→ Definition: Beim Wermer Syndrom (= multiplen endokrinen Neoplasie I) handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbte (familiär gehäufte) oder aber auch sporadisch auftretende Erkrankung mit Bildung benigner und maligner Tumoren in den verschiedenen endokrinen Organen.
→ I: Hypophysenadenomen (30-60%),
→ II: Einem primären Hyperparathyreoidismus (bei Nebenschilddrüsenadenomen in bis zu 90% der Fälle) und
→ III: Pankreastumoren (50%) charakterisiert.
→ Epidemiologie: Die Prävalenz liegt wie bei der MEN-II bei 1/30000-1/50000 und manifestiert sich nur selten vor dem dritten Lebensjahrzehnt, wobei Männer und Frauen gleich häufig betroffen sind. Zudem weist das Wermer-Syndrom eine hohe Penetranz auf. 80% der Genträger entwickeln klinische oder biochemische Symptome.
→ Ätiologie:
→ I: Die MEN I stellt eine autosomal-dominant vererbt Erkrankung mit hoher Penetranz dar.
→ II: Es besteht eine Mutation im Menin-Gen auf Chromosom 11q13. Hierbei handelt es sich um ein Tumorsuppressor-Gen.
→ Klinik:
→ I: Die klinische Symptomatik richtet sich nach dem Vorhandensein endokriner Neoplasien.
→ II: Die Leitsymptome sind oftmals durch den primären Hyperparathyreoidismus (> 90% PTH erhöht) bei Nebenschilddrüsenadenomen geprägt (ausgelöst durch eine Hyperkalzämie):
→ 1) Polydypsie und Polyurie,
→ 2) Übelkeit, Erbrechen und Ulcus ventriculi,
→ 3) Urolithiasis,
→ 4) Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates.
→ II: Hypophysenadenome:
→ 1) Betrifft es das STH = somatotropes Hormon (= Somatropin erhöht): Ausbildung einer Akromegalie.
→ 2) ACTH: (= Adrenocorticotropin erhöht): Entwicklung eines Morbus Cushing.
→ 3) Prolaktin: (erhöht) Amenorrhoe, Galaktorrhoe (Prolaktinom).
→ 4) Es existieren aber auch hormoninaktive Hypophysenadenome.
→ III: Pankreastumoren:
→ 1) Gastrinom: (Gastrin erhöht): Mit therapieresistenten, rezidivierenden Ulzera im Bereich des oberen GIT.
→ 2) Insulinom: Hyperinsulinämie mit der klassischen Whipple-Trias: Hypoglykämie < 45mg/dl, hypoglykämische Symptome und Besserung der Symptomatik nach Glucose-Zufuhr.
→ 3) VIPom: Vasoaktives intestinales Peptid (VIP erhöht). Charakteristisch hierbei sind wässrige Durchfälle, Hyokaliämie und Achlorhydrie.
→ 5) Glukagonom: Mit erhöhter Serumglukagon-Konzentration, pathologischer Glukosetoleranz, atrophischer Glossitis etc.
→ 6) Seltener noch Magenkarzinoide, viszerale und kutane Lipome, Angiofibrome oder Nebennierenadenome.
→ Diagnose:
→ I: Wegweisend sind erhöhte Hormonkonzentrationen der betroffenen endokrinen Organe (STH, ACTH, Prolaktin, Gastrin, Insulin, Glucagon).
→ II: Angehörigen von MEN-I Patienten ist eine humangenetische Untersuchung mit Typisierung zu empfehlen.
→ III: Bei Genträgern sind jährliche Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung obligat.
→ Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem endokrin-aktiven Tumor; Mittel der Wahl ist die chirurgische Behandlung der Grunderkrankungen des betroffenen Organs (primärer Hyperparathyreoidismus). Aufgrund der z.T. nicht-kalkulierbaren Metastasierung der neuroendokrinen Tumoren (z.B. Karzinoid, Gastrinom, etc.) sollte eine frühzeitige chirurgische R0-Resektion vor Entwicklung von Lebermetastasen erfolgen.
→ Prognose: Ist insbesondere von der Metastasierungswahrscheinlichkeit des Tumors abhängig, wobei vor allem die Gastrinome in 20-40% der Fälle metastasieren.