellt das Fruktosamin einen eindeutig besseren laborbiochemischen Wert dar. Ketoamin ist das Produkt der nicht-enzymatischen Glykosylierung von Serumproteinen (insbesondere von Albumin und IgG). Da diese Serumproteine eine deutlich kürzere Halbwertszeit aufweisen, sind kurzfristige Veränderungen des Glukosestoffwechsels besser zu eruieren (= die Fruktosamin-Wert gibt Aufschluss über die Zuckerlage der letzten 2 Wochen).
→ II: Oraler Glucose-Toleranz-Test: Im Zuge der Vorbereitung sollte die Patientin 3 Tage vor der Untersuchung eine kohlenhydratreiche Nahrung zu sich nehmen. 8-10 Stunden vor der Untersuchung ist eine absolute Nahrungskarenz indiziert. Die Durchführung des Testes beinhaltet:
→ 1) Bestimmung des Nüchtern-Glukosewertes.
→ 2) Gabe einer 75g Glucose-haltigen Testlösung.
→ 3) Bestimmung des Blutzuckerspiegels nach 1 Stunde und 2 Stunden.
→ III: Nach den Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe besteht eine eingeschränkte Glukosetoleranz, wenn mindestens 2 der folgenden Werte erreicht /überschritten werden:
→ 1) Der Nüchtern-BZ > 90mg/dl (> 5mmol/l),
→ 2) Nach 1 Stunde > 180mg/dl (> 10mmol/l) und
→ 3) Nach 2 Stunden > 155 mg/dl (> 8,6) liegt.
→ Therapie: Im Mittelpunkt der Behandlung steht die Normalisierung des Blutzuckerwertes, um das Risiko sowohl für die Mutter als auch für das ungeborene Kind zu minimieren.
→ I: Allgemeinmaßnahmen:
→ 1) Regelmäßige Kontrolle des Blutzuckers.
→ 2) Bewegungstherapie: Ein gesteigerter Energieverbrauch sowie eine verbesserte Insulinsensitivität helfen, die Blutzuckerwerte zu senken (auf geburtshilfliche Kontraindikationen muss jedoch geachtet werden).
→ 3) Ernährungsumstellung: Ziel hierbei ist nicht die Gewichtsabnahme (allenfalls 1-2kg), sondern vielmehr die Gewichtsstagnation.
→ A) 30-35 kcal/kgKG des errechneten Idealgewichtes.
→ B) Kohlenhydratanteil: Sollte 50-55% (18-22 BE) des täglichen Gesamtenergiebedarft betragen.
→ C) Der Proteinanteil liegt bei 15-20% und der Fettanteil bei 30-35%.
→ II: Medikamentöse Therapie:
→ 1) Als Hinweis für die Notwendigkeit einer intensivierten Insulintherapie gilt, wenn mehr als 2 pathologische Blutzuckerwerte pro Tag (nüchtern und postprandial) an 2 aufeinanderfolgenden Tagen bestehen (orale Antidiabetika sind aufgrund ihrer Fetotoxizität kontraindiziert).
→ 2) Therapieziel: Sind folgende BZ-Werte:
→ A) Nüchternzucker 60-90mg/dl (3,3-5mmol/l),
→ B) Postprandial nach 1 Stunde: < 140mg/dl (< 7,8mmol/l) und
→ C) Postprandial nach 2 Stunden: < 120mg/dl (< 6,7mmol/l).
→ D) Normale HbA1C-Werte (< 5,7%).
→ Prognose: Der Gestationsdiabetes bildet sich in der Regel postpartal zurück. Bei den betroffenen Patientinnen besteht jedoch ein deutlich erhöhtes Risiko (bis zu 50% in den folgenden 10 Jahren) für die Ausbildung eines Typ II Diabetes. Zudem besteht für die nachfolgende Schwangerschaft ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes.
→ Klinisch-relevant: Wichtige Veränderungen der Insulinempfindlichkeit während der Schwangerschaft:
→ A) In der 8.-12. Schwangerschaftswoche besteht eine erhöhte Insulinempfindlichkeit mit der Gefahr der Hypoglykämie. Folge ist eine Reduktion der Insulin-Dosis.
→ B) Im 2. Schwangerschaftstrimenon ist die Insulinempfindlichkeit deutlich reduziert; eine Steigerung der Insulin-Dosis ist indiziert.
→ C) Die normale Insulinempfindlichkeit wird direkt nach der Geburt wieder erreicht. Jedoch sollte 6-12 Wochen nach Entbindung ein oraler Glukosetoleranztest durchgeführt werden und bei normalen Ergebnissen mindestens alle 2 Jahre wiederholt werden.
→ D) Stillen des Kindes senkt den Insulinbedarf um bis zu 5 IE.
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→ Definition:
→ I: Beim Diabetes Typ 2 handelt es sich im Gegensatz zum Typ 1 Diabetes, um einen relativen Insulinmangel aufgrund:
→ 1) Einer Insulinresistenz (eingeschränkte Wirksamkeit des Insulins im Gewebe) und
→ 2) Einer gestörten Insulinsekretion durch die Beta-Zellen des Pankreas.
→ II: Folge ist eine Dysbalance zwischen Insulinangebot und Insulinbedarf.
→ Epidemiologie:
→ I: Ca. 8% der Bevölkerung in Deutschland weisen einen Diabetes mellitus auf, wobei es sich in 90% der Fälle um einen Typ 2 Diabetes handelt.
→ II: Der Manifestationsgipfel liegt über dem 40. Lebensjahr jedoch sind heutzutage zunehmend auch jüngere Menschen mit Adipositas betroffen.
→ Ätiologie:
→ I: Beim Diabetes mellitus Typ 2 spielen vor allem genetische Faktoren eine wichtige Rolle:
→ 1) So entwickeln Kinder eines am Typ-2-Diabetes erkrankten Elternteils in bis zu 50% der Fälle auch einen Diabetes.
→ 2) Die Konkordanz bei eineiigen Zwillingen ist sogar noch deutlich höher.
→ 3) Es ist ein sogenannter „single-nucleotide-polymorphismus“ nachgewiesen worden, der Einfluss auf die Insulinresistenz bzw. -sekretion haben.
→ II: Manfestationsfördernde Faktoren:
→ 1) Überernährung mit Adipositas,
→ 2) Metabolisches Syndrom mit Glukoseintoleranz, Fettstoffwechselstörungen (Triglyceride und LDL- erhöht, HDL-Cholesterin erniedrigt), Hyperurikämie, essentielle arterielle Hypertonie und stammbetonter Adipositas.
→ 3) Bewegungsmangel sowie
→ 4) Infektionen, Operationen und Traumata.
→ Pathophysiologie: Die vermehrte Nahrungszufuhr verursacht postprandiale Hyperglykämien mit konsekutiv erhöhter Insulinausschüttung. Diese repetitiv erhöhten Blutzuckerspiegel induzieren wiederum die Insulinresistenz mit Down-Regulation der Rezeptorensensibilität und -dichte in den Zielgeweben. Folge ist eine vermehrte Insulinausschüttung, um die Aufnahme von Glucose in die Gewebe zu gewährleisten; konsekutiv manifestiert sich ein relativer Insulinmangel. Auch der Bewegungsmangel hemmt die Insulin-induzierte Glukoseaufnahme in die Zelle. Zudem ist bei den Betroffenen die insulinabhängig Hemmung der Glucosefreisetzung und Fettsäure- gestört, sodass vermehrt Glukose und Fettsäuren gebildet werden, die wiederum eine toxische Wirkung auf die Beta-Zellen des Pankreas haben.
→ Klinik:
→ I: Der Diabetes mellitus Typ 2 tritt meist bei adipösen Patienten nach dem 40. Lebensjahr (häufig besteht ein metabolisches Syndrom mit arterieller Hypertonie, Hyperlipidämie mit Triglyceride > 150mg/dl = 1,2mmol/l; HDL < 40-50mg/dl = 1,04-129mmol/l, stammbetonter Adipositas und einer Glucoseintoleranz).
→ II: Im Vergleich zum Typ 1 Diabetes, verläuft der Typ 2 meist schleichend mit evtl. Polydipsie und Polyurie; wird häufig im Zuge einer Routineuntersuchung aufgedeckt.
→ III: Weitere typische Symptome: Sind u.a.: Müdigkeit, Leistungsminderung, Pruritus, Rubeosis diabetica (diabetische Gesichtsröte), Hautinfektionen wie Furunkulose, Candidainfektionen, Necrobiosis lipoidica (= an den Unterschenkeln bestehende bräunlich-rote Herde mit evtl. Ulzerationen), sowie bakterielle Harnwegsinfekte (z.B. Zystitis, Pyelonephritis,) etc.
→ Komplikationen: Beim Diabetes mellitus werden zwischen Früh- und Spätkomplikationen unterschieden:
→ I: Frühkomplikationen:
→ 1) Lipidstoffwechselstörungen mit Steatosis hepatis aufgrund einer vermehrten VLDL-Synthese,
→ 2) Coma diabeticum in Form eines hyperosmolaren Komas.
→ 3) Hypoglykämien (z.B. medikamentös-induziert).
→ II: Spätkomplikationen: Mikro- und Makroangiopathie:
→ 1) Diabetische Mikroangiopathie: Diabetische Retino- und Makulopathie, sowie diabetische Nephropathie.
→ 2) Diabetische Makroangiopathie: Diabetisches Fußsyndrom, Myokardinfarkt, Schlaganfall, pAVK, aber auch Polyneuropathie.
→ Klinisch-relevant: Beim Diabetes mellitus unterscheidet man zwischen einer unspezifischen Makroangiopathie (meist früher beginnend und schwerer Verlauf) und einer Diabetes-spezifischen Mikroangiopathie, die durch eine Verdickung der kapillaren Basalmembran infolge einer nicht-enzymatischen Glykierung der Basalmembranproteine bei bestehender Hyperglykämie charakterisiert ist.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Familiäre Disposition, Schwangerschaftskomplikationen, Abklärung von Polyurie, Polydipsie, Müdigkeit etc.
→ II: Labor:
→ 1) Nüchternzucker; dient der Diagnosestellung sowie dem Therapieverlauf.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Nüchtern-Plasma-Glucose-Werte > 126mg/dl (> 7,0mmol/l) bestätigen einen Diabetes.
→ B) Werte zwischen 100-120mg/dl (5,6-6,9mmol/l) stellen eine abnorme Nüchtern-Glucose dar.
→ C) Nur Nüchtern-Werte < 100mg/dl (5,6mmol/l) sind normal.
→ D) Die Plasma-Glucose-Werte sind um 11% höher als die im kapillaren Vollblut.
→ 2) Uringlucose: Bestimmung der Glucose im Morgenurin oder 24h-Sammelurin. Die physiologische Nierenschwelle liegt für Glucose bei 180mg/dl (bei Kindern, Schwangeren und bei Patienten mit renalen Glukosurie infolge gestörter Glucose-Rückresorption ist sie niedriger).
→ Klinisch-relevant: Besteht jedoch eine diabetische Nephropathie kann die Nierenschwelle für Glucose deutlich erhöht (300mg/dl) sein, sodass Hyperglykämien nicht konsekutiv zu einer Glucosurie führen. Hierbei besteht die Gefahr einen manifesten Diabetes zu übersehen.
→ 3) Oraler Glucose-Toleranztest: Indikation besteht u.a. bei abnormer Nüchternglucose und bei Risikofaktoren wie das metabolische Syndrom. Vor der Untersuchung sollte eine 3-tägige kohlenhydratreiche Nahrungsaufnahme erfolgen. Am Vortag ist eine 10-stündige Nahrungkarenz indiziert; Am nächsten Tag erfolgt zum einen die Bestimmung des Nüchtern-Blutzuckers und die anschließende Gabe einer Testlösung mit 75g Glucose, zum anderen eine weitere Bestimmung des Blutzuckers nach 120min.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Liegt der 2 Stunden-BZ-Wert < 140mg/dl (7,8mmol/l) ist die Stoffwechsellage normal.
→ B) Liegt der 2 Stunden-BZ-Wert zwischen 140-199mg/dl (7,8-11,0mmol/l) besteht eine gestörte Glucoseintoleranz (= IFG = Impaired-fasting-glucose) und
→ C) Bei 2 Stunden-BZ-Werten > 200mg/dl (> 11,1mmol/l) ist ein Diabetes bestätigt.
→ D) Störfaktoren: Falsch-positive Werte entwickeln sich u.a. bei längerer Bettlägerigkeit, Menstruation, Infektionen, Lebererkrankungen, Einnahme von Glukokortikoiden, Östrogen und in Stresssituationen.
→ 4) Bestimmung des Glykohämoglobins/HbA1c: Es stellt das Blutzuckergedächtnis der letzten 6-8 Wochen dar. Hierbei findet eine irreversible, nicht-enzymatische Glykierung des Hämoglobins in den Erythrozyten statt, die von der Höhe des Blutzuckers abhängig ist (qualitative Beurteilung der BZ-Therapie).
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die Bestimmung der BZ-Einstellung der letzten 1-3 Wochen wird besser durch die Glykierung der Serumproteine (Fruktosamin) repräsentiert.
→ B) Falsch-positiv HbA1c Werte: Können u.a. bei Niereninsuffizienz, Lipidstoffwechselstörungen chronischer Alkoholabhängigkeit, in der 2. Schwangerschaftshälfte auftreten (DD: Gestationsdiabetes).
→ C) Falsch-negative Werte: Manifestieren sich u.a. bei verkürzter Erythrozytenlebenszeit (hämolytische Anämie), nach Transfusionen.
→ D) Referenzbereich des HbA1c:
→ 1) Bei Nicht-Diabetikern < 5,7%;
→ 2) Bei Diabetikern > 6,5%.
→ Differenzialdiagnose: Vom Diabetes mellitus Typ II müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Diabetes mellitus Typ 1,
→ II: Magenresezierte Patienten weisen öfters nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten einen deutlichen Blutzuckeranstieg und eine Glucosurie auf, ohne an einem Diabetes erkrankt zu sein.
→ III: Gestationsdiabetes.
→ IV: Andere Diabetesformen infolge eines genetischen Defektes der Beta-Zellfunktion (MODY: Maturity-onset-diabetes of the young).
→ V: Passagere Hyperglykämie: Bei Infektionen, erhöhtem intrakraniellem Druck, akute Vergiftungen (CO-Vergiftung).
→ Therapie: Therapieziele in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ II sind:
→ I: Gewichtsnormalisierung mit einem BMI < 25kg/m2,
→ II: Diät: Der normale Energiebedarf wird wie folgt berechnet: Normales Körpergewicht x 32 (kcal) und verteilt auf:
→ 1) 50-60% Kohlenhydrate (4,1kcal/g) des Gesamtkalorienbedarfs; hierbei sollten schnell-resorbierbare Zucker vermieden werden.
→ 2) 10-15% Eiweiß (4,1kcal/g) und
→ 3) 25-30% (9,3kcla/g) des Gesamtkalorienbedarfs.
→ 4) Es sollten mehrere kleinere ballaststoffreiche Mahlzeiten über den Tag verteilt eingenommen werden.
→ 5) Normalisierung der Blutfette:
→ A) LDL < 100mg/dl (< 2,6mmol/l),
→ B) HDL > 45mg/dl (>1,1mmol/l),
→ C) Triglyceride < 150mg/dl (1,7mmol/l).
→ III: Bewegungssteigerung: Erhöht die Sensitivität der Muskelzellen für Insulin.
→ IV: Medikamentöse Therapie: Mit oralen Antidiabetika, Insulin, GLP-1:
→ 1) Metformin: Stellt das Mittel der 1. Wahl bei übergewichtigen Patienten dar. Es hemmt die hepatische Gluconeogenese und verbessert die periphere Glucoseverwertung. Die Initialdosis liegt bei 1x500mg/d bis zu einer Zieldosis von 2-1000mg/d.
→ 2) GLP-1-Analoga: Hierzu gehören Exzenatide und Liraglutid und werden subkutan appliziert. Sie aktivieren die glukoseabhängige Insulin-, hemmen die Glukagonfreisetzung und verlangsamen die Magenentleerung.
→ 3) Insulinotrope Substanzen: Hierzu zählen insbesondere die Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid 3,5-7mg/d) sowie die Glinide (Repaglinid 0,5-4mg vor den Mahlzeiten). Sie fördern die Freisetzung von Insulin aus den Beta-Zellen des Pankreas. Die Sulfonylharnstoffe führen nach ca. 10 Jahren zu einem Versiegen /Erschöpfung der Beta-Zellen.
→ 4) Glitazone: Hierzu gehört Pioglitazon (1x15-30mg/d), meist in Kombination mit Sulfonylharnstoffen bzw. Metformin. Es steigert die Insulinsensitivität an den peripheren Zellen.
→ 5) Alpha-Glukosidase-Hemmer: Hierzu gehört u.a. die Acarbose (3x 50mg/d bis Maximaldosis von 300mg/d). Es hemmt die intestinale Spaltung der Kohlenhydrate.
→ 6) Dipeptidylpeptidase-4-Hemmer: Zu dieser Substanzgruppe gehört u.a. Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin. Sie inhibieren den Abbau des Glucagon-like-peptid 1 (= GLP-1).
→ Klinisch-relevant: Bei Erschöpfung der Beta-Zellen des Pankreas ist eine Kombinationstherapie mit Insulin indiziert. Folgende Therapieoptionen bestehen:
→ A) Langwirksames Insulin am Abend (Bed-Time-Insulin) + Sulfonylharnstoff.
→ B) Orales Antidiabetikum + präprandiales Insulin.
→ C) Mischinsulin morgens, Normalinsulin mittags; Mischinsulin abends.
→ V: Patientenschulung:
→ 1) Edukation, die Krankheit zu akzeptieren und mit ihr zu leben. Aufklärung zur Entstehung, Ernährung, Erkennung von Hypoglykämie-Zeichen und zur speziellen Fußpflege.
→ 2) Selbstkontrolle mit regelmäßigen BZ-Kontrollen, Erlernen der Injektionstechnik und der Dosisanpassung etc.
→ VI: Prophylaxe der Komplikationen:
→ 1) Tragen von nicht drückendem Schuhwerke, spezielle Fußpflege,
→ 2) Therapie einer arteriellen Hypertonie (RR ohne Albuminurie < 140/90mmHg bzw. mit Albuminurie < 130/80mmHg) mit ACE-Hemmer oder AT-1-Hemmern; sie wirken zudem nierenprotektiv.
→ 3) Bei bestehenden kardiovaskulären Risiken ist die Gabe von Statinen bzw. ASS indiziert.
→ VII: Therapie von Spätkomplikationen:
→ 1) Bei pAVK Revaskularisationstherapie mittels PTA oder Bypass.
→ 2) Protein- und Kochsalzrestriktion bei Nierenfunktionsstörungen.
→ 3) Applikation des trizyklischen Antidepressivums Amitriptylin bei Polyneuropathie.
→ Prognose:
→ I: Es ist bewiesen, dass
→ 1) Eine Verbesserung der HbA1c-Werte zu einer Reduktion der Spätkomplikationen führt und
→ 2) Hyperglykämien die diabetische Mikroangiopathie induzieren.
→ II: Die Lebenserwartung wird vor allem durch Auftreten von diabetischer Nephropathie, KHK und Myokardinfarkt bestimmt.