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- Geschrieben von: CF
- Kategorie: Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems
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→ Definition: Bei der tuberkulösen Meningitis handelt es sich um eine infektiöse Entzündung der Hirnhäute durch das Mycobacterium tuberculosis, seltener M. bovis, M. africanum, etc.
→ Epidemiologie:
→ I: Tuberkulose ist weltweit die am häufigsten zum Tode führende Infektionskrankheit. Etwa 1/3 der Weltbevölkerung ist infiziert; jedoch tritt die tuberkulöse Meningitis mit 3% der Fälle nur sehr selten auf.
→ II: Insbesondere bei Kindern manifestiert sie sich fast ausschließlich im Rahmen einer Miliartuberkulose.
→ III: Im Erwachsenenalter wird sie insbesondere zwischen der 3. und 5. Lebensdekade klinisch sichtbar und betrifft überwiegend das männliche Geschlecht.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Bei der tuberkulösen Meningitis besteht besonders oft eine Assoziation zur HIV-Infektion.
→ B) Es existiert gemäß des Infektionsschutzgesetzes eine Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod.
→ Ätiopathogenese:
→ I: Die tuberkulöse Meningitis entwickelt sich im Sekundärstadium der Tuberkulose durch hämatogene Aussaat:
→ 1) Eines Primärkomplexes als Frühgeneralisation oder
→ 2) Einer Organtuberkulose (Lunge, Lymphknoten) als Spätmanifestation.
→ II: Morphologie: Makroskopisch sieht man gallertartige Exsudate in den basalen Zisternen; im Bereich der Leptomeningen wiederum sind hirsekorngroße gelbbräunliche Tuberkelknötchen eruierbar (nicht selten die die spinalen Meningen miteinbezogen). Die raumfordernde Wirkung der Tuberkel sowie das Übergreifen der Entzündung u.a. auf die Gefäßwände führt zu Mikroinfarkten. Selten entwickeln sich isolierte Tuberkulome (= umschriebene verkapselte und verkalkende Rundherde mit zentraler Nekrose) und Hirnabszesse im Hirnparenchym.
→ III: Histologie: Histologisch findet man im Zentrum der Tuberkel Langerhans-Riesenzellen und Mykobakterien.
→ IV: Risikofaktoren: Triggernde Vorerkrankungen sind insbesondere:
→ 1) Immunsuppression bzw. immunsuppressive Therapie sowie Malignome.
→ 2) Alkoholabhängigkeit und Mangelernährung und nicht zuletzt
→ 3) Leberzirrhose, aber auch Diabetes mellitus, etc.
→ Klassifikation: Die tuberkulöse Meningitis kann nach der klinischen Symptomatik bzw. Prognose-Abschätzung (nach Gordon und Parsons) in 3 Stadien unterteilt werden:
→ Klinik: Die durch Mycobacterium tuberculosis hervorgerufene Meningitis weist zumeist einen schleichenden Beginn sowie subakuten bis chronischen Krankheitsverlauf auf. Typische klinische Symptome sind u.a.:
→ I: Allgemeinsymptome: Häufig Prodromi Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Leistungsminderung, Übelkeit und Erbrechen. Bei Kindern insbesondere Appetitlosigkeit und Reizbarkeit.
→ II: Meningitisches Stadium: (oder meningoenzephalitisches -) Nach 1-3 Wochen entwickelt sich ein klinisches Bild bestehend aus:
→ 1) Neurologischen Symptomen: Mit starken Kopfschmerzen, Meningismus; im weiteren Krankheitsverlauf manifestieren sich Stauungspapillen, Hirnnervenausfälle insbesondere des N. oculomotorius, N. abducens und N. facialis sowie Bewusstseinseintrübung. Seltener kommt es zur Hemiparese und epileptischen Anfällen.
→ 2) Neuropsychiatrische Symptome: Mit Antriebsarmut, depressiver Verstimmung, Apathie bis hin zum akinetischen Mutismus. Des Weiteren können sich in intermittierende Verwirrtheitszustände und Halluzinationen zutage treten.
→ III: Evtl. spinale Wurzelsymptome mit Ausfall der Muskeleigenreflexe.
→ Klinisch-relevant: Die klassische Symptomtrias einer basalen Meningitis besteht aus Hirnnervenausfällen, einer Arteriitis (= Begleitvaskulitis) der großen basalen Hirngefäße (im Bereich der A. carotis interna, proximalen A. cerebri anterior et media sowie A. basilaris) und einem Hydrozephalus.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese mit Exploration möglicher Vorerkrankungen (z.B. frühere Tuberkulose, HIV-Infektion, etc.) und klinische Untersuchung.
→ II: Labor:
→ 1) Evtl. unspezifische Erhöhung der Entzündungsparameter, jedoch können Entzündungszeichen laborchemisch auch gänzlich fehlen. Bei ca. 75% der Patienten findet man aber eine Hyponatriämie aufgrund einer inadäquaten ADH-Sekretion.
→ 2) Liquor: (sollte immer vor der Antibiosetherapie erfolgen. Initial zeigt sich vorübergehend granulozytäre -, dann gemischtzellige oder lymphzytäre Pleozytose (< 1000/µl), Plasmazellen fehlen. Des Weiteren erfolgt der Nachweis der säurefesten Stäbchen mithilfe der Ziehl-Neelsen-Färbung bzw. ist ein direkter Erregernachweis mittels Standard-PCR möglich.
→ 3) Weitere Untersuchungen: Bakteriologische Untersuchungen von Sputum, Bronchialsekret und Magensaft, etc. sowie HIV-Test (opportunistische Infektion bei AIDS).
→ III: Bildgebung:
→ 1) CT/MRT: Möglicher Nachweis einer Arachnoiditis und eines Hydrocephalus mit Erweiterung der inneren Liquorräume, Obliteration der basalen Zisternen sowie ischämische Infarkte bei Begleitvaskulitis; bestehen Tuberkulomen sind verkalkende Rundherde mit zentraler Nekrose nachweisbar. Im KM-MRT werden zudem deutlich verdickte und mit Kontrastmittel angereicherte Meningen dargestellt.
→ 2) Röntgen: Des Thorax mit möglichem Nachweis eines Primärkomplexes (in 50% der Fälle jedoch unauffällig).
→ Differenzialdiagnose: Von der tuberkulösen Meningitis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Meningitis anderer Genese z.B. eitrige Meningitis, mykotische Meningitiden durch z.B. eine Akinomykose oder Nokardiose, lymphozytäre Meningitis, Mollaret-Meningitis, etc. (Abb.: Liquorbefund der verschiedenen Meningitiden).
→ II: Enzephalitiden durch andere Erreger z.B. Listerien, Kryptokokken, etc. sowie Herdenzephalitis.
→ III: Neurolues,
→ IV: Weitere Erkrankungen: Hierzu zählen u.a.:
→ 1) Hirninfarkte,
→ 2) Neoplasien und Meningeosis carcinomatosa,
→ 3) Neuroborreliose (Lyme-Borreliose) und nicht zuletzt die Sarkoidose.
→ Therapie: Nicht selten wird bei der tuberkulösen Meningitis eine intensivmedizinische Überwachung empfohlen, da Störungen der Atmung bei Beteiligung des Hirnstamms und/oder der Hirnnerven möglich sind.
→ I: Medikamentöse Therapie:
→ 1) Die tuberkulostatische Therapie erfolgt schon bei klinischem Verdacht (auch ohne Erregernachweis). Die aktuelle Empfehlung des Robert-Koch-Institutes umfasst eine initiale Vierfachkombinationsbehandlung bestehend aus Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid über ein Zeitintervall von 2 Monaten. Anschließend werden Isoniazid und Rifampicin für weitere 7-10 Monate appliziert.
→ Klinisch-relevant: Da Isoniazid einen Vittamin-B6-Mangel mit konsekutiver Polyneuropathie induzieren kann, wird das Vitamin präventiv verabreicht.
→ 2) Streptomycin: Wird bei besonders schwerer klinischer Symptomatik zusätzlich zur Viererkombination oder aber auch als Alternative, wenn eine der Substanzen wegen Hepatotoxizität abgesetzt werden muss, gegeben.
→ 3) Glukokortikoide (zur adjuvanten Therapie) werden insbesondere bei neurologischen Herdsymptomen, Hirnödem, arachnitischen Verklebungen, spinalem Block, etc. in einer Dosierung von 0,4mg/kgKG initial i.v. später oral (und wöchentlicher Reduktion) Zeitraum von 4-6 Wochen appliziert.
→ II: Operative Therapie: Ein bestehender Hydrocephalus occlusus ist operativ mit einer Shunt-Anlage zu versorgen.
→ Prognose:
→ I: Unbehandelt führt die Meningitis tuberculosa führt innerhalb von wenigen (3-6) Wochen zum Tod. Bei adäquater Behandlung wird die Letalität deutlich gesenkt und liegt bei ca. 20% der Fälle.
→ II: Häufig (50-70% der Fälle) persistieren neurologische Defizite wie z.B. Hydrozephalus, Hemi-und Tetraparesen sowie Hirnnervenausfälle (insbesondere die Facialisparese).
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→ Definition: Die Herpes-simplex-Enzephalitis ist definiert als eine erregerbedingte Entzündung des Hirnparenchyms durch den Herpes-simplex-Virus Typ I (in > 90% der Fälle). Es zeigt sich zumeist ein fronto- und/oder temporobasaler Beginn mit sekundärer Ausbreitung.
→ Epidemiologie:
→ I: Der Herpes-simplex-Virus ist weltweit verbreitet; die Inzidenz für eine Herpes-simplex-Enzephalitis liegt in Westeuropa bei 5/100000 Einwohner und stellt somit die häufigste sporadische Enzephalitis dar.
→ II: Die HSV-Typ I Form hat einen Anteil von 10-20% aller Enzephalitiden.
→ Klinisch-relevant: Der Herpes-simplex-Virus Typ II verursacht zumeist eine rezidivierende lymphozytäre Meningitis (= Mollaret-Meningitis) und nur bei immungeschwächten Patienten und insbesondere Neugeborenen kann sich eine hämorrhagisch-nekrotisierende Enzephalitis entwickeln.
→ Ätiopathogenese:
→ I: Die Ätiopathogenese der HS-Enzephalitis ist bis heute noch nicht genau geklärt. Angenommen wird als Eintrittspforte des HSV-Typ I die Nase mit anschließender transaxonaler Penetration des Virus von der Riechschleimhaut der Area cibriformis über den Nervus olfactorius in das Frontalhirn und später weiter in den Temporallappen.
→ II: Morphologisch manifestieren sich überwiegend einseitig betonte hämorrhagisch-nekrotisierende Herde im Temporallappen und den orbitalen Anteilen des Frontallappens, seltener in der Inselrinde oder den Stammganglien. Histopathologisches Charakteristikum ist der Nachweis von eosinophilen Einschlusskörpern in den Nervenzellen.
→ III: Triggermechanismen: Sind insbesondere:
→ 1) Immunschwäche.
→ 2) Physischer und psychischer Stress, etc.
→ Klinik: Die Herpes-simplex-Enzephalitis weist einen typischen stadienhaften Krankheitsverlauf auf (zumeist 3-5 Stadien). Leitsymptome sind Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen.
→ I: Unspezifisches Prodromalstadium (= grippales Vorstadium) mit Fieber, Kopfschmerzen, evtl. Erbrechen und weiteren Allgemeinsymptomen. Dieses Stadium remittiert zumeist nach wenigen Tagen und es zeigt sich eine kurzfristige klinische Besserung.
→ II: Hemiparese (30-40% der Fälle), Schläfenlappensymptome mit Geruchs- und Geschmackssensationen und ggf. Wernicke-Aphasie, wenn die dominante Hemisphäre betroffen ist.
→ III: Wesensveränderungen sowie psychotische Episoden mit insbesondere Verwirrtheitszuständen und Geruchshalluzinationen.
→ IV: Epileptische Anfälle: Initial zumeist komplex-fokal, im weiteren Krankheitsverlauf (sekundär) generalisiert.
→ V: Zunehmende Bewusstseinseintrübung bis hin zum Koma.
→ Klinisch-relevant: Bei einer Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ II manifestiert sich fast ausschließlich eine rezidivierende lymphozytäre Meningitis häufig mit einer Kaudaradikulitis und/oder Myelitis vergesellschaftet. Der Krankheitsbeginn ist hier überwiegend schleichend.
→ Diagnose: Der Verdacht auf eine HS-Enzephalitis stellt immer eine Notfallsituation dar, da der Zeitpunkt des Therapiebeginns ein wesentlicher Prognosefaktor ist.
→ I: Bei der klinischen Untersuchung sind oftmals die Leitsymptome Fieber, Kopfschmerzen, Bewusstseinseinstörungen und fokale und/oder generalisierte Krampfanfälle (klinisch) eruierbar.
→ II: Liquor:
→ 1) Initial manifestiert sich eine granulozytäre Pleozytose (< 350 Zellen), später überwiegend Lymphozyten und Plasmazellen. Bei etwa 5% der Betroffen sind Erythrozyten nachweisbar als Zeichen einer hämorrhagischen Enzephalitis.
→ 2) Des Weiteren zeigt sich eine Eiweiß- und Laktaterhöhung (bis 4mmol/l) bei zumeist normaler Liquorglukose.
→ 3) PCR: (= Polymerase-Ketten-Reaktion im Liquor) Kann in den ersten Erkrankungstagen negativ sein (bei typischer klinischer Symptomatik wird das Verfahren nach 3-4 Tagen wiederholt).
→ 4) Liquor-Antikörper: Nach 10-14 Tagen Nachweis einer intrathekalen HSV-spezifischen IgG-Synthese. Zudem ist der erregerspezifische Liquor-Serum-AK-Index ist frühstens ab Ende der 2. Krankheitswoche erhöht und somit für die Akutdiagnostik ungeeignet.
→ III: Bildgebung:
→ 1) CT: Ist initial in den ersten 4 Krankheitstagen in der Regel normal; anschließend Entwicklung von Hypodensitäten oder hämorrhagischen Läsionen im frontobasalen und temporalen Bereich.
→ 2) MRT: Uni- oder bilaterale Veränderungen im frontobasalen und temporalen Bereich mit möglicher Miteinbeziehung limbischer Strukturen (insbesondere des Gyrus ginguli).
→ III: EEG: Das EEG zeigt frühzeitig diffuse zerebrale Funktionsstörungen, periodische steile Wellen (alle 2-3 Sekunden), Sharp-slow-Wave-Komplexe im frontobasalen und temporalen Bereich oder aber auch epileptische Potenziale.
→ Differenzialdiagnose: Von der Herpes-simplex-Enzephalitis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden; hierzu zählen:
→ I: Virale Meningoenzephalitis und Enzephalitiden (z.B. Herdenzephalitis, etc.) anderer Genese,
→ II: Sinusvenenthrombose,
→ III: Enzephalitische Beschwerden bei Neuro-Behcet.
→ IV: Limbische Enzephalitis (der Krankheitsverlauf ist weniger akut und die Ausbreitung erfolgt bis zum Balken).
→ Therapie: Bei der HS-Enzephalitis ist immer eine intensivmedizinische Überwachung ggf. mit frühzeitiger Intubation und Osmotherapie bei Hirnödem indiziert. Im Vordergrund der medikamentösen Therapie steht das Virostatikum, Aciclovir, in einer Dosierung von 3x 10mg/kgKG/d über einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen. Besteht eine Aciclovir-Resistenz wird alternativ Foscarnet in einer Dosierung von 60mg/kg KG i.v. über eine Stunde alle 8 Stunden für mindestens 3 Wochen verabreicht.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die antivirale Therapie muss schon bei Verdacht auf Herpes-simplex-Enzephalitis erfolgen.
→ B) Da Aciclovir nephrotoxisch wirkt und eine passagere Niereninsuffizienz triggern kann, ist in diesem Fall eine Dosisreduktion erforderlich.
→ Prognose:
→ I: Ohne Therapie liegt die Letalität bei > 70% der Fälle.
→ II: Durch eine frühzeitige Virustatikum-Therapie kann die Sterblichkeit auf 20% reduziert werden, jedoch persistieren sehr häufig neurologische Defizite wie z.B. Störungen des Antriebs oder des Affektes, aber auch gravierende Residualläsionen wie Paresen.
→ III: Prognostisch besonders ungünstige Faktoren sind u.a.:
→ 1) Hohes Lebensalter und
→ 2) Früh einsetzendes Koma.
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→ Definition: Die Herdenzephalitis ist definiert als eine im Rahmen einer bakteriell-septischen Erkrankung durch hämatogene Absiedlung bzw. Embolisation entstehende (zumeist multifokale) Entzündung des Hirnparenchyms.
→ Ätiopathogenese: Eine septische Erregerstreuung mit ZNS Beteiligung tritt bei verschiedenen bakteriellen Prozessen auf. Häufigste Ursache ist die Endokarditis mit 20-40% der Fälle.
→ I: Bei der Herdenzephalitis differenziert man je nach Primärherd und klinischer Symptomatik zwischen 2 Varianten:
→ 1) Septisch-embolische Form: (= SEH) Stellt die häufigere Form der Herdenzephalitis dar. Erreger gelangen durch Embolisation von infektiös-thrombotischen Materials in die Hirngefäße. Die klinische Symptomatik wird primär durch akut ischämische Ereignisse im Versorgungsgebiet der einzelnen Arterien mit charakteristischen Hemisyndromen bestimmt.
→ 2) Septisch-metastatische Form: Ursache des Hirnparenchymbefalls ist eine Sepsis mit konsekutiver Absiedlung eingeschwemmter Bakterien (Thromboembolien spielen hierbei keine Rolle). Initial zeigt sich klinisch zumeist eine Bewusstseinseintrübung und/oder hirnorganische Psychosyndrome.
→ II: Häufige Erreger sind insbesondere Staphylococcus aureus, ß-hämolysierende Streprokokken z.B. S. pyogenes oder S. viridans, selten aber auch gram-negative Bakterien wie E. coli, Proteus, Serratia spp. etc.
→ III: Risikofaktoren: Häufigste Voraussetzung ist die bakterielle Endokarditis, weitere sind u.a.
→ 1) Zentraler Venenkatheter,
→ 2) Mykotisches Aneurysma,
→ 3) I.v.-Drogenabhängigkeit, sowie
→ 4) Triggernde Faktoren wie Immunschwäche oder chronisch pulmonale Infekte, etc.
→ Klinik: Klinisch manifestieren sich neben schweren Allgemeinsymptomen mit Abgeschlagenheit, Inappetenz, Fieber und Schüttelfrost, Kopfschmerzen sowie Vigilanzstörungen, etc.
→ I: Neurologische Symptome: Mit Bewusstseinsstörungen, psychotischen Symptomen, flüchtigen oder permanenten Herdsyndromen sowie fokalen oder generalisierten Krampfanfällen.
→ II: Septisch-Embolische Form:
→ 1) Haut: Aufgrund von Hautembolien können sich Petechien, Splitterblutungen unter den Nägeln (= Splinter-Hämorrhagien), Osler-Knötchen (= schmerzhafte, purpurrote leicht-erhabene Effloreszenzen an Fingerkuppen und Zehen) und nicht zuletzt Janeway-Läsionen (= makuläre, hämorrhagisch-ekchymotische oder nekrotische, schmerzlose, persistierende Läsionen) manifestieren.
→ 2) Weitere Symptome sind u.a. mögliche Herzgeräusche und Splenomegalie.
→ III: Septisch-metastatische Form: Hierbei manifestiert sich nicht selten eine spinale – oder periphere Beteiligung z.B. in Form einer Mononeuritis multiplex.
→ Klinisch-relevant: Sowohl bei Schlaganfall-Patienten mit deutlichen Entzündungszeichen als auch bei septischen Patienten mit neurologischen Symptomen ist immer der Ausschluss einer septischen Herdenzephalitis geboten.
→ Komplikationen: Wichtige und z.T. schwerwiegende Komplikationen bei der Herdenzephalitis sind u.a.:
→ I: Entzündliche Gefäßnekrosen mit der Gefahr der intrazerebralen Blutungen.
→ II: Erregeraussaat in den Liquor mit konsekutiver Entwicklung einer Meningitis (in 6% der Fälle).
→ III: Seltener Hirnabszess-Bildung.
→ IV: Retinablutungen aus septischen Embolien (in bis zu 35% der Fälle).
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/Klinische Untersuchung:
→ 1) Eruierung von Vorerkrankungen sowie Abhängigkeitserkrankungen, etc.
→ 2) Ein initial unklares später zunehmendes paranoid-psychotisches Krankheitsbild, das zusätzlich von Herdsymptomen begleitet ist, sollte immer an eine Herdenzephalitis denken lassen.
→ 3) Möglicher auskultatorischer Nachweis von Herzgeräuschen, etc.
→ II: Labor:
→ 1) Allgemeine Erhöhung der Entzündungsparameter mit BSG-Beschleunigung, Erhöhung von CRP und Procalcitonin, Leukozytose mit Linksverschiebung sowie evtl. Mikrohämaturie (durch septische Embolien im Bereich des Nierenparenchyms).
→ 2) Blutkulturen: Zum Nachweis des Erregers wiederholt in stündlichen Intervallen.
→ 3) Liquor: Initial zeigt sich eine leichte zunächst lymphozytäre, später granulozytäre Pleozytose. Des Weiteren sind Laktatanstieg, Glukoseminderung, Schrankenstörungen eruierbar.
→ III: Bildgebung: (cCT/MRT; sie können in den ersten 24 Stunden falsch-negativ sein):
→ 1) Septisch-embolische Form: Multiple runde bis keilförmige Hypodensitäten im Bereich der Kortex und in den Marklagern zumeist mit Einblutungen in die Infarktareale.
→ 2) Septisch-metastatische Form: Weist primär zumeist nur eine lokalisierte oder diffuse Hirnschwellung auf; im weiteren Krankheitsverlauf entwickeln sich häufig multiple Hirnabszesse.
→ IV: Weitere Untersuchungen: Sind u.a.:
→ 1) EKG: Mit möglichem Nachweis einer Sinustachykardie oder weiterer Herzrhythmusstörungen.
→ 2) Echokardiographie: (transthorakal oder transösophageal) Mit evtl. Nachweis einer bakteriellen Endokarditis durch Darstellung möglicher Klappenauflagerungen und/oder nekrotischen Klappendefekten.
→ Differenzialdiagnose: Von der Herdenzephalitis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Multiple Embolien aufgrund einer Fett- oder Luftembolie oder im Rahmen einer disseminierten intravasalen Koagulopathie.
→ II: Multiple entzündliche Herde infolge einer Herpes-Enzephalitis, generalisierten Vaskulitis bzw. Neuro-Behcet, etc.
→ III: Multiple Blutungen z.B. als Folge einer Sinusvenenthrombose.
→ Therapie: Nicht selten ist eine intensivmedizinische Überwachung mit permanenter Kontrolle der Vitalparameter indiziert.
→ I: Allgemeinmaßnahmen: Wie z.B.:
→ 1) Symptomatische Fiebersenkung mittels Wadenwickel oder ASS.
→ 2) Thromboembolie-Prophylaxe sowie Anfallsprophylaxe.
→ 3) Bei klinisch-relevanter Hirndruckerhöhung ist eine 30° Oberkörperhochlagerung ggf. ergänzt durch eine Osmotherapie indiziert.
→ II: Medikamentöse Therapie: Als Standardtherapie wird mit einer antibiotischen Dreifachkombinationstherapie aus einem Penicillin, Aminoglykosid und einem staphylokokken-wirksamen Pharmakon empfohlen. Nach positiven Blutkulturen sowie der Resistenzbestimmung wird die Behandlung auf die tatsächlich vorhandenen Erfordernisse angepasst. Besteht der Verdacht einer Pseudonomas-aeroginosa-Infektion aufgrund z.B. vorausgegangener Hospitalperioden wird initial Meropenem (3x 2g/d) oder Ceftaxidim (3x 2g/d) verabreicht.
→ III: Interdisziplinär sollte eine Operation der kardialen Emboliequelle (Herzklappen), die die Prognose z.T. entscheidend verbessern kann, erwogen werden.
→ Prognose:
→ I: Ohne Behandlung verläuft die septische Enzephalitis durch progrediente Hirndrucksteigerung fast ausschließlich letal.
→ II: Eine frühzeitige und adäquate antibiotische Therapie verbessert die Prognose deutlich, jedoch liegt die Mortalität trotzdem noch bei 50% der Fälle.
→ III: Auch bei Ausheilung der Erkrankungen bleiben häufig Residuen wie z.B. das postenzephalitische Anfallsleiden bestehen.
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→ Definition: Bei der Enzephalitis handel es sich um eine entzündliche Erkrankung des Hirnparenchyms. Häufigste Ursache sind virale Infektionen.
→ Epidemiologie:
→ I: Weltweit gesehen ist die Japanische-B-Enzephalitis mit einer Inzidenz von 1000000 Fällen pro Jahr die häufigste Enzephalitis.
→ II: In Deutschland tritt die Herpes-simplex-Enzephalitis mit einer Inzidenz von 5/100000 Einwohnern mehrheitlich auf.
→ Ätiologie: Im Vordergrund der Entstehung der Enzephalitis stehen Virusinfektionen:
→ I: Direkt-viral: Insbesondere Herpes-simplex I (und II), Cytomegalie, Echo-Viren, Retro-Viren, Adenoviren sowie Cocksackie A bzw. B und FSME, etc.
→ II: Parainfektiös: Immunologische Reaktion bei allgemeinen (systemischen) Viruserkrankungen wie Masern, Mumps, Röteln, Varizella-Zoster, Epstein-Barr-, Influenza A und B und nicht zuletzt bei HIV.
→ III: Postvakzinal: (das Risiko liegt zwischen 1/300000 – 1/2000000) nach Impfungen gegen Tollwut, Masern, Keuchhusten, FSME, etc.
→ IV: Paraneoplastisch: Mit verschiedenen Enzephalitiden vergesellschaftete onkoneuronale Antikörper. Hierzu zählen u.a.:
→ 1) Limbische Enzephalitis: Insbesondere bei Bronchial-, Hodenkarzinom und Thymom.
→ 2) Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis z.B. bei ovariellen Teratomen.
→ V: Weitere Ursachen:
→ 1) Im Rahmen einer Neuroborreliose (Lyme-Borreliose),
→ 2) Rhombenzephalitis bei Listeriose,
→ 3) Als Komplikation einer Meningitis (z.B. bakterielle Meningitis, tuberkulösen Meningitis, etc.) und nicht zuletzt
→ 4) Unbekannter Ätiologie: Im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen wie die Whipple-Krankheit, Morbus Behcet bzw. Neuro-Behcet, Sarkoidose, Multiple Sklerose, etc.
→ Pathogenese: Viele Viren weisen aus noch nicht bekannten Gründen eine Bevorzugung bestimmter Areale im ZNS auf. So befällt z.B. der Poliovirus insbesondere die grauen Vorderhornzellen des Rückenmarks und das Herpes-simplex-Virus 1 die Temporallappen der Hemispähren. Die Viren können in den Neuronen oder Ganglien des ZNS in einem Latenzstadium verharren und sich anschließend reaktivieren, replizieren und ausbreiten.
→ Pathologie: Charakteristische histopathologische Befunde bei der Enzephalitis sind v.a.:
→ I: Perivenöse Entmarkungsherde.
→ II: Infiltration mit mononukleären Entzündungszellen und anschließendem Ersatz durch Gliazellen.
→ III: Charakteristikum bei der Herpesenzephalitis sind hämorrhagische Nekrosen im Bereich des Temporallappens.
→ Klassifikation: Die Enzephalitis kann nach ihrem klinischen Verlauf und nach der Lokalisation unterteilt werden:
→ I: Krankheitsverlauf:
→ 1) Akuter entzündlicher Krankheitsverlauf wie z.B. bei der Herpesenzephalitis.
→ 2) Subakuter (chronischer) Verlauf: Mit primär asymptomatischem Befall des ZNS und Persistenz der Erreger, die sich erst zum einem späteren Zeitpunkt manifestieren (z.B. bei der subakut sklerosierenden Panenzephalitis nach Maserninfektion)
→ 3) Para-/postinfektiösen Enzephalitiden: Hierbei stehen immunologisch bedingte Prozesse, die als Reaktion auf eine abgelaufene Virusinfektion entstanden sind, im Vordergrund. Histopathologisches Korrelat dieser Form sind perivaskuläre inflammatorische Reaktionen sowie Demyelination.
→ II: Lokalisation:
→ 1) Virale Enzephalitiden sind fast ausschließlich in der grauen Substanz lokallisert (= Polioenzephalitis).
→ 2) Bei der parainfektiösen Enzephalitis wiederum ist zumeist die weiße Substanz betroffen.
→ Klinik: Zumeist beginnt die Enzephalitis akut aus voller Gesundheit und weist eine rasche Progredienz auf.
→ I: Allgemeinsymptome mit Fieber, Abgeschlagenheit, evtl. Bewusstseinsstörungen (zunehmende Eintrübung bis hin zum Koma), Desorientiertheit oder meningitischen Reizsyndromen.
→ II: Neurologische Symptome: (je nach Lokalisation).
→ 1) Epileptische Anfälle bis hin zum Status epilepticus bei Hirnmantelbefall,
→ 2) Hirnnervenausfälle.
→ 3) Hirnstammbefall: Insbesondere Myoklonien und Strecksynergismen und bei Affektion des Atemzentrum kann sich eine Cheyne-Stokes-Atmung (= zeichnet sich durch eine regelmäßig wechselnde Atemtiefe und Änderung des Atemzugabstands aus) manifestieren.
→ 4) Weitere Symptome: Sind u.a. Dysphasie, Ataxie, Nystagmus, Paresen und nicht zuletzt Babinski-Zeichen.
→ III: Psychiatrische Störungen mit Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu organischen Psychosen.
→ Klinisch-relevant: Nach Abklingen der Akutsymptomatik kann ein nicht progredienter (Residual-) Defekt mit z.B. fokalen Epilepsien, fokalen motorischen Ausfällen, Aufmerksamkeits- und Lernstörungen das klinische Bild bestimmen.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Mit Exploration vorangegangener Viruserkrankungen und Reiseanamnese (asiatischer Raum) sowie neurologischer Untersuchung.
→ II: Labor:
→ 1) Liquor: Bei der Virus-Enzephalitis ist der Liquor klar; anfänglich kann eine leichte granulozytäre Pleozytose (< 350 Zellen) bestehen, im weiteren Krankheitsverlauf überwiegen dann Lymphozyten und Plasmazellen. Zudem zeigt sich zumeist eine Erhöhung des Interleukin-6, Liquorproteins und Laktats. Die Diagnosesicherung erfolgt über den direkten Virusnachweis (im Liquor) mittels PCR (= Polymerase-Kettenreaktion).
→ 2) Blut: Serologie auf Virus-Antikörper mittels ELISA; im akuten Stadium sind vor allem IgM-AK nachweisbar.
→ III: Bildgebung mit CT und MRT:
→ IV: EEG: Das EEG zeigt eine frühzeitig eine diffuse Funktionsstörung sowie epileptische Potenziale.
→ Differenzialdiagnose: Von der Enzephalitis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Infektionen: Wie die Meningitis (z.B. bakterielle Meningitis, Molaret-Meningitis, etc.), Meningoenzephalitis, Herdenzephalitis und nicht zuletzt der Hirnabszess.
→ II: Neurovaskuläre Störungen: Zerebrovaskuläre Insuffizienz, Apoplexie, zerebrale Vaskulitis, Sinusvenenthrombose, etc.
→ III: Weitere Erkrankungen: Hierzu gehören u.a.:
→ 1) Primäre Hirntumoren,
→ 2) Malignes neuroleptisches Syndrom, eine schwerwiegende Nebenwirkung bei der Neuroleptika-Medikation.
→ 3) Intoxikationen sowie das
→ 4) Alkoholentzugssyndrom mit Fieber, Delir und ggf. epileptischen Anfällen.
→ Therapie: Die Therapie der Enzephalitis erfolgt vor allem in Abhängigkeit vom Erreger und dem Schweregrad der Erkrankung. Insbesondere bei der viralen Form ist eine frühzeitige intensivmedizinische Überwachung mit Kontrolle von Puls, Blutdruck, Tempperatur, Flüssigkeitsbilanzierung sowie evtl. Intubation (kontrollierte Beatmung) und Hirnödemtherapie
indiziert.
→ I: Allgemeinmaßnahmen: Sie umfassen u.a. Bettruhe, eine analgetische sowie antipyretische Behandlung sowie mögliche Therapie mit Glukokortikoiden und ggf. Antikonvulsiva.
→ II: Medikamentöse Therapie:
→ 1) Bei der Herpesenzephalitis wird Aciclovir in einer Dosierung von 10-30mg/kgKG/d in 3 Einzeldosen appliziert.
→ 2) Besteht eine paraneoplatische Enzephalitis steht die Tumortherapie im Vordergrund, evtl. wird hochdosiert ein Glukokortikoid oder Immunglobuline (i.v.) verabreicht.
→ 3) Bei autoimmunologischen Porzessen haben Immunsuppressiva höchste Priorität.
→ III: Rehabilitation: Sie umfasst die Physiotherapie, Logopädie, neuropsychologisches Training, etc.
→ Prognose:
→ I: Die Enzephalitis stellt eine sehr ernste Erkrankung dar und endet unbehandelt in 70% der Fälle letal (behandelt liegt die Mortalität bei ca. 20%).
→ II: Nicht selten persistieren z.T. gravierende Residual-Defekte mit z.B.:
→ 1) Störungen des Antriebs und Affekts.
→ 2) Störungen der Kognition.
→ 3) epileptischen Anfällen und nicht zuletzt Paresen.
→ III: Prognostisch ungünstige Faktoren sind insbesondere hohes Lebensalter und frühzeitig auftretendes Koma.
→ Prophylaxe: Wichtige Prävention ist die Impfung:
→ I: In Deutschland gemäß STIKO bei allen Kleinkindern gegen Poliomyelitis, Mumps, Masern, Röteln und Windpocken.
→ II: Bei Reisenden vor allem in Regionen Südostasiens gegen die Japanische-B-Enzephalitis und gegen FSME bei Personen mit beruflicher Exposition und Reisenden in Endemiegebiete.
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→ Definition: Unter einem Hirnabszess versteht man eine umschriebene zumeist bakterielle Entzündung von Hirngewebe (Gewebeeinschmelzung), die zur Bildung einer abgekapselten Eiterhöhle führt. Sie kann solitär oder multiple auftreten.
→ Erregerspektrum: Es handelt es fast ausschließlich um Bakterien, insbesondere um Staphylokokken und Streptokokken, aber auch Anaerobier z.B. Bacteroides fragilis, Aerobier wie Proteus, Haemophilus influenza, Pseudonomas, (Komplikation einer Listeriose) etc. Der Infektionsweg erfolgt fortschreitend, traumatisch oder hämatogen-metastatisch.
→ Ätiopathogenese:
→ I: Die Erreger können auf unterschiedliche Weise ins Gehirn gelangen:
→ 1) Per continuitatem: (= fortleitend) Bei Sinusitis, Mastoiditis, dentale Infektionen, Gingivitis, Gesichtsfurunkel, Tonsillitis, etc.
→ 2) Hämatogen: (hämatogen-metastatisch) Zahnextraktion (insbesondere der Weisheitszähne). Bronchiektasen, Pneumonie, AV-Angiome der Lunge, Endokarditis, Herzklappenvitien, Osteomyelitis, etc.
→ 3) Posttraumatisch: Nach Operationen am offenen Schädel oder offenen Schädel-Hirn-Trauma; hierbei unterscheidet man nochmals zwischen:
→ A) Einem Frühabszess, der innerhalb von wenigen Tagen auftritt und
→ B) Einem Spätabszess, der sich erst nach Monaten bis Jahren manifestiert.
→ 4) Postinfektiös: Nach septischer Sinusthrombose und infektiöser (bakterieller) Meningitis.
→ II: Morphologie: Initial entsteht am Ort der Entzündung eine phlegmonöse Einschmelzung mit perifokalem Hirnödem. Im weiteren Verlauf wird der Infektionsherd durch ein kapillarreiches Granulationsgewebe abgegrenzt. Innerhalb von Wochen entwickelt sich aus dieser Abszessmembran eine bindegewebige Kapsel. Eine mögliche Komplikation ist der Einbruch ins Ventrikelsystem mit konsekutiver Ausbildung eines Pyocephalus internus (= Eiteransammlung in den Ventrikeln).
→ III: Weitere prädisponierende Faktoren sind u.a. schlechte Abwehrlage bei z.B. Diabetes mellitus, Sarkoidose, konsumierende Prozesse wie z.B. Malignome, Immunsuppression durch Chemotherapeutika, Infektionen wie HIV oder Tuberkulose, etc.
→ Klinisch-relevant: Der Hirnabszess ist zumeist im Großhirn, seltener im Kleinhirn und ganz selten im Hirnstamm lokalisiert. In 10% der Fälle ist der Fokus nicht eruierbar.
→ Klinik: Die klinische Symptomatik ist sehr variabel und kann von mild über protrahiert bis fulminant verlaufen.
→ I: Allgemeinsymptome mit Kopfschmerzen, Leistungsminderung, Übelkeit; bei Kindern häufig Appetitlosigkeit und Reizbarkeit.
→ II: Die charakteristische Symptom-Trias besteht aus starken Kopfschmerzen, Fieber und fokal neurologischen Herdsymptomen:
→ 1) Hirnnervenausfälle: Wie der HN III (= N. occulommotorius), VI (= N. abducens), VII (= N. facialis) und der kaudalen Hirnnerven (IX, X, XI, XII).
→ 2) Spinale Wurzelsymptome mit Ausfall der Muskeleigenreflexe.
→ 3) Seltene Herdsymptome wie epileptische Anfälle, Hemiparesen oder organische Wesensveränderungen.
→ III: Weitere Symptome: Sind u.a. Meningismus, Verwirrtheitszustände, Bewusstseinseintrübung und Hirndruckzeichen (wie z.B. Stauungspapille).
→ IV: Krankheitsverlauf: Die Erkrankung kann akut oder chronisch (seltenere Verlaufsform mit Fehlen von Fieber und Entzündungszeichen) verlaufen.
→ Komplikationen: Wichtige und z.T. schwerwiegende Komplikationen des Hirnabszess sind u.a.:
→ I: Septische Ausbreitung durch Einbruch ins Ventrikelsystem mit konsekutiver Entwicklung eines Pyocephalus internus bis hin zur phlegmonöse Enzephalitis.
→ II: Septische Thrombophlebitis der intrakraniellen Venen.
→ III: Spätabszess noch nach Jahren möglich (insbesondere z.B. bei Geschosssplittern).
→ Diagnose:
→ I: Anamnese: Exploration vorangegangener Infektionen (Sinusitis, Mastoiditis, etc.) oder Trauma.
→ II: Untersuchung: Eruierung von Hirnnervenausfällen, Hemiparese, Stauungspupille und evtl. Meningismus.
→ III: Labor:
→ 1) Erhöhte Entzündungsparameter insbesondere Leukozytose, CRP, aber evtl. auch der Procalcitonin-Wert.
→ 2) Liquorpunktion: Der Liquor kann entzündlich verändert sein mit evtl. mit granulozytärer Pleozytose. Einen trüben Liquor mit erhöhtem Gesamteiweiß und Laktat sowie erniedtigtem Zucker ist bei Einbruch des Abszesses in den Liquorraum nachweisbar (wird zumeist nur durchgeführt bei unklarem bildgebendem Befund).
→ IV: Bildgebung: Ist in der Diagnostik des Hirnabszesses wegweisend.
→ 1) CCT: Unscharfer hypodenser Herdbefund; nach Kontrastmittelgabe typisches ringförmiges Enhancement (= Anreicherung von Kontrastmittel in der Abszesskapsel).
→ 2) MRT: Gute Detektion mit diffusionsgewichtetem MRT.
→ 3) Evtl. kann eine Granulozyten-Szintigraphie hilfreich sein (stellt > 80% der Hirnabszess zuverlässig dar).
→ V: EEG: Es zeigen sich u.a. allgemeine EEG-Veränderungen im Bereich des Herdes Delta-Wellen und häufiger auch epileptische Potenziale.
→ Klinisch-relevant: Ist die Diagnose gesichert sind Blutkulturen und Materialgewinnung aus dem Abszess durch Punktion oder Drainage zur Erregerdiagnostik erforderlich. Es kann eine Stadieneinteilung des Hirnabszess v.a. anhand der Histologie und Bildgebung erfolgen:
→ Differenzialdiagnose: Vom Hirnabszess müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Eitrige Meningitis: (= bakterielle Meningitis, aber auch tuberkulöse -,) Beim Hirnabszess ist mit einem so ausgeprägtem Meningismus zu rechnen. Auch zeigt sich eine so massive Pleozytose (> 10000 Zellen/µl) nur bei Einbruch des Abszesses in das Ventrikelsystem.
→ II: Eine ringförmige Kontrastmittelanhebung im cCT findet man auch bei:
→ 1) Störungen der Blut-Hirn-Schranke,
→ 2) Gliome und Metastasen,
→ 3) Ischämische Infarkte und
→ 4) In der Resorptionsphase befindliche Blutungen.
→ III: Septische Sinusthrombose: Sie kann ebenfalls nach Sinusitis und Ostitis mit Fieber und fokalen Herdsymptomen auftreten und lässt sich sich insbesondere durch MRT und MRA vom Hirnabszess abgrenzen.
→ IV: Weitere Differenzialdiagnosen sind u.a. tuberkulöse Meningitis, Virenenzephalitis, Osteomyelitis des Schädelknochens etc.
→ Therapie:
→ I: Konservative Therapie: Im Stadium der Zerebritis (= fokale Entzündung ohne Abkapselung) wird eine systemische Breitbandantibiotikatherapie durchgeführt.
→ 2) Auch die Sanierung der primären Infektionsquelle ist für den Therapieerfolg von besonderer Bedeutung.
→ 3) Besteht eine abgekapselter Abszess erfolgt eine stereotaktische Punktion und Drainage; Komplikationen hierbei sind u.a. die Induktion einer Ventrikulitis oder einer eitrigen Meningitis.
→ 4) Gegebenenfalls ist eine Hirndruck-Therapie notwendig.
→ II: Operative Therapie:
→ 1) Eine operative Totalexstirpation mithilfe einer Kraniotomie ist bei oberflächennahen Abszessen mit Fremdkörpereinschluss (z.B. Knochensplitter nach offenem SHT) indiziert.
→ 2) Weitere Indikationen: Sind gekammerte Abszesse, Fistelbildung, revisionsbedürftige Frakturen, Abszesse mit harter Konsistenz bei Pilz-, Mykobakterien-, Actinomyces-Infektion, eine massive intrakranielle Raumforderung, etc.
→ 3) Prä- und postoperativ ist eine systemische hochdosierte Antibiotika-Behandlung obligat. Besteht kein Erregernachweis wird eine antibiotische Kombinationstherapie mit Metronidazol (Anaerobier), Cephalosporinen der 3. Generation und einem Staphylokokken-Antibiotikum (z.B. Rifampicin, Fosfomycin) empfohlen.
→ Prognose: Das Letalitätsrisiko bei einem solitärem Hirnabszess liegt bei 5-10%, bei multiplen ist es deutlich höher. Nicht selten bleiben Residuen wie epileptische Anfälle bestehen.