→ Allgemein: Das Ellenbogengelenk setzt sich zusammen aus:
→ I: Der Articulatio humeroradialis,
→ II: Articulatio humeroulnaris und
→ III: Articulatio radioulnaris proximalis.
→ Epidemiologie:
→ I: Die distale Humerusfraktur gehört zu den häufigsten Frakturen im Wachstumsalter.
→ II: In bis zu 40% der Fälle tritt sie als offene Fraktur auf und in
→ III: Bis zu 45% weist die distale Humerusfraktur Begleitverletzungen auf.
→ Pathogenese:
→ I: Direkte Gewalteinwirkung: Durch Schlag, Stoß oder Sturz auf den Ellenbogen.
→ II: Indirekt Gewalteinwirkung: Durch Sturz auf die ausgestreckte Hand.
→ III: Bei der Frakturentstehung unterscheidet man nochmals zwischen Erwachsenen und Kindern:
→ 1) Kinder:
→ A) Meist durch Sturz auf die ausgestreckte Hand.
→ B) Oftmals (60-80%) handelt es sich um eine durch Biegungskräfte hervorgerufene suprakondyläre (extraartikuläre) Extensionsfraktur, seltener um eine Flexionsfraktur.
→ C) Weitere mögliche Frakturen sind die Abrissfraktur des Epicondylus humeri ulnaris oder des Condylus humeri radialis.
→ 2) Erwachsene:
→ A) Meist handelt es sich um stauchungsbedingte, Y-förmige Gelenkfrakturen (intraartikulär) bzw. um Trümmerfrakturen.
→ B) Seltener findet man isolierte suprakondyläre Oberarmfrakturen, eine Abrissfraktur des Epicondylus humeri ulnaris bzw. des Condylus humeri radialis.
→ Klassifikation: Die distale Humerusfraktur wird nach der AO-Klassifikation unterteilt in:
→ I: A- Frakturen: Extraartikuläre Frakturen:
→ A1: Abrissfraktur des Epicondylus humeri ulnaris,
→ A2: Suprakondyläre Fraktur,
→ A3: Suprakondyläre Mehrfragmentfraktur.
→ II: B-Frakturen: Intraartikuläre, unikondyläre Frakturen:
→ B1: Laterale (sagitale) Kondylenfraktur
→ B2: Mediale (sagitale) Kondylenfraktur,
→ B3: Frontal mit Abscherfraktur des Capitulum humeri.
→ III: C-Frakturen: Intraartikuläre, bikondyläre (komplexe) Frakturen:
→ C1: Y-Fraktur,
→ C2: Y-Fraktur mit suprakondylärer Mehrfragmentfraktur
→ C3: Einstauchungs- und Trümmerfraktur.
→ Klinik:
→ I: Es entwickelt sich rasch eine Schwellung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung.
→ II: Ausbildung eines Hämarthros, sowie abnorme Fehlstellungen.
→ III: Bei Begleitverletzungen kann es zu motorischen und sensorischen Ausfällen kommen.
→ IV: Begleitverletzungen: Der distalen Humerusfraktur sind insbesondere:
→ 1) Bei Fraktur der Epicondylus/Condylus humeri ulnaris besteht die Gefahr der Schädigung des Nervus ulnaris.
→ 2) Bei den suprakondylären Frakturen sind gerade die A. brachialis, der Nervus medianus und radialis betroffen.
→ 3) Wichtig hierbei ist die umfassende diagnostische Funktionsüberprüfung dieser neurovaskulären Strukturen.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Exploration des Unfallmechanismus sowie die Kontrolle der Durchblutung, Sensibiliät (N. radialis, N. medianus und N. ulnaris) und Motorik ist aufgrund der Begleitverletzungen obligat.
→ II: Röntgen: Ellenbogengelenk mit Oberarm in 2 Ebenen. Eventuell Schrägaufnahme zum Ausschluss möglicher Trochlea oder Capitulum humeri Absprengfrakturen.
→ III: Zumeist zur adäquaten Therapieplanung sowie bei unklarem Ausmaß sowie komplizierten intraartikulären Frakturen ist das CT bzw. MRT notwendig.
→ Klinisch-relevant: Der Nervus radialis verläuft vom mittleren zum distalen Drittel von dorsal nach radial um den Humerus etwa 7-10cm proximal der Gelenklinie. Durch den Frakturverlauf oder im Rahmen der therapeutischen Reposition kann der Nerv interponiert werden.
→ Therapie:
→ I: Konservative Therapie:
→ 1) Erwachsene: Diese ist nur in Ausnahmesituationen bei fehlender Dislokation indiziert. Es erfolgt die Anlage eines Oberarmgips für 4-6 Wochen.
→ Klinisch-relevant: Gerade bei der konservativen Therapie im Erwachsenenalter besteht ofmals die Gefahr der Ausbildung einer Pseudarthrose.
→ 2) Kinder: Bei fehlenden bzw. gering dislozierten suprakondylären Humerusfrakturen. Das konservative Verfahren erfolgt nach Blount-Charnley: Hierbei erfolgt die Ruhigstellung des betroffenen Arms durch maximale Flexionsstellung im Ellenbogengelenk und Fixation der Hand in der Charnley-Schlaufe für 3-4 Wochen.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Regelmäßige Pulskontrolle der Arteria radialis,
→ B) Regelmäßige radiologische Verlaufskontrollen zum frühzeitigen Nachweis einer möglichen sekundären Frakturdislokation.
→ II: Operative Therapie:
→ 1) Erwachsene: Diese ist bei allen dislozierten Frakturen indiziert. Der operative Zugang abhängig vom Frakturtyp:
→ A) A-1-Fraktur: Medialer oder lateraler Zugang, Darstellung des N ulnaris, Osteosynthese mittels Zugschrauben.
→ B) A2/A3-Fraktur: Dorsaler Zugang, Darstellung des N. ulnaris, V-förmige Olekranon-Osteotomie (große Übersicht), offene Reposition, Osteosynthese mittels Zugschauben oder winkelstabiler Platte, nachfolgende Reposition der Olekranon-Osteotomie und Fixation mittels Zuggurtung.
→ C) B1/B2-Fraktur: Medialer oder lateraler Zugang, offene Reposition, Osteosynthese mittels Zugschrauben.
→ D) B-3-Fraktur: Isolierte Fraktur des Capitulum humeri: Erweiterter lateraler Zugang mit offener exakte Reposition und nachfolgender Zugschraubenosteosynthese.
→ E) C-Fraktur: Dorsaler Zugang durch eine Olekranon-Osteotomie, exakte anatomische Rekonstruktion mittels Mini- oder Stellschrauben.
→ 2) Kinder:
→ A) Primär nicht reponierbare Frakturen bzw. suprakondyläre Humerusfrakturen: Möglichst geschlossene Reposition und Fixation mittels Kirschner-Draht.
→ B) Dislozierte Abrissfraktur der Epikondylus ulnaris: Offenen Reposition und Zuggurtung mittels Kirschner-Draht,
→ C) Condylus radialis Fraktur.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Schwere Weichteilverletzungen, Kompartmentsyndrom, floating elbow (= instabile Frakur des distalen Humerus und des proximalen Unterarms), sowie polytraumatisierte Patienten werden mittels gelenkübergreifenden Fixateur externe behandelt.
→ B) Die Materialentfernung erfolgt meist erst nach 1-2 Jahren.
→ Komplikationen: Wichtige und z.T schwerwiegende Komplikationen bei der distalen Humerusfraktur sind u.a.:
→ I: Infektionen,
→ II: Kompartment-Syndrom,
→ III: Dauerhafte Schädigung des Nervus ulnaris, - radialis oder medianus.
→ IV: Meist auch nach exakter anatomischer Reposition besteht eine deutliche Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk.
→ V: Periartikuläre Ossifikation,
→ VI: Entwicklung einer Pseudarthrose.
→ VII: Weitere Komplikationen: Insbesondere auch bei Kindern sind u.a.:
→ 1) Achsenfehlstellung mit Ausbildung eines Cubitus valgus/varus,
→ 2) Rotationsfehlstellungen gerade bei den suprakondylären Frakturen.
→ 3) Bei Schädigung der Epiphysenfuge können sich Wachstumsstörungen entwickeln.