→ Definition: Bei der Torsades-de-pointes-Tachykardie handelt es sich um eine Sonderform der polymorphen ventrikulären Tachykardie. Sie ist durch das Auftreten von paroxymalen, polymorphen Kammerkomplexen charakterisiert, die mit wechselnder Amplitudenhöhe und -richtung um die isoelektrische Linie tänzeln.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Charakteristischerweise ist bei dieser Herzrhythmusstörung die QT-Zeit verlängert.
→ B) Die Herzfrequenz liegt in der Regel zwischen 200-250 Schläge/min.
→ Ätiologie: Die Entwicklung des Torsades-de-pointes-Tachykardie steht im direkten Zusammenhang mit passageren oder persistierenden QT-Verlängerungen; sie können angeboren oder erworben sein:
→ I: Angeborene Form: Beim angeborenen Long-QT-Syndrom aufgrund von Ionenkanalerkrankungen sind bis heute 6 Gen-Defekte bekannt, die insbesondere den Kalium-Kanal, seltener den Natrium-Kanal (Long-QT3) betreffen. Es kann autosomal-dominant (z.B. Romano-Ward-Syndrom) oder autosomal-rezessiv (z.B. Jerwell-Lange-Nielson-Syndrom) vererbt werden.
→ II: Erworbene Form: Hier stehen vor allem Risikofaktoren, die mit einer Verlängerung der QT-Zeit assoziiert sind, im Vordergrund; hierzu zählen:
→ 1) Strukturelle Herzerkrankungen: Diese gehen mit einer Herzrhythmusstörung aufgrund z.B. einer Herzinsuffizienz, KHK, Kardiomyopathie, etc. einher.
→ 2) Elektrolytstörungen: Insbesondere die Hypokaliämie und Hypomagnesiämie, aber auch die Hypokalzämie.
→ 3) Medikamenteninduziert: Bestimmte Medikamente induzieren einer Verlängerung der QT-Zeit und stellen somit einen wichtigen Risikofaktor für die Entwicklung einer Torsades-de-Pointes-Tachykardie dar:
→ A) Antiarrhythmika insbesondere die Klasse I (z.B. Chinidin) oder Klasse III (z.B. Sotalol, Amiodaron).
→ B) Antibiotika wie Fluorchinolone und Makrolide.
→ C) Antidepressiva, insbesondere die trizyklischen AD wie Doxepin und Amitriptylin und nicht zuletzt
→ D) Antipsychotika vor allem Pimozid, Ziprasidon, Haloperidol bei intravenöser Applikation, etc.
→ Pathogenese:
→ I: Die Repolarisationsphase des kardialen Aktionspotenzials wird durch den Kaliumausstrom und den Kalziumeinstrom in die Zelle bestimmt. Durch eine kongenitale oder erworbene Beeinträchtigung des Ionenausstausches, insbesondere des K+-Kanals, kann es zur Verlängerung der QT-Zeit mit konsekutiver Veränderung der Repolarisationsphase kommen.
→ II: Der genaue Pathomechanismus ist noch nicht genau geklärt, angenommen werden jedoch frühe Nachpotenziale, die in die vulnerable Phase der Repolarisation fallen.
→ III: Begünstigend für die Auslösung einer Torsades-de-Pointes Tachykardie sind u.a. die:
→ 1) Bradyarrhythmien insbesondere der AV-Block III Grades (EKG-Befund: AV-Block) sowie
→ 2) Spät einfallende Extrasystolen.
→ Klinik:
→ I: Die Torsades-de-pointes-Tachykardie tritt charakteristischerweise anfallsartig auf, insbesondere durch Stress getriggert und ist zumeist nur von kurzer Dauer.
→ II: Leitsymptome sind Palpitationen, Schwindel, Präsynkope und Synkope mit plötzlichem Bewusstseinsverlust.
→ III: Häufig ist diese Form der Rhythmusstörung selbstlimitierend und geht in ein Sinusrhythmus über; kann aber auch in ein Kammerflimmern mit plötzlichem Herztod degenerieren.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese: Hierbei steht die Familienanamnese insbesondere die Eruierung eines plötzlichen Herztodes bei jüngeren Familienangehörigen sowie die Medikamentenanamnese im Vordergrund.
→ II: Labor: Elektrolytbestimmung mit besonderem Augenmerk auf die K+-, Na+-, Kalzium- und Magnesium-Plasmakonzentrationen.
→ III: EKG: Charakteristische EKG-Veränderungen sind u.a.:
→ 1) Verlängerung der QT-Zeit, insbesondere der frequenzkorrigierten QT-Zeit.
→ 2) Polymorphe, verbreiterte, den Vektor-wechselnde QRS-Komplexe.
→ 3) Unmittelbar vor Entstehung der Torsades-de-pointes Tachykardie nehmen die Repolarisationsstörungen zu und es zeigt sich im EKG eine charakteristische TU-Verschmelzung (EKG-Befund: Torsades-de-Pointes-Tachykardie).
→ IV: Echokardiographie: Zur Klärung von strukturellen Herzerkrankungen durch z.B. den Nachweis von Herzklappenveränderungen (Herzklappenvitien), Pumpfunktionsstörungen oder Wandbewegungsstörungen.
→ Differenzialdiagnose: Von der Torsades-de-pointes-Tachykardie müssen u.a. nachfolgende kardiale Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Synkopen anderer Genese wie z.B. die orthostatische Hypotonie,
→ II: Herzrhythmusstörungen: Wie
→ 1) Vorhofflattern und Vorhofflimmern
→ 2) Polymorphe bzw. multifokale ventrikuläre Tachykardien und das
→ 3) Kammerflimmern.
→ Therapie: Die zusätzliche Implantation eines ICD sollte bei der Torsades-de-pointes-Tachykardie immer erwogen werden.
→ I: Im Vordergrund der Behandlung der Torsades-de-pointes-Tachykardie steht die Therapie der Grunderkrankung, die Korrektur der Elektrolytentgleisung bzw. das sofortige Absetzten der auslösenden Medikamente.
→ II: Die Elektrolyt-Plasmaspiegel werden auf hochnormale Werte angehoben z.B, Kalium auf einen Zielwert von 4,8-5,2mmol/l durch Substitution von Kalium in einer Dosis von 5-15mmol/h i.v. oder langsame Gabe von Magnesiumsulfat 2g i.v. über 1-5min, anschließend 500mg/h i.v. bis auf einen Magnesium-Plasma-Zielwert von 0,9- 1,1mmol/l.
→ III: Bei Persistenz der Tachykardie bzw. Manifestation eines Kammerflimmerns ist eine elektrische Defibrillation mit 200-360J. indiziert. Evtl. muss die Implantation eines Herzschrittmachers (z.B. AAI) insbesondere bei bestehender Bradykardie erfolgen.
→ IV: Bei manifester kongenitaler Form ist bei Defekten des Kaliumkanals die Gabe eines ß-Blockers (z.B. Propranolol in hoher Dosis > 240mg/d), beim Natriumkanaldefekt ein Natriumkanalantagonist wie Mexiletin (600-720mg/d) oder Flecainid (100-200mg/d) indiziert.
→ Prognose:
→ I: Gerade bei Patienten mit bekannter struktureller Herzerkrankung muss auf Medikamente, die zu einer QT-Verlängerung führen, verzichtet werden.
→ II: Bei nicht bekannter Torsades-de-pointes-Tachykardie können sich rezidivierenden Synkopen und Kammerflimmern ggf. mit plötzlichem Herztod entwickeln.