→ Allgemein:
→ I: Jeder Suizidversuch sollte ernst genommen werden, unabhängig von der Art der Suizid-Methode (hart, weich, bizzar) und/oder dem Ausmaß der Selbstverletzung.
→ II: Der Suizidversuch ist immer eine falsche Problemlösungsstrategie.
→ III: Ein vorherige Suizidankündigung sollte nicht als demonstrativer Appell abgetan werden.
→ Klinik: Die Symptomatik der Suizidalität ist sehr variabel. Häufig ist eine depressive Grundstimmung zu eruieren, aber es können sich auch Symptome wie Agitiertheit, Erregung oder Eigen- und Fremdaggressionen bis hin zu Wahnvorstellungen manifestieren:
→ I: Nicht selten treten Äußerungen von Gefühlen der Hoffnungslosigkeit, Resignation und des Lebensüberdrusses auf (Suizid wird als einziger Ausweg aus der persönlichen Situation gesehen).
→ II: Beim Suizid dominiert die Autoaggression.
→ III: Beim Parasuizid wiederum dominiert eher der Wunsch nach Zuwendung und Ruhe. Es werden je nach Intention verschiedene Formen unterschieden:
→ 1) Suizidale Handlung: Hierbei steht die Autoaggression im Vordergrund.
→ 2) Parasuizidale Geste: Es dominiert der Appell an die Umwelt.
→ 3) Parasuizidale Pause: Im Vordergrund steht der Wunsch nach Ruhe.
→ Klinisch-relevant: Der Parasuizid sollte nie als demonstrativer Suizidversuch angesehen und bagatellisiert werden, er ist vielmehr eine Hilferuf im Sinne einer weiterführenden Therapie.
→ Verlauf: Der Suizidalität:
→ I: Der Suizid bzw. Parasuizid ist meist langfristig geplant, selten weist er eine kurzschlussartige Durchführung im Sinne eines Suizidimpules auf.
→ 1) Suizidimpulse: Hierbei handelt es sich um plötzlich auftretende Impulse, sich sofort das Leben zu nehmen. Sie treten gerade im Rahmen von dissoziativen und psychotischen Störungen auf und haben einen hohen Handlungsdruck.
→ II: Oftmals findet man in der Entwicklung der suizidalen bzw. parasuizidalen Krise einen stadienhaften Verlauf. (Siehe auch Stadieneinteilung der Suizidalität nach Pöldinger und Ringel):
→ 1) Oft erscheinen Patienten, die sich in der Phase des Entschlusses (sich umzubringen) befinden, paradoxerweise entspannt und gefasst.
→ 2) Diese „Ruhe vor dem Sturm“, kann als Besserung der Symptomatik fehlinterpretiert werden.
→ Diagnose: Die diagnostische Beurteilung der Suizidalität beinhaltet folgende Aspekte:
→ I: Das Ausmaß der suizidalen Gefährdung,
→ II: Die Diagnose einer psychischen Erkrankung,
→ III: Erfassung der Situation und möglicher Motivationen und
→ IV: Eruierung der Hilfspotenziale.
→ Klinisch-relevant: Besonders gefährdet sind Menschen, die
→ A) Eine Depression oder eine Suchterkrankungen aufweisen,
→ B) In ihrer Biographie schon einen Suizidversuch aufzeigen,
→ C) Einen Suizid ankündigen und
→ D) Einsam und alt sind.
→ Fragenkataloge:
→ I: Fragenkatalog zur Abschätzung der Suizidalität nach Pöldinger: Hierbei handelt es sich um einen gezielten Fragenkatalog zur Erfassung des Suizidrisikos (die maximale Punktzahl liegt bei 16 P).
→ 1) Haben Sie Selbstmordgedanken,
→ 2) Erfassung der Häufigkeit der Gedanken,
→ 3) Halten Sie Ihre Situation für aussichts- bzw. hoffnungslos.
→ 4) Hat in Ihrem Familien- oder Freundeskreis jemand versucht, sich zu suizidieren.
→ 5) Fällt es Ihnen schwer, an etwas anderes zu denken.
→ 6) Haben sich deutlich weniger zwischenmenschliche Kontakte als früher.
→ 7) Fragen nach konkreten Ideen, wie die Selbsttötung vollzogen werden soll.
→ 8) Haben Sie schon Vorbereitung getroffen.
→ 9) Haben Sie mit ihrer Familie/ Freunden gesprochen.
→ 10) Empfinden Sie die Situation als ausweglos. usw.
→ II: Suizidabsichtsskala: Beinhaltet unter anderem nachfolgende Faktoren (einige Beispiele):
→ Anamnese-Ablauf: Allgemein kann gesagt werden, dass es keine einfache und absolut sichere Methode zur Beurteilung der Suizidalität gibt.
→ I: Zur Diagnostik der Suizidalität gehört eine ausführliches Eingehen auf den Patienten.
→ II: Gesprächsführung: Sie ist offen, direkt und einfühlsam, dem Patienten individuell angepasst. Wichtig hierbei sind nachfolgende Aspekte zu beachten:
→ 1) Erst durch eine längeres Gespräch bildet sich eine therapeutische Beziehungsebene aus, die es ermöglicht mit dem Patient über eventuelle Suizidtendenzen offen zu sprechen (= aktives Ansprechen).
→ 2) Meist führt gerade das Sprechen über Suizidgedanken zur Entlastung und zum Aufbrechen suizidaler Einengungen.
→ III: Exploration: der Suizidalität sollte folgende Aspekte miteinbeziehen:
→ 1) Erfassung der aktuellen Suizidgedanken: Dieser Aspekt beinhaltet Faktoren wie Lebensunlust, Wunsch nach Pause, Veränderung im Leben, flüchtiger oder anhaltender Handlungsdruck, Fragen nach flüchtigen oder anhaltenden Suizidideen bzw. -gedanken, nach konkreten Suizidplänen und Vorbreitungen wie Überlegung der Suizidmethode, Sammeln von Medikamenten, Abschiedsbrief etc.
→ 2) Erfassung psychopathologischer Symptome: Erfassung von Suchterkrankungen, Depression, Schizophrenie und Persönlichkeitsstörungen. Dies beinhaltet auch das Eruieren von Ängsten, paranoider Gestimmtheit, abnormen Persönlichkeitszügen (Impulsivität, Aggressivität, vermindertes Selbstwertgefühl, etc.), innerer Unruhe, Hoffnungslosigkeit, chronischen Schmerzzuständen.
→ 3) Erfassung anamnestischer Faktoren: Unglückliche Kindheit, Broken-Home-Situation, Verhaltensstörungen in der Kindheit und Jugend, chronisch-somatische Erkrankungen, Suizidversuche in der eigenen Biographie, in der Familie oder im direkten sozialen Umfeld.
→ 4) Erfassung der aktuellen Lebenssituation: Wie aktuelle Lebenskrisen durch Verlust eines Lebenspartners (getrennt, geschieden, verwitwet), wichtiger Personen, des Weiteren betrifft es schulische und berufliche Situationen/Misserfolge, finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit etc.
→ Klinisch-relevant: Suizidenten müssen nicht immer verzweifelt und unruhig sein. Vielmehr findet man gerade im Stadium der Entschlossenheit (nach Pöldinger) eine Gelassenheit (bei vorheriger Unruhe), die fehldiagnostiziert werden kann.