→ Definition: Bei der suprakondylären Humerusfraktur handelt es sich um eine metaphysäre Fraktur ohne Gelenkbeteiligung; sie stellt die häufigste Ellenbogenverletzung im Kindesalter dar.
→ Ätiologie:
→ I: Sturz auf den gestreckten Arm (= Extensionsfraktur); dieser führt zur Antekuravationsstellung (= Dislokation nach dorsal) und manifestiert sich in 98% der Fälle.
→ II: Selten durch Sturz auf den gebeugten Ellenbogen (= Flexionsfraktur) mit typischer Rekurvationsstellung (= Dislokation nach ventral); eher selten. Die Unterscheidung erfolgt mit Hilfe der Rogers-Hilfslinie.
→ III: Gehäuftes Auftreten im Wachstumsalter zwischen dem 3.-10. Lebensjahr.
→ Klassifikation: Die suprakondyläre Humerusfraktur stellt eine extraartikulär, im distalen Humerusbereich lokalisierte Fraktur dar; charakteristischerweise ist die Epiphysenfuge nicht mitbetroffen. Für diese Frakturform existieren verschiedene Klassifikation; zu ihnen zählen u.a.:
→ I: Klassifikation: Der suprakondylären Humerusfraktur nach von Laer:
→ II: Klassifikation: Nach Gartland, die die Fraktur in 3 Subtypen unterteilt:
→ 1) Typ I: Undislozierte suprakondyläre Humerusfraktur.
→ 2) Typ II: Dislozierte Fraktur, jedoch mit Erhaltung der hinteren Kortikalis (meist ist es eine Extensionsfraktur mit Abknickung).
→ 3) Typ III: Es besteht eine vollständige Dislokation der Fraktur; der Kortikaliskontakt besteht nicht mehr.
→ Klinik:
→ I: Schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk,
→ II: Schwellung und z.T. ausgeprägte Deformität des Ellenbogens infolge Antekurvationsfehlstellung, Rotationsfehlstellung und nicht zuletzt Seitenverschiebung,
→ III: Nicht selten kommt es zu einer Nervenläsion, am häufigsten ist der Nervus medianus > N. radialis > N. ulnaris betroffen.
→ IV: Evtl. Pulslosigkeit bei Läsion der A. brachialis bzw. radialis.
→ Diagnose:
→ I: DSM-Kontrolle ist obligat,
→ II: Röntgen: Des Ellenbogens in 2 Ebenen. Evtl. Darstellung von fat-pad-Zeichen, Zuhilfenahme der Rogershilfslinie zur Diagnosestellung. Bei Unsicherheit radiologischer Seitenvergleich.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Zur Beurteilung des Röntgenbildes ist die Kenntnis über die Ossifikationszentren von Bedeutung. Hier eine kurze Darstellung der Ossifikation anhand des Lebensalters.
→ 1) Capitulum humeri ossifiziert als erstes im Alter von 1-2 Jahren.
→ 2) Gefolgt von der Epicondylus medialis im Alter von 4 Jahren,
→ 3) Radiusköpfchen im Alter von 4 Jahren,
→ 4) Trochlea im Alter von 8 Jahren,
→ 5) Olekranon ossifiziert im Alter von 9 Jahren,
→ 6) Epicondylus lateralis im Alter von 10-11 Jahren.
→ 7) Und letztlich Fusion des Humerusschaftes im Alter von 14 Jahren.
→ B) Rogers-Hilfslinie: Diese wird im seitlichen Röntgenbild an der ventralen Humeruskortikalis platzierte; Die tangentiale Hilfslinie schneidet das Capitulum humeri am Übergang vom mittleren zum hinteren Drittel aufgrund der physiologische Kippung des Capitulum humeri von 30-40° gegenüber dem Schaft.
→ 1) Bei leicht dislozierten Extensionsfrakturen liegt der Schnittpunkt im vorderen Bereich des Capitulum oder vor ihm.
→ 2) Bei den selteneren leicht dislozierten Flexionfrakturen schneidet die Linie das hintere Drittel oder liegt hinter dem Capitulum.
→ Therapie:
→ I: Konservative Therapie: Sie ist bei Typ 1/2 Fraktur nach Laer mit einer Ante-/Rekurvationfehlstellung von < 20° indiziert. Ruhigstellung des betroffenen Arms mittels OA-Gips (oder Blount-Charnley-Schlinge) für 3-6 Wochen. Nach spätestens 5 Tagen sollte eine radiologisches Kontrolluntersuchung zum Ausschluss eines Rotationsfehlers oder einer sekundären Dislokation erfolgen.
→ II: Operative Therapie:
→ 1) Diese ist bei den Typ 1-2 Frakturen nach Laer mit einer Ante-/Rekurvationsfehlstellung von > 20°, sowie bei allen Typ 3 und 4 Frakturen indiziert. Es erfolgt in der Regel eine geschlossene Reposition; anschließend werden 2 Kirschnerdrähte (gekreuzt) zur Fixation über eine ulnare/radiale Hautinzision eingebracht und in der Gegenkortikalis verankert. Die Metallentfernung wird zumeist nach 3-6 Wochen durchgeführt.
→ 2) Alternativ hat sich insbesondere bei der Typ III und IV-Fraktur eine intramedulläre Nagelung bzw. ein radialer Fixateur externe etabliert.
→ Komplikationen:
→ I: Gefäßläsionen, insbesondere der Arteria/Vena brachialis bzw. radialis,
→ II: Nervenverletzungen, vor allem des Nervus medianus bzw. radialis,
→ III: Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit,
→ IV: Kompartmentsyndrom,
→ V: Ausbildung eines Cubitus varus/valgus bei Rotationsfehlstellungen mit konsekutiver Instabilität.
→ Prognose: Nur in 85% der Fälle heilt eine suprakondyläre Humerusfraktur Typ III/IV-Fraktur vollständig aus (das nach einem Jahr erreichte Bewegungsausmaß ist endgültig). Insbesondere Achsenfehlstellungen, im Sinne eines Cubitus varus, manifestieren sich.