→ Definition:
→ I: Bei den akuten vorübergehenden psychotischen Störungen handelt es sich um einer heterogene Gruppe von Störungen, die sich durch den akuten Krankheitsbeginn, die rasch fluktuierende psychotische Symptomatik und den kurzen Krankheitsverlauf (von zumeist 3 Monaten) auszeichnen. Hierzu zählen die:
→ 1) Akute polymorphe psychotische Störung ohne Symptome einer Schizophrenie.
→ 2) Akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie.
→ 3) Akute schizophreniforme psychotische Störung.
→ II: Des Weiteren fällt unter die akuten vorübergehenden psychotischen Störungen die:
→ 1) Angst-Glücks-Psychose: Beinhaltet insbesondere Symptome des Affektes und ist durch den Wechsel zwischen
→ A) Angstphasen: Mit innerer Unruhe, intensiver Angst, Misstrauen, Beziehungs- und Verfolgungswahn, Halluzinationen und
→ B) Glücksphasen: Mit ektatischem Glücksgefühl, Euphorie, Größenwahn, etc. charakterisiert.
→ 2) Erregte-gehemmte Verwirrtheitspsychose: Hierbei stehen insbesondere formale Denkstörungen, zerfahrenes inkohärentes Denken, Ideenflucht, Halluzinationen, andererseits aber auch Depressivität (Depression) mit Antriebsarmut und Apathie, sowie verlangsamtes Denken bis zur Denkhemmung im Vordergrund.
→ 3) Hyperkinetische-Akinetische Motilitätspsychose: Akuter Krankheitsbeginn mit einem Wechsel aus Phasen mit psychomotorischer Erregtheit und übertriebener Ausdrucksmotorik, dann wiederum Phasen mit motorischer Gehemmtheit und Stupor.
→ Epidemiologie:
→ I: Die akuten vorübergehenden psychotischen Störungen weisen eine Lebenspräverenz von 0,2-0,5% auf.
→ II: Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer (Frau : Mann = 2 : 1), wobei der Manifestationsgipfel in der Jugend bzw. frühen Adoleszenz liegt.
→ Ätiologie: Ist bis heute noch nicht genau bekannt, jedoch geht man auch bei dieser Störung von einem multifaktoriellen Geschehen aus. Insbesondere negative Stressoren stellen bis heute den wichtigen Auslöser dar (sind jedoch nicht obligat).
→ I: Genetische Faktoren: Gerade bei der schizophreniformen Störung wird eine genetische Disposition diskutiert. So weisen Verwandte von Patienten mit akuter schizophreniformer Störung einer erhöhtes Erkrankungsrisiko für affektive Störungen und Schizophrenie auf.
→ II: Psychosoziale Faktoren: Bei den akuten polymorphen psychotischen Störungen lassen sich häufig vor Erkrankungsbeginn schwere Belastungssituationen (Trauerfälle, Krieg, Terrorismus, etc.) eruieren.
→ Klinik:
→ I: Akute polymorphe Störung: (Mit/ohne Symptome einer Schizophrenie) Vielgestaltiges Krankheitsbild, das durch den schnellen Symptomwechsel innerhalb von Tagen z.T. auch von Stunden, den akuten Beginn innerhalb von 48 Stunden sowie die rasche Remission charakterisiert ist. Häufig findet man ein massives Aufgewühltsein, ekstatische Glücksgefühle, beschleinigte verworrene Gedankengänge, Logorrhoe aber auch Angst, Verwirrtheitszustände, Personenverkennung und Dysphorie. Bestehen zusätzlich noch Schizophreniemerkmale spricht man von einer akut polymorphen Störung mit Symptomen (z.B. akustische Halluzinationen, Wahnphänomene, Ich-Störungen) einer Schizophrenie.
→ Klinisch-relevant: Halten die Symptome länger als 3 Monate an handelt es sich um eine anhaltende wahnhafte Störung.
→ II: Schizophreniforme psychotische Störung: Hierbei stehen stabile, schizophrene Symptome während der überwiegenden Zeit im Vordergrund. Sie ist mit der Schizophrenie vergleichbar, sodass sich paranoid-halluzinatorische, hebephrene oder aber auch katatone klinische Merkmale zumeist in geringerer Ausprägung nachweisen lassen. Im Vergleich zur Schizophrenie ist die akute schizophreniforme psychotische Störung jedoch mit einer Dauer von bis zu einem Monat zeitlich begrenzt.
→ Komorbiditäten: Eine Vergesellschaftung der akuten vorübergehenden psychotischen Störung mit verschiedenen Formen der Persönlichkeitsstörungen wird diskutiert.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese: Umfangreiche Eruierung von Vorerkrankungen, möglichen Auslösern wie negative Stressoren und im Rahmen der Klinik muss eine Verlaufsbeobachtung hinsichtlich der Symptomatik (rasch wechselnd, stabil) erfolgen.
→ II: Klinische-Untersuchung:
→ 1) Labor: Bestimmung von Blutbild, Differenzialblutbild, CRP, Serumelektrolyte, Leber- und Nierenwerte, Drogenscreening sowie des TSH.
→ 2) Bildgebung: CT/MRT des Gehirns zum Ausschluss einer zentralnervösen Raumforderung.
→ Klinisch-relevant: Die Gruppe der akuten vorübergehenden psychotischen Störungen stellt eine vorläufige Diagnose dar. Sollte sich im Therapieverlauf zeigen, dass die Störung länger persistiert, ist die Diagnose zu ändern.
→ Differenzialdiagnose: Von den akuten vorübergenenden psychotischen Störungen sind insbesondere nachfolgende Erkrankungen abzugrenzen:
→ I: Schizophrenie: Differenzialdiagnostisch zur akuten schizophrenen Störung ist vor allem das Zeitkriterium von bis zu einem Monat bzw. > 1 Monat von immenser Wichtigkeit.
→ II: Auch bei der akuten polymorphen psychotischen Störung ohne schizophrene Symptome spielt das Zeitkriterium eine wichtige Rolle. Persisitieren die Symptome über einen Zeitraum von > 3 Monaten handelt es sich um eine anhaltende wahnhafte Störung.
→ III: Vor allem bei der paranoiden Persönlichkeitsstörung manifestiert sich eine dauerhafte misstrauische, z.T. wahnhafte Persönlichkeitsstruktur ohne Fluktuation.
→ IV: Drogen-/medikamenteninduzierte Psychosen: Sie weisen auch wie die akut vorübergehenden psychotischen Störungen einen raschen Krankheitsbeginn, eine recht kurzzeitige Dauer und eine wechselnde klinische Symptomatik auf. Eine frühzeitige Abgrenzung ist mittels Drogen-/Medikamentenanamnese und toxikologischer Laboruntersuchung möglich.
→ V: Weitere psychiatrische Erkrankungen:
→ 1) Akute Belastungsreaktion/ Posttraumatische Belastungsstörung: Auch hier zeigen sich im Vorfeld massive emotionale Belastungen; jedoch fehlen in der Regel psychotische Symptome.
→ 2) Akute reaktive Psychose,
→ 3) Manie und
→ 4) Die depressive Episode.
→ Therapie:
→ I: Medikamentöse Therapie:
→ 1) Alle Subtypen der akuten vorübergehenden psychotischen Störung werden mit einem Antipsychotikum behandelt (z.T. werden hochpotente Neuroleptika, z.T. aber auch atypische Neuroleptika aufgrund der geringen extrapyramidal motorischen NW empfohlen). Die Substitution ist zeitlich begrenzt.
→ 2) Zur Unterdrückung von Angst- und/oder Erregungszuständen können zur Sedierung niederpotente Neuroleptika oder Benzodiazepine appliziert werden.
→ II: Rezidivprophylaxe: Manifestieren sich Rezidive, sollte eine Rückfallprophylaxe mit einem Stimmungsstabilisator wie Lithium, Carbamazepin oder Valproinsäure (in Höhe der therapeutischen Serumspiegel) über ein Zeitintervall von maximal einem Jahr erfolgen.
→ III: Psychotherapie: Hierbei stehen insbesondere die
→ 1) Psychoedukation des Patienten, aber auch der Angehörigen,sowie
→ 2) Die supportive Psychotherapie zur Identifikation möglicher auslösender Stressoren und zum anschließenden Aufbau suffizienter Copingstrategien im Sinne des Vulnerabilität-Stress-Coping-Modells im Vordergrund.
→ 3) Aufgrund der raschen Remissionstendenz ist eine Soziotherapie wie bei der Schizophrenie nicht indiziert.
→ Verlauf/Prognose:
→ I: Akut polymorphe psychotische Störung: Sie weist einen akuten Krankheitsbeginn zumeist innerhalb von 48 Stunden (bis zu 2 Wochen) auf. Die charakteristische Symptomatik ist stark fluktuierend; das klinische Bild wechselt innerhalb von Tagen, evtl. aber auch binnen weniger Stunden. In der Regel kommt es mit einer Latenz von Tagen bis Wochen zur vollständigen Remission.
→ II: Akute schizophreniforme Störung: In 2/3 der Fälle findet in eine vollständige Remission statt, jedoch in 1/3 manifestiert sich ein rezidivierender, phasischer Krankheitsverlauf.