Definition: Der Gasbrand ist definiert als eine sich diffus ausbreitende schwerste und lebensgefährliche Muskelnekrose infolge einer Infektion mit dem seltenen Anaeronier Clostridium perfrigens (durch gasbildende Bakterien).

Ätiologie:

→ I: Die Infektion wird in 80% der Fälle durch das Clostridium perfringens hervorgerufen; seltener durch das Clostridium septicum, oedematiens (novyi) oder histolyticum.

→ II: Es handelt sich um ein ubiquitär vorkommendes, obligat anaerobes, Sporen-bildendes, gram-positives Stäbchenbakterium aus der Familie der Clostridien.

→ III: Die Destruktion des Gewebes erfolgt durch die von Clostridien gebildeten Exotoxine. Vor allem bei der Muskelnekrose spielt das Alpha-Toxin (Clostridium perfringens), ein Lecithinase, eine wichtige Rolle, indem es zu einer ausgedehnten Kapillarschädigung mit konsekutivem Zelluntergang führt.

→ IV: Weitere, besonders für die Ausbreitung der Infektion bedeutende Toxine sind das Teta-Toxin (Zytolysin) und das Xi-Toxin (Kollagenase). 

 

Pathogenese:

→ I: Der Gasbranderreger produziert unter anaeroben Bedingungen, die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 4 Tage:

→ 1) Enzyme: Wie Kollagenasen, Proteasen, Desoxyribunukleasen und

→ 2) Exotoxine: Das aggressivste hierunter ist das Alpha-Toxin.

II: Alpha-Toxin: Hierbei handelt es sich um eine Lecithinase, die zur Zerstörung der Membran verschiedener Zellen führt:

→ 1) Erythrozyten: Hämolyse mit konsekutiver Anämie.

→ 2) Myozyten: Myolyse sowie ein durch das Exotoxin verursachter anaerober Glukogenabbau, der zur Gasbildung führt.

→ 3) Abwehrzellen: Zerstörung von Granulozyten, Lymphozyten und Makrophagen, welches die Immunabwehr schwächt und demzufolge die Entstehung der Exotoxine fördert.

→ III: In seltenen Fällen kann sich eine spontane Gasgangrän, zumeist durch das Clostridium septicum verursacht, manifestieren; betroffen sind v.a. Patienten mit malignen Neoplasien oder Immunsuppression. 

 IV: Prädisponierende Faktoren: Sind u.a.:

→ 1) Anaerobes Milieu,

→ 2) Tiefe, stark verschmutzte Wunden, Quetschverletzungen, sowie Amputationswunden; z.B. Behandlung von Durchblutungsstörungen wie Z.n. arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus etc.

→ 3) Aber auch kleinere Traumata oder Laparotomiewunden z.B. nach Darmresektion (Clostridium Bestandteil der Fäkalflora) können mögliche Ausgangspunkte sein. 

 

Klinik: Nach einer Inkubationszeit von 24-72 Stunden:

→ I: Es manifestieren sich starke Wundschmerzen, eine ödematöse Schwellung sowie eine blaugrüne bis bräunliche Verfärbung der Haut.

→ II: Entleerung eines serösen evtl. mit Blut durchsetzten Exsudat (unter Druck evtl. auch spontan entweicht Gas).

III: Zu diesem Zeitpunkt besteht bereits ein schlechter Allgemeinzustand mit Desorientierung, Tachykardie und hohem Fieber (> 40°C).

→ IV: Im weiteren Krankheitsverlauf verfärbt sich die Haut kupfer- bis bronzefarben und ein süßlich-faulig bis übel-riechendes Wundsekret ist nachweisbar. 

→ V: Schließlich entwickelt sich eine lebensbedrohliche systemische Intoxikation (Sepsis) mit Hypotonie, Tachkardie, Anämie und Ikterus (verursacht durch eine Hämolyse), Ateminsuffizienz und Anurie (infolge eines akuten Nierenversagens).

 

Klinisch-relevant:

→ A) Ein spätes jedoch charakteristisches Zeichen für eine Grasbrandinfektion ist die Krepitation (Knistern) über der betroffenen Haut infolge der Gasbildung.

→ B) In 90% der Fälle sind die Extremitäten (70% der Oberschenkel- und Gesäßbereich) betroffen.

 

Diagnose:

→ I: Das klinisches Bild ist wegweisend für die Diagnosestellung.

→ II: Mikrobiologische Untersuchung: Gram-Färbung des gewonnenen Materials aus dem Wundsekret und/oder der Probeexzision.

→ III: Röntgen: Charakteristische Darstellung einer gefiederten Muskulatur.

 

Differenzialdiagnose: Hiervon abzugrenzen sind:

I: Nekrotisierende Fasziitis, aber auch Erysipel und Phlegmone sowie

→ II: Streptokokken-Grangrän, hervorgerufen durch ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A.

488 Differenzialdiagnose des Gasgangräns 

 

Therapie: Bei Patienten mit Verdacht auf Gasbrand ist immer eine intensivmedizinische Überwachung indiziert. 

→ I: Operative Therapie:

→ 1) Schon bei klinischem Verdacht ohne mikrobiologischem Befund besteht eine OP-Indikation.

→ 2) Hierbei erfolgt eine radikale Exzision des nekrotischen Muskelgewebes sowie eine Resektion der umliegenden Weichteile im Gesunden (führt nicht selten zur Amputation). Anschließende Spülung der Wunde mit 1%iger Wasserstoffperoxid-Lösung (die Wunde bleibt offen).

3) Eine Second-Look-Operation mit erneutem großzügigem Debridement sollte spätestens nach 24 Stunden durchgeführt werden.

II: Medikamentöse Therapie:

→ 1) Unterstützend ist eine hochdosierte Antibiotikatherapie mit z.B. Penicillin G 40 Millionen IE/Tag + Metronidazol + Tetrazyclin indiziert.

2) Penicillin G ist das Mittel der Wahl bei einer Clostridium perfringens Infektion.

→ 3) Des Weiteren kann zur Exotoxin-Reduktion Clindamycin appliziert werden.

→ III: Überdruckkammer: Bei stabilen Patienten kann zusätzlich begleitend eine Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff (kontrovers diskutiert) erfolgen. Hierbei soll es zur Bildung von freien Sauerstoffradikalen kommen, die die Toxinproduktion der Clostridien hemmen sollen.

 

Prognose: Da die Ausbreitung der Gasbrand-Infektion innerhalb von Stunden erfolgt, liegt die Letalität trotz rechtzeitiger Behandlung noch bei 30-50% (allgemein schlechte Prognose).