Definition:

→ I: Unter dem Mallory-Weiss-Syndrom versteht man zumeist vertikal verlaufende Mucosa- und Submucosa-Einrisse im Bereich des distalen Ösophagus (gastroösophagealer Übergang) und der Pars cardiaca des Magens, verursacht durch eine plötzliche, intraabdominelle Druckerhöhung.

→ II: Hierdurch kann es über Arrosion submuköser Arterien und Venen zu z.T. lebensbedrohlichen, gastrointestinalen Blutungen kommen. Die Intensität der Blutung ist insbesondere von der Tiefe und der Ausdehnung des Einrisses abhängig.

 

Epidemiologie:

→ I: Etwa -5%-10% aller oberen gastrointestinalen Blutungen werden durch das Mallory-Weiss-Syndrom hervorgerufen (etwa 80%-90% aller Mallory-Weiss-Blutungen sistieren spontan wieder).

→ II: Männer sind deutlich (3x) häufiger als Frauen betroffen. 

→ III: Es existieren 2 Manifestationsgipfel zum einen im jungen Erwachsenenalter, zum anderen in der 5. Lebensdekade.

 

Ätiologie: Plötzlich vehemente, intraabdominelle Druckerhöhung (> 200mmHg für einige Sekunden) mit konsekutiver Dehnung des gastroösophagealen Übergang führen zu Rissen der Mucosa und evtl. Submucosa bei vorgeschädigter Schleimhaut (Risikofaktoren sind Alkoholkrankheit, Patienten mit chronischer Refluxösophagitis oder einer Hiatushernie) nach:

→ I: Würgen und Erbrechen,

→ II: Epileptische Anfälle

→ III: Singultus und Husten etc. (entspricht der Ätiologie des Boerhaave-Syndroms).

→ IV: Weitere Faktoren: Sind u.a.:

→ 1) Externe Herzdruckmassage,

→ 2) Stumpfes Bauchtrauma,

→ 3) Gastroskopie und Sondenplazierung, etc.

 

Klinisch-relevant: Begünstigende Faktoren für das Mallory-Weiss-Syndrom sind insbesondere:

→ A) Hiatushernie,

B) Gravidität,

→ C) Große, üppige Mahlzeiten und Alkoholgenuss

→ D) Einnahme Acetylsalicyl-haltiger Medikamente.

 

Klinik:

→ I: Mögliche Schmerzen im epigastrischen Raum und retrosternal (evtl. mit Ausstrahlung in den Rücken) sind eher selten.

→ II: Klinisch charakteristisch ist eine Folge aus Hämatemesis nach vorangegangenem unblutigem Erbrechen.

→ III: Nicht selten sind die Blutungen selbstlimitierend und die Mukosaeinrisse heilen nach 48-72 Stunden spontan wieder ab.  

IV: Komplikation: Schwere, z.T. lebensbedrohliche arterielle Blutungen (als sogenannte obere GIT-Blutungen).

 

Diagnose:

→ I: Anamnese: Patienten geben zumeist einen zuvor stattgefundenen Alkoholexzess mit heftigem Würgen und Erbrechen an.

→ II: Endoskopie:

→ 1) Charakteristischerweise findet man makroskopisch einzelne oder mehrere longitudinale Schleimhauteinrisse (Fissuren) mit ausgefransten blutigen Rändern im Bereich des distalen Ösophagus und der Pars cardiaca des Magens mit einer Länge von 2-3cm.

→ 2) Die Fissuren durchdringen die Muscularis mucosae und reichen bis in die Submucosa.

→ 3) Sie sind oftmals dorsal lokalisiert.

III: Zusätzliche Untersuchungen: Bei Verdacht auf das Boerhaave-Syndrom (Ösophagusperforation) Gastrographinschlucken und Röntgen Thorax zum Ausschluss eines Pneumomediastinums.

 

Differenzialdiagnose: Vom Mallory-Weiss-Syndrom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt wwerden.

→ I: Gastroösophageale Refluxkrankheit, 

→ II: Obere GIT-Blutungen bei Ulcus ventriculi/Ulcus duodeni, Magenkarzinom (bzw. Magenfrühkarziom) sowie Varizenblutungen,

→ III: Boerhaave-Syndrom etc.

604 Charakteristika des Mallory Weiss Syndroms bzw. Boerhaave Syndroms

 

Therapie:

→ I: Allgemein: Die Blutungen des Mallory-Weiss-Syndroms sind in 80% selbstlimitierend. Begleitend kann eine kurzfristige säurehemmende Therapie (Antazida, H2-Blocker, PPI), die die Heilung beschleunigen, indiziert sein.

II: Endoskopisch Therapie: Die endoskopische Hämostase ist nur bei akuter Blutung indiziert und erfolgt durch:

→ 1) Clip-Applikation oder

→ 2) Injektionstechnik mit einer Adrenalinlösung (Suprarenin 1:10000), evtl. Fibrinkleber oder weiteren sklerosierenden Substanzen oder

→ 3) Gegebenenfalls durch eine Ligatur (die Ballontamponade ist beim Mallory-Weiss-Syndrom kontraindiziert).

III: Operative Therapie: Ist nur sehr selten indiziert (< 10% der Fälle). Da die Schleimhautfissuren meist im Bereich des gastroösophagealen Übergangs lokalisiert sind, erfolgt eine subkardiale Gastrotomie mit nachfolgender Umstechung der Schleimhautrisse. Im Weiteren wird die oftmals begleitende axiale Hiatushernie durch eine hintere Gastropexie bzw. eine Fundoplicatio behoben.

 

Prognose: Die Prognose ist zumeist günstig; jedoch kann es gerade bei portaler Hypertension und Gerinnungsstörungen in 0,5-5% der Fälle zu Rezidivblutungen kommen.