→ Definition:
→ I: Die paranoide halluzinatorische Schizophrenie ist durch die klinische Manifestation von Wahnvorstellungen und akustischen Halluzinationen in Form von Stimmenhören gekennzeichnet.
→ II: Störungen des formalen Denkens, des Affektes sowie der Sprache und Antriebs prägen nicht bzw. nur in geringem Maße das klinische Bild.
→ Epidemiologie:
→ I: Sie stellt mit 80% der Fälle die häufigste Form der Schizophrenie dar.
→ II: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 30.-40. Lj., wobei ein gleiches Geschlechterverhältnis besteht.
→ III: Es existiert bei der paranoiden Schizophrenie aber auch noch ein weiterer weniger ausgeprägter Manifestationsgipfel in der 2. Lebenshälfte (= Spätschizophrenie, nach dem 50. Lj.); hierbei sind vorwiegend Frauen betroffen (die Abnahme des Östrogens wird diskutiert); es wird häufig eine Chronifizierung beobachtet.
→ Ätiologie: Wie auch bei den anderen Schizophrenieformen handelt es sich bei der Pathogenese um ein multifaktorielles Geschehen bei der insbesondere genetische und Umweltfaktoren im Vordergrund stehen:
→ I: Familiäre Disposition aufgrund von polygenen Erbanlagen.
→ II: Neurobiologische Faktoren: Dysbalance zwischen den verschiedenen neuronalen Transmittersystemen, insbesondere von Dopamin und Glutamat, aber auch von Serotonin und Noradrenalin.
→ III: Neuroanatomische Faktoren: Mit hirnstruktureller Volumenabnahme von Hippocampus, Gyrus parahippocampus, Amygdala, Thalamus etc. sowie Erweiterungen des 3. Ventrikels und der äußeren Liquorräume.
→ IV: Umweltfaktoren: Hierzu zählen u.a.:
→ 1) Infektionserkrankungen während der SS,
→ 2) Perinatale und postnatale Geburtskomplikationen,
→ 3) Drogen, insbesondere Cannabis und Amphetamine aber auch
→ 4) Psychosoziale Stressoren wie die High-expressed-emotion. (Siehe auch Epidemiologie/Ätiologie der Schizophrenie).
→ Klinik:
→ I: Bei der paranoiden-halluzinatorischen Schizophrenie stehen:
→ 1) Wahnsymptome (Wahnideen, Wahneinfälle), aber auch ein komplexer systematisierter Wahn wie Verfolgungs-, Beeinträchtigungs- und/oder Größenwahn, aber auch andere Wahnformen,
→ 2) Halluzinationen, insbesondere akustische, aber auch zönästhetische, olfaktorische und gustatorische Halluzinationen,
→ 3) Ich-Störungen: Mit Depersonalisation und Derealisation, aber auch von außen gemachten Gedanken wie Gedankeneingebung, Gedankenlautwerden, Gedankenausbreitung und Gedankenentzug im Vordergrund der klinischen Symptomatik.
→ II: Meist akuter Krankheitsbeginn,evtl. mit einem vorangegangenen Prodromalstadium, welches uncharakteristische Symptom wie Antriebs-, Affekt- und/oder kognitive Störungen aufweist.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/Fremdanamnese: Mit Eruierung von psychischen Erkrankungen in der Verwandtschaft, möglichem Prodromalstadium, vorherrschender Symptomatik (z.B. Wahninhalte etc.)
→ II: Labor: Bestimmung von BB, Differenzialblutbild, BSG, CRP, Elektrolyten, Leber- , Nieren- und Schilddrüsenparametern, sowie Drogenscreening.
→ III: Bildgebende Verfahren: Insbesondere cCT und MRT zum Ausschluss von raumfordernden oder entzündlichen Prozessen.
→ IV: Testpsychologische Verfahren:
→ 1) BPRS: (= Brief-Psychiatric-Rating-Scale) Es handelt sich um einen Fremdbeurteilungsbogen zur Einschätzung/Beurteilung des psychopathologischen Befundes eines schizophrenen Patienten insbesondere nach psychopharmakologischer und/oder psychosozialer Intervention.
→ 2) SAPS: (= Scale of the Assessment of Positiv Symptoms) Ist ein Fremdbeurteilungsfragebogen zur umfassenden Erfassung psychotischer Symptome (= Positivsymptomatik) bei der Schizophrenie.
→ Differenzialdiagnose: Von der paranoiden Schizophrenie abzugrenzen sind u.a.:
→ I: Drogenmissbrauch, insbesondere der Konsum von Halluzinogenen und Amphetaminen.
→ II: Schizotypen Störungen,
→ III: Schizoaffektiven Störungen: Sie weisen einen rezidivierenden episodischen Verlauf auf und haben eine günstigere Prognose.
→ IV: Paranoide Persönlichkeitsstörung: Mit grundlegend misstrauischer Persönlichkeitsstruktur, aber gänzlichem Fehlen von psychotischen Symptomen.
→ V: Anhaltende wahnhafte Störungen.
→ VI: Paranoide halluzinatorische Symptome findet man auch bei der funikulären Myelose.
→ Therapie:
→ I: Die Behandlung in der Akutphase der paranoide-halluzinatorischen Schizophrenie bedarf zumeist einer stationären Überwachung, evtl. bei Eigen- oder Fremdgefährdung einer richterlichen Unterbringung.
→ II: Medikamentöse Therapie:
→ 1) In der akuten psychotischen Phase steht die medikamentöse Therapie mit hochpotenten, klassischen Neuroleptika (z.B. Haloperidol) bzw. atypischen Neuroleptika (Olanzapin, Risperidon) im Vordergrund.
→ 2) Bei innerer Unruhe und massiver Angst können zusätzlich noch niederpotente Neuroleptika wie Levomepromazin, Chlorprothixen etc. oder ein Benzodiazepin verabreicht werden.
→ 3) Nach Abklingen der Akutphase erfolgt die medikamentöse Stabilisierung der Remissionsphase mit zumeist einem atypischen Antipsychotikum z.B. Olanzapin, Aripiprazol, Amisulprid etc.
→ III: Psychotherapie: Primäres Ziel ist der Aufbau einer vertrauensvollen Patienten-Therapeuten-Beziehung. Therapieoptionen umfassen u.a. die:
→ 1) Supportive Psychotherapie,
→ 2) Psychoedukation, insbesondere auch der Angehörigen,
→ 3) Tagesstrukturierung,
→ 4) Bewegungs-, Musik- und Ergotherapie
→ 5) Soziotherapie und Rehabilitation sowie die
→ 6) Familienberatung und Angehörigengruppe.
→ Klinisch-relevant: Wichtig beim Umgang mit akut paranoid-psychotischen Patienten ist v.a.:
→ A) Akzeptanz des Patienten mit seinem Wahn.
→ B) Primär Zuhören und wenig Fragen stellen im Sinne eines „Herausfragens aus dem Wahn, nicht hineinfragen“.
→ Prognose:
→ I: In 1/3 der Fälle zeigt sich ein eher günstiger Krankheitsverlauf.
→ II: In 2/3 der Fälle manifestieren sich Rezidive. Zumeist ist nach einigen Krankheitsschüben eine Residualsymptomatik mit Antriebsstörungen, affektiver Verflachung, Denkstörungen etc. eruierbar.