→ Definition: Die kognitive Therapie nach Wells ist gezielt für die Behandlung des pathologischen Sorgens bei Patienten mit generalisierter Angststörung einzusetzen.
→ Störungsmodell: Bei dem Störungsmodell nach Wells werden die Sorgen in 2 Subtypen unterteilt:
→ I: Typ-I-Sorgen: Sie umfassen die sogenannten Alltagssorgen (z.B. Hoffentlich passiert meiner Tochter nichts, wenn sie mit dem Auto zur Schule fährt). Die Beschäftigung mit den Typ-I-Sorgen beruht auf der positiven Annahme, wenn ich mir Sorgen um meine Tochter mache, bin ich eine fürsorgliche Mutter (= positive Metabeliefs /Meta-Kognitionen) und dient der Vorbereitung bzw. Verhinderung möglicher Katastrophen. Typ-I-Sorgen aktivieren auch immer die Meta-Kognitionen, die sowohl positive als auch negative Annahmen beinhalten können.
→ II: Typ-II-Sorgen: Je länger der Sorgenprozess persistiert bzw. sich wiederholt, umso stärker werden die negativen Annahmen (z.B. Ich kann die Sorgen nicht kontrollieren, die Sorgen machen mir Angst, ich werde noch verrückt vor Sorge = negative Meta-Beliefs /negative Mega-Kognitionen), die die Entwicklung der GAS typischen Sorgen, triggern. Hierbei handelt es sich um Sorgen, die sich direkt auf den Prozess des "Sich-Sorgens" beziehen, also Sorgen über Sorgen (= Typ-II-Sorgen) darstellen.
→ Klinisch-relevant: Im weiteren Verlauf versuchen die Patienten über Sicherheits-/Vermeidungsverhalten (z.B. keine Nachrichten/Zeitungen über Autounfälle lesen) bzw. Kontrollstrategien (z.B. Kontrolltelefonate mit Freunden, Verwandten zur Beruhigung) die Sorgen zu reduzieren und stehen somit in ständiger ängstlicher Erwartung; dies führt wiederum zu einer Verstärkung der negativen Mega-Kognitionen.
→ Therapie:
→ I: In der Therapie wird das Störungsmodell nach Wells mit Hilfe des sokratischen Dialogs gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet, wobei das Hauptkiterium die Identifikation der Mega-Kognitionen darstellt (und nicht der Typ-1-Sorgen, die vom Patienten als eigentliches Problem angesehen werden).
→ II: Die individuellen Sorgen werden dann hinterfragt und auf ihre Funktion überprüft.
→ III: Möglicher Fragenkatalog zu Typ-II-Sorgen:
→ 1) Was beunruhigt sie am meisten im Hinblick auf ihre häufigen Sorgen.
→ 2) Wenn diese Sorgen für Sie so belastend sind, warum hören sie nicht einfach auf, sich Sorgen zu machen.
→ 3) Glauben Sie, dass sich eine Katastrophe entwickelt, wenn sie sich mal keine Sorgen machen.
→ 4) Können Sie die Sorgen kontrollieren,
→ 5) Welche Bedeutung hat es für sie keine Kontrolle mehr über ihre Sorgen zu haben.
→ Klinisch-relevant: Charakteristikum der Typ-II-Sorgen ist die Befürchtung, vor Sorge krank bzw. verrückt zu werden.
→ IV: Ziel ist es, geeignetere Annahmen zu entwickeln und diese dann anzuwenden.
→ Therapeutisches Vorgehen: Im folgenden werden einige Interventions-Beispiele aufgeführt.
→ I: Gedankenunterdrückungsexperiment: Hierbei wird der Patient angeleitet nicht an eine bestimmte Situation, z.B. einen Autounfall, zu denken und wenn doch daran gedacht wird, soll er es schriftlich festhalten. Typischerweise gelingt es dem Patienten nicht, sich nicht mit dem Unfall gedanklich auseinanderzusetzen, vielmehr treten die Gedanken, die unbedingt unterdrückt werden sollen, vermehrt auf. Ziel ist es, dem Betroffenen zu verdeutlichen, dass der Kontrollversuch bei jedem zur vermehrten Sorge führt und somit kontraproduktiv ist.
→ II: Kontrollverlust-Experiment: Der Patient wird angehalten seine Kontrolle bewusst zu verlieren, indem er sich so stark sorgt. Die Hauptintention bei diesem Verhaltensexperiment ist, ihm zu zeigen, dass er die Kontrolle nicht verlieren kann.
→ III: Umstrukturierung der Meta-Kognitionen: Durch Hinterfragung möglicher Beweise für negative Meta-Beliefs/Kognitionen. Mögliche Fragen sind:
→ 1) Was lässt Sie daran glauben, an ihren Sorgen verrückt zu werden.
→ 2) Welche Beweise haben Sie dafür. Anschließend wird er aufgefordert, Beweise zu sammeln und zu bewerten.
→ IV: Hinterfragen der Nicht-Kontrollierbarkeit von Sorgen: Gezielte Überprüfung der Nicht-Kontrollierbarkeit mit Hilfe eines Sorgen-Tagebuches. Ziel ist es, sorgenfreie Intervalle aufzudecken und zu überlegen, welche Gegebenheiten die Sorgen unterbrechen/terminieren. Somit kann gezeigt werden, dass eine Kontrollierbarkeit der Sorgen besteht bzw. dies gelernt werden kann.
→ V: Gegenüberstellung positiver und negativer Kognitionen: Eine Gegenüberstellung ambivalenter Kognitionen (z.B. Positive Meta-Kognition: Sorgen zur Vorbereitung auf mögliche Katastrophen; Negative Meta-Kognition: das Sorgen macht krank) ist eine gute Voraussetzung, diese auf ihre Richtigkeit und Realitätsnähe zu überprüfen.
→ VI: Mini-Survey über Sorgen der anderen: Viele Patienten mit einer generalisierten Angststörung gehen davon aus, dass gesunde Menschen sich überhaupt keine Sorgen machen. Durch Nachfragen z.B. im Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis kann versucht werden aufzuzeigen, dass bei jedem Menschen Sorgen bestehen, jedoch in unterschiedlicher Intensität und Abstufung, und evtl. mögliche Bewältigungsstrategien der anderen übernommen werden (siehe auch generalisierte Angststörungen).