Definition:

→ I: Bei der übertragungsfokussierten Psychotherapie nach Kernberg handelt es sich um ein Therapieverfahren zur Behandlung insbesondere der Borderline-Störung, wird u.a. aber auch bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung angewandt.

→ II: Das Verfahren leitet sich von der Psychoanalyse ab und geht davon aus, dass Faktoren wie frühkindliche Erfahrungen, kongenitales Temperament und andere Lebenserfahrungen die Ausreifung (unreif → reif) und Funktion (gesund, neurotisch, Borderline, psychotisch) der Persönlichkeit beeinflussen bzw. zu komplexen Entwicklungsdefiziten führen können.

 

→ Pathogenese: (der Persönlichkeitsstörungen) Kernberg geht davon aus, dass ein authentisches Selbst nur entstehen kann, wenn die divergierende Selbstbilder zu einem integrierten Selbstkonzept organisiert werden. Wichtige Grundelemente des Selbstkonzeptes sind vor allem:

→ I: Die Fähigkeit des Einzelnen die innere von der äußeren Realität zu unterscheiden.

→ II: Bestehen eines stabilen Konzeptes, einerseits von " sich selbst" (z.B. meine Stärken/Schwächen) und andererseits von seinem Gegenüber (Stärken und Schwächen von Bezugspersonen).

→ III: Vorhandensein verschiedener Emotionen, die kontrolliert und adäquat in der jeweiligen Situation eingebracht werden und nicht zuletzt

→ IV: Entwicklung von stabilen inneren Werten.

 V: Bei der Borderline PS ist dieses Selbstkonzept unzureichen (fehlerhaft) entwickelt und die Betroffenen weisen eine Unsicherheit bezüglich ihrer Identität auf (= sogenannte Identitätsdiffusion).

220 Persönlichkeitsorganisation nach Kernberg 

Therapieansatz: Kernberg geht davon aus, dass jeder Mensch von Beginn an in Beziehung mit anderen Menschen (Eltern) steht. Manifestieren sich hierbei Beziehungsstörungen, entwickeln sich pathologische Übertragungsmechanismen und primitive Abwehrmechanismen (z.B. Spaltung).

 I: Rahmenbedinungen: Schaffung eines therapeutischen Rahmens durch Miteinbeziehung von klaren Grenzen für eine stabile (Patienten-Therapeuten)-Beziehung.

Hierbei werden nachfolgende Aspekte eruiert und bearbeitet:

1) Rechte und Pflichten sowohl des Patienten als auch des Therapeuten.

→ 2) Ursachen für vorherige Therapieabrüche benennen und darauf achten.

→ 3) Beziehungsschwierigkeiten explorieren sowie

→ 4) Erfragen von Risikofaktoren im Hinblick auf Selbstschädigung, Suizidalität etc. 

→ II: Therapeutische Ansatz:

→ 1) Beinhaltet die Identifikation der pathologischen unreifen Abwehrmechanismen und deren Integration, um sie anschließend durch reifere Abwehrformen zu ersetzten.

→ 2) Ausgangspunkt "im Hier und Jetzt" ist die unbewusste Wiederholung pathologische Übertragungsmechanismen aus frühzeitigen zwischenmenschlichen Beziehungen.

→ III: Hiefür stehen dem Therapeuten grob 3 Mechanismen zur Verfügung.

→ 1) Schritt 1: Identifizierung der dominierenden, vorherrschenden Bezugsperson und Klärung/Deutung der zwischenmenschlichen Beziehung durch z.B. metaphorische Umschreibung (z.B. Patient erlebt den Therapeuten als die nicht liebende Mutter).

→ 2) Schritt 2: Hier erfolgt die Konfrontation, Deutung und Bearbeitung der Gefühle des Patienten.

→ 3) Schritt 3: In dieser Phase werden abgespaltene Anteile im Sinne des Abwehrmechanismus, Spaltung, integriert, um eine Akzeptanz gegensätzlicher Anteile in einem Objekt zu erreichen (z.B.: In der letzten Therapiesitzung war ich ablehnend, heute nehmen Sie mich anders wahr).

 

Therapieziele: Hierbei steht die Entwicklung des integierten Selbstkonzeptes im Vordergung, hervorgerufen durch: 

→ I: Die Entfaltung einer eigenen stabilen Persönlichkeit,

→ II: Ausbildung adäquater modulierter Gefühle, die der jeweiligen Situation entsprechend sind und

→ III: Den Aufbau von stabilen inneren Werten.

 

Therapeutische Techniken: Wichtige therapeutische Techniken bei der übertragungsfokussierten Psychotherapie sind:

→ I: Festlegung eines Therapievertrages, der mögliche Gefahren für die eigene Person, Andere und die Behandlung regelt.

II: Priorisierung der Thema im Sinne einer Themenhierachie,

→ III: Neutraler Beobachter: Der Therapeut äußert sich nicht bezüglich moralischer, religiöser oder sozialer Werte. Diese Verhaltensweise kann jedoch in speziellen Situationen aufgehoben werden.

→ IV: Weitere Techniken: Sind

→ 1) Klärung: Gemeinsame Eruierung unklarer, vager Emotionen und verbalen Äußerungen des Patienten.

→ 2) Deutung: Verknüpfung aktueller Situationen an frühere un-/vorbewusste Konflikte.

→ 3) Konfrontation: Die Patienten werden mit ihren z.T. widersprüchlichen Verhaltensweisen und realitätsfernen Wahrnehmungen konfrontiert.

→ V:Therapieablauf:

→ 1) Sie ist als Einzelpsyhotherapie mit 2 Therapiesitzungen/ Woche angelegt.

→ 2) Die Gesamtdauer der Therapie liegt in der Mitte > 1 Jahr.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Suizidalität, Selbstverletzung und eine Gefährdung der Behandlung haben immer höchste Priorität und werden während der Therapiesitzung immer zuerst thematisiert.

→ B) Der Therapeut ist bei dieser Therapieform zur Supervision (Einzel- oder Gruppensupervisionen) verpflichtet.