→ Definition: Bei der Faktor-V-Leiden-Mutation handelt es sich um eine hereditäre Thrombophilie mit einer Punktmutation im Codon 1691 (Exon 10) des Faktor-V-Gens mit konsektiv erhöhter Thromboseneigung; diese Mutation stellt definitiongemäß einen Polymorphismus dar.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Faktor-V-Leiden-Genmutation stellt die häufigste genetische Ursache für venöse Thromboembolien (v.a. tiefe Beinvenenthrombose) dar.
→ II: Die Faktor-V-Leiden-Mutation tritt in Europa in 5%-10% der Fälle auf (auch in Deutschland besteht eine erhöhte Disposition), wobei sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle herauskristallisiert (mit deutlich höherer Prävalenz in den nördlichen Regionen und sehr geringe Prävalenz in Regionen wie Asien und Afrika).
→ III: Die Vererbung erfolgt co-dominant, sodass das Thromboserisiko bei homozygoten deutlich höher ist als bei heterozygoten Trägern.
→ 1) Heterozygote Träger haben eine 5-10-fach erhöhtes Thromboserisiko und
→ 2) Homozygote Träger weisen ein 50-100-fach erhöhtes Thromboserisiko auf.
→ IV: Etwa die Hälfte aller Patienten mit familiärer Thromboseneigung sind ist Träger dieser Mutation.
→ Klinisch-relevant: Zudem weisen Menschen mit Faktor-V-Leiden ein 2-4-fach erhöhtes Risiko für Fehlgeburten auf. Die Einnahme von Kontrazeptiva erhöht das Thromboserisiko bei heterozygoten um das 30-fache, bei homozygoten Trägern über das 200-fache.
→ Physiologie: Beim Faktor V des Gerinnungssystems handelt es sich um ein Glykoprotein mit einem Molekulargewicht von 330000 Da, der eine inaktive Vorstufe und einen aktiven Faktor Va aufweist, der als Kofaktor der Serinprotease Faktor Xa fungiert. Der Faktor Va stell eine sogenanntes Akzelerationsglobulin dar, durch deren Präsenz die enzymatischen Prozesse massiv beschleunigt werden (die gleiche Funktion weist der Faktor VIIIa auf).
→ I: Der Faktor V ist der bekannteste prokoagulatorische Faktor und wird durch Thrombin zu Faktor Va aktiviert. Erst der Faktor Va erweist sich als koagulatorisch, indem es die Aktivierung von Prothrombin zu Thrombin um das 1000-fache beschleunigt. Zudem bildet es zusammen mit Faktor Xa den sogenannten "Prothrombinase-Komplex" (+ Ca2+-Ionen) auf der Phospholipidoberfläche von Thrombozyten.
→ II: Aktiviertes Protein C: (= APC)
→ 1) Frühzeitig erfolgt der proteolytische Abbau des Faktor Va durch das aktivierte Protein C mit Hilfe seines Kofaktors Protein S, sodass er seine Akzelerationsfunktion verliert.
→ 2) Des Weiteren spaltet das APC den auf den Phospholipidoberflächen befindliche nicht-aktivierte Faktor V zu Faktor Vac (ac = anticoagulant), der die prokoagulatorischen Eigenschaften verliert und zusammen mit Protein S zu einem Kofaktor des aktivierten Protein C wird. Die Funktion des gebildeten Faktor Vac ist insbesondere ist die Inaktivierung von Faktor VIIIa.
→ III: Das Faktor-V-Gen befindet sich auf Chromosom 1q21-25 und wird überwiegend in der Leber von Hepatozyten gebildet. In Thrombozyten werden 20% des zirkulierenden Faktor V in leicht veränderter Form, als Multimerin I, in der Alpha-Granula gespeichert (Megakaryozyten synthetisieren auch einen geringen Teil des Faktor V).
→ Pathophysiologie: Die Hyperkoagulabilität des Faktor-V-Leiden hat insbesondere 2 Pathomechanismen:
→ I: Durch die Punktmutation kommt es in Position 506 zu einem Austausch von Arginin durch Glutamin. Hierdurch erkennt das aktivierte Protein C (= APC) die Spaltstelle im Faktor Va nicht mehr (aufgehobene Metabolisierung), sodass der Faktor Va seine Aktivität behält und vermehrt Thrombin gebildet wird. Patienten mit dieser Mutation weisen eine deutlich verlangsamte Inaktivierung des aktivierten Faktor V durch das aktivierte Protein C auf. (= APC-Resistenz).
→ II: Intakter Faktor-V dient als Cofaktor für die Inaktivierung der Faktoren VIIIa und Xa. Patienten mit der Faktor-V-Leiden-Genmutation weisen somit auch eine verminderte antikoagulatorische Aktivität des aktivierten Protein C gegenüber Faktor VIIIa und Xa.
→ Klinik:
→ I: Deutlich erhöhte Thromboseneigung (wie tiefe Beinvenenthrombose) insbesondere bei jüngeren Patienten, wenn vor allem zusätzlich erworbene Risikofaktoren wie z.B. Einnahme von Ovulationshemmern, Schwangerschaft, Immobilisation, Trauma, etc. hinzukommen.
→ II: Komplikationen: Wie u.a.:
→ 1) Lungenembolie,
→ 2) Entwicklung einer Sinusvenenthrombose mit diffus drückende Kopfschmerzen, Schwäche im Bereich der Arme bis hin zu Grand-mal-Anfällen, etc.
→ Diagnose.: Dient dem Nachweis einer Thrombophilie und umfasst insbesondere:
→ I: Anamnese und klinische Untersuchung mit Eigen- und Familienanamnese (u.a. Medikamentenanamnese, Vorerkrankungen, Thromboembolien in der Eigenanamnese bzw. Familien-, etc.).
→ II: Labor:
→ 1) APCR-Funktionstest: Stellt eine Variante der aPTT dar und besteht aus einer 2-fachen aPTT-Bestimmung ohne und mit Zusatz einer standardisierten Menge von aktivierten Protein C (APC-Ratio). Bei Vorliegen einer APC-Resistenz beträgt die Verlängerung der aPTT nach Zusatz des aktivierten Protein C weniger als das 2-fache gegenüber dem Ausgangswert.
→ 2) Genotypisierung: Wurde eine APC-Resistenz festgestellt sollte anschließend eine Genotypisierung mittels PCR (= Polymerase-Ketten-Reaktion) erfolgen, um zu eruieren, ob eine homo- oder heterozygote Faktor-V-Mutation vorliegt.
→ Therapie:
→ I: Eine medikamentöse Akuttherapie ist immer im Rahmen einer bestehenden Thrombose oder Embolie indiziert (siehe u.a. tiefen Beinvenenthrombose, Lungenembolie, Sinusvenenthrombose, etc.).
→ II: Ansonsten stehen insbesondere Primär- und Sekundärprophylaxe im Vordergrund:
→ 1) Primärprophylaxe: Hierbei sollte z.B. schwangeren Frauen mit zusätzlichen Risikosituationen z.B. Immobilisation niedermolekulares Heparin prophylaktisch appliziert werden. Auch eine postmenopausale Hormonsubstitution erhöht das Thromboserisiko bei Faktor-V-Genmutation deutlich, sodass die Hormone nicht oral, sondern vielmehr transdermal verabreicht werden sollten, da bei dieser Applikationsform (nach neueren Studien zufolge) wohl kein Thromboserisiko bestehe.
→ 2) Sekundärprophylaxe: Die Rezidivrate von Thromboembolien im Rahmen einer Faktor-V-Genmutation ist erhöht, sodass eine orale Antikoagulation wie bei anderen Patienten über einen Zeitraum von 6-12 Monaten indiziert ist. Jedoch kann eine idiopathische Venenthrombose eine Langzeittherapie mit Macumar induzieren. Hierbei ist insbesondere die Bestimmung der D-Dimere von Bedeutung (ein negativer D-Dimer-Wert 4 Wochen nach Abschluss der oralen Antikoagulation spricht für eine nur sehr geringe Rezidiv-Wahrscheinlichkeit). Vor allem bei rezidivierenden Thrombosen nach längerfristiger Antikoagulation ist eine risikoadaptierte Prophylaxe zu empfehlen (z.B. bei Immobilisation bei z.B. 4-stündigen Flügen sind neben Kompressionsstrümpfen noch niedermolekulare Heparine obligat).
→ 3) Ein zusätzlicher thrombophiler Defekt erhöht das Thromboserisiko wiederum gravierend, sodass zumeist eine prolongierte Antikoagulation indiziert ist.