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- Geschrieben von: CF
- Kategorie: Andere neurotische Störungen
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→ Definition:
→ I: Depersonalisation: (= Entfremdungsgefühl gegenüber dem eigenen Körper und der Identität) Bei der Depersonalisation handelt es sich um eine Störung des Einheitserlebens der Person bezüglich des Augenblicks, der eigenen Identität sowie der Zeit der Biographie. Die Person kommt sich selbst unwirklich, fremd wie ein anderer und uneinheitlich vor.
→ II: Derealisation: (= Enfremdungsgefühl gegenüber der Umgebung) Bei dieser Störung nimmt die betroffene Person die Gegenstände und Umgebung als unwirklich und fremdartig wahr. Folglich wirkt die eigene Umwelt nicht mehr als vertraut.
→ III: Sie treten zumeist zusammen auf, können sich aber auch getrennt manifestieren. Jedoch ist in beiden Fällen das Realitätsurteil intakt. Die subjektiven Wahrnehmungsveränderungen werden als sehr unangenehm und nur schwer zu verbalisieren empfunden.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Prävalenz für die Depersonalisation bzw. Derealisation liegt in der Allgemeinbevölkerung bei 1-3%; werden jedoch mildere Ausprägungsformen hinzugezählt liegt sie deutlich höher.
→ II: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 15.-30. Lebensjahr, wobei keine relevanten Unterschiede in der Geschlechterverteilung bestehen.
→ Ätiopathogenese: Bei dem Depersonalisations- bzw. Derealisationssyndrom wird eine multifaktorielle Genese diskutiert (sie können isoliert oder im Rahmen verschiedener psychischer Erkrankungen auftreten):
→ I: Neurobiologische Faktoren: Es kommt zu einer Störung der normalen emotionalen Reagibilität mit Verlust der emotionalen Wahrnehmung bezüglich der eigenen Person (= Depersonalisation), des Körpers und der Umwelt (= Derealisation).
→ II: Neuroanatomische Faktoren: Anatomische und physiologische Läsionen im Bereich des Temporallappens.
→ III: Psychologische Faktoren: Insbesondere im Rahmen von traumatischen Erfahrungen (z.B. in Form interpersonaler Traumatisierungen in der frühen Entwicklung) sowie schweren emotionalen oder somatischen Belastungen treten nicht selten pathogenetischen Depersonalisations- und Derealisationsphänomene auf.
→ IV: Psychodynamische Faktoren:
→ 1) Abwehrbedingte Spaltung zwischen erlebenden und beobachtenden Ich-Funktion mit einer distanzierten Sicht auf das Selbst.
→ 2) Intrapsychische Abwehr von schmerzhaften, beschädigenden und konflikthaften Affekten.
→ V: Weitere Faktoren: Sind u.a.:
→ 1) Somatische Erkrankungen: Wie v.a. Epilepsie, Schädel-Hirn-Trauma, Klein-Levin-Syndrom und nicht zuletzt die Migräne sowie vestibuläre Störungen.
→ 2) Medikamente wie Antihistaminika, Benzodiazepine, Indometacin, aber auch psychotrope Substanzen wie Alkohol, Cannabis oder LSD.
→ Komorbidität: Depersonalisation und Derealisation sind zudem Symptome einer Vielzahl von psychischen Erkrankungen; hierzu zählen insbesondere:
→ I: Angst- und Panikstörungen,
→ II: Affektive Störungen insbesondere die Depression.
→ III: Persönlichkeitsstörungen v.a. die Borderline-PS.
→ IV: Beginnende Schizophrenie und die schizotype Störung.
→ V: Dissoziative Störung (Konversionsstörung).
→ VI: Substanzabhängigkeit und Entzugssyndrom und nicht zuletzt
→ VII: Andauernde Persönlichkeitsänderungen nach Extrembelastungen und die posttraumatische Belastungsstörung.
→ Klinik: Charakteristische Symptome beim Derealisations- und Depersonalisationssyndrom sind u.a.:
→ I: Im Allgemeinen kann gesagt werden, das beide Phänomene Entfremdungserlebnisse ohne Realitätsverlust darstellen; Die veränderten Wahrnehmungen werden nicht als fremdbeeinflusst oder von außen gemacht erlebt.
→ II: Die Betroffenen haben das Gefühl, dass
→ 1) Ihnen ihr Körper nicht mehr gehört,
→ 2) Die eigene Stimme und ihr Spiegelbild fremd sind.
→ III: Das Handeln ist mechanisch, der Kranke sieht sich als teilnahmsloser Zuschauer.
→ IV: Weitere Symptome: Sind u.a.:
→ 1) Begleitaffekte sind tiefgründige Beschämung, Angst vor körperlichem und geistigem Kontrollverlust.
→ 2) Des Weiteren gehen die Depersonalisations- und Derealisationsphänomene mit diffusen Somatisierungsstörungen, Benommenheit, Schwindelgefühl und Verlust der Zeitwahrnehmung einher.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:
→ 1) Der Nachweis für das Vorliegen einer Depersonalisations- und Derealisationsstörung sind u.a. das rezidivierende oder persistierende Gefühl der Selbstentfremdung bzw. die veränderte Wahrnehmung der Umwelt; einen erheblichen Einfluss der Störung auf das seelische Befinden und psychosoziale Leben ist zur Diagnosestellung obligat. Diesbezüglich muss eine sorgfältige Exploration der Symptomatik, Triggermechanismen und möglicher psychischer Komorbiditäten erfolgen.
→ 2) Die klinische Diagonstik beinhaltet vor allem eine umfangreiche internistische und neurologische Untersuchung mit CT/MRT-, EEG-Status und einem Medikamenten- und Drogenscreening.
→ II: Testpsychologische Verfahren: Zur Unterstützung der Diagnose „Depersonalisations-/Derealisationssyndrom" wurden insbesondere strukturierte klinische Interviews entwickelt; hierzu zählen u.a.:
→ 1) Strucured-Clinical-Interview-for-Dissociative-Disorder,
→ 2) Structured-Clinical-Interview for Depersonalization-Derealizeation-Syndrom sowie
→ 3) Cambridge-Depersonalization-Scale (= Selbstbeurteilungsverfahren).
→ Differenzialdiagnose: Vom Depersonalisations- und Derealisationssyndrom müssen insbesondere nachfolgende Störungen abgegrenzt werden:
→ I: Neurologische Erkrankungen: Wie Temporallappenepilepsie (Epilepsie allgemein), Gehirntumoren, zerebrovaskuläre Erkrankungen sowie Enzephalitis unterschiedlicher Genese.
→ II: Psychischtrische Erkrankungen: Depersonalisations- und Derealisationsphänomene manifestieren sich häufig im Rahmen von Angst- und depressiven Störungen; zudem muss auch die dissoziative Störung ausgeschlossen werden.
→ III: Endokrinologische Störungen: Wie Hypoparathyreoidismus, Hypothyreose aber auch Hypoglykämie.
→ III: Substanzinduziert: Hierzu zählen vor allem LSD und Cannabis.
→ IV: Die Intaktheit des Realitätsurteils ist ein wichtiges abgrenzendes Kriterium gegenüber den Psychosen.
→ Therapie: Im Mittelpunkt der Behandlung des Depersonalisations- und Derealisationssyndroms stehen vorzugsweise die kognitive Verhaltenstherapie sowie eine pharmakologische Behandlung mit einem Antidepressivum (vor allem die SSRI).
→ Prognose:
→ I: Obwohl der Krankheitsbeginn zumeist als plötzlich beschrieben wird, existieren auch sich einschleichende Krankheitsverläufe.
→ II: Insbesondere die primären Depersonalisations-/Derealisationssyndrome weisen einen chronisch-persistierenden Verlauf sowie eine erhöhte Suizidalität auf.
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→ Definition:
→ I: Bei der Neurathenie handelt es sich um einen psychischen Symptomkomplex, bestehend aus dem generellen Nachlassen physischer Kraft und Ausdauer bis hin zur andauernden und quälenden Erschöpfung.
→ II: Nach ICD-10 wird sie zusammen mit dem Depersonalisations- und Derealisationssyndrom zu den „anderen neurotischen Störungen“ zugeordnet.
→ Ätiologie: Die Genese der Neurasthenie ist bis heute noch nicht genau geklärt; jedoch geht man von einem multifaktoriellen Geschehen aus.
→ Klassifikation: Die Neurasthenie wird auch als Erschöpfungssyndrom bezeichnet und man unterscheidet nach ICD-10 2 Formen:
→ I: Typ 1: Das Hauptkriterium besteht im vermehrten Klagen über eine ausgeprägte Müdigkeit nach geistiger Anstrengung in der Regel assoziiert mit Konzentrationsschwäche, Störungen im effektiven Denken und erhöhter Ablenkbarkeit. Zudem amifestiert sich eine allgemein nachlassende Arbeitsfähigkeit.
→ II: Typ 2: Bei dieser Form liegt der Schwerpunkt bei der somatischen Schwäche und Erschöpfung nach nur geringer körperlicher Belastung; eine Entspannung ist bei den Betroffenen nicht möglich.
→ Klinik: Die Neurasthenie weist häufig einen akuten Krankheitsbeginn auf, jedoch sind auch sehr variable Krankheitsverläufe beschrieben.
→ I: Im Mittelpunkt der klinischen Symptomatik stehen die Ermüdbarkeit und Schwäche sowie die Sorge um die verminderte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
→ II: Begleitsymptome: Weitere klinische Beschwerden sind insbesondere:
→ 1) Anhaltende Schlafstörungen,
→ 2) Fluktuierende Konzentrationsstörungen,
→ 3) Freudlosigkeit und depressive Verstimmung,
→ 4) Muskuläre Schwäche und lokalisierte oder generalisierte Muskelschmerzen und nicht zuletzt
→ 5) Weitere somatische Missempfindungen sowie Kopfschmerzen.
→ Diagnose:
→ I: In den westlichen Staaten erfolgt die Diagnosestellung nur selten; viel häufiger findet man sie in der ehemaligen Sowjetunion und ostasischen Ländern wie China.
→ II: Nach ICD-10 besteht eine Neurasthenie, wenn nachfolgende Kriterien zutreffen:
→ III: Labor: Wichtige laborchemische Untersuchungen sind u.a.:
→ 1) Blutbild und Entzündungsparameter wie BSG und CRP.
→ 2) Elektrolyte, Leberenzyme, Kreatinin, TSH, fakultativ Rheumafaktoren, antinukleäre Antikörper sowie evtl. Borreliose, EBV, CMV, HIV etc.
→ 3) Eiweiß und Glukose im Urin.
→ Differenzialdiagnose: Von der Neurasthenie müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Neuropsychiatrische Störungen: Wie die depressive Störung, Angststörung, Myastenia gravis, Encephalomyelitis disseminata, Narkolepsie, etc.
→ II: Internistische Erkrankungen: Herz- und Kreislauferkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, Myokarditis, Kardiomyopathie), Lungenerkrankungen, rheumatische und autoimmunologische Erkrankungen, Hypothyreoidismus, Morbus Addison, Anämie, aber auch Karzinomleiden, chronische Viruserkrankungen, akute virale Infektionen etc.
→ III: Medikamenten-induziert: Vor allem durch Beta-Blocker, Kalziumantagonisten, Diuretika, trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika, Lithium sowie Alkohol und Drogen.
→ Therapie: Die Therapie der Neurasthenie gestaltet sich zumeist sehr schwierig, insbesondere wenn die Patienten psychosoziale Einflüsse für die Genese der Erkrankung strikt ablehnen.
→ I: Medikamentöse Therapie: Die Symptome Müdigkeit und Arbeitsunfähigkeit lassen sich kaum beeinflussen; bestehen jedoch zusätzlich auch depressive – und/oder Angstsymptome können antidepressiv wirkende Substanzen wie die SSRI, SNRI oder MAO-Hemmer eingesetzt werden.
→ II: Psychotherapie: Im Mittelpunkt der Behandlung steht die kognitive Verhaltenstherapie mit u.a.:
→ 1) Erkennen und Beseitigen alltäglicher Überforderungen,
→ 2) Förderung der Einsicht der Zusammenhänge von Ereignis und Symptomen im Sinne des Störungsmodells und
→ 3) Exploration von vorhandenen Konflikten sowie die Bearbeitung dieser.
→ III: Supportiv stehen weitere Therapieoptionen wie autogenes Training, progressive Muskelrelaxation und sportliche Betätigung zur Verfügung.