Definition: Die Achillessehne wird gemeinsam durch die Endsehnen des M. soleus und des M. gastrocnemius gebildet und setzt an der Tuber calcanei an. Eine partielle oder komplette Kontinuitätsunterbrechung im Verlauf der Tendo calcanei wird als Achillessehnenruptur bezeichnet. Der Riss kann am muskulotendinösen Übergang, intratendinös oder am knöchernen Ansatz erfolgen; sie ist jedoch zumeist im mittleren Drittel lokalisiert.

 Epidemiologie: Bei der Achillessehnenruptur handelt es sich um die häufigste Sehnenruptur in Deutschland mit einer Inzidenz von 5000/Jahr. Sie betrifft vorwiegend untrainierte Männer zwischen dem 30.-50. Lebensjahr (Männer : Frauen 4 : 1). Die Rupturstelle liegt typischerweise 3-6cm proximal der Ansatzstelle; bei Jugendlichen ist zumeist ein knöcherner Ausriss am Kalkaneus nachweisbar (= sogenannte Entenschnabelfraktur).

 

Ätiologie:

→ I: Meist ist eine degenerative Veränderung durch z.B. Medikamente wie Kortikosteroide, Antibiotika, aber auch durch eine chronischen Überbelastung und systemische Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus) der Achillessehne (verminderte Durchblutung, Kalzifizierung, aber auch im Rahmen einer Haglund-Ferse mit chronisch rezidivierender Achillodynie) eruierbar.

→ II: Charakteristischerweise handelt es sich um ein indirektes Traumata, das durch eine focierte Kontraktion der Wadenmusmuskulatur durch plötzliches Starten oder Abbremsen (Tennis, Basketball, Skifahren) hervorgerufen wird.

→ III: Selten aufgrund eines direkten Traumata wie Stoß oder Schlag auf die Achillessehne.

 

Klassifikation:

→ I: Proximaler Bereich: Ruptur der Achillessehne am Übergangsbereich des Muskel-Sehnen-Übergangs, vor allem am medialen Gastroknemiuskopf.

→ II: Mittlerer Bereich: Häufigste Form; die Sehnenruptur befindet sich 3-6cm proximal der Ansatzstelle (= Loco typico). Dieser Bereich weist eine hypovaskuläre Versorgung auf und spielt daher möglicherweise eine bedeutsame Rolle bei der Pathogenese.

→ III: Distaler Bereich: Distale Ruptur mit knöchernem Ausriss am Kalkaneus (= Entenschnabelfraktur; siehe auch Kalkaneusfraktur).

 

Klinik:

→ I: Kardinalssymptom ist ein plötzlicher, reißender, peitschenhiebartiger Schmerz und ein hörbares Knallen oder Schnalzen.

→ II: Sofortiger Verlust der Plantarflexion; eine Restbeugung des Fußes ist aufgrund der tiefen Beugemuskulatur jedoch noch möglich.

→ III: Der Einbeinzehenstand der betroffenen Extremität ist nicht mehr möglich.

→ IV: Weitere Symptome: Sind Druckdolenz, Schwellung, Hämatombildung durch starke Einblutung in die Haut und evtl. eine tastbare Delle im Sehnenverlauf.

614 Klinik abhängig vom Typ der Achillessehnenruptur

 

Klinisch-relevant: Durch die erhaltenen Sehnen des M. tibialis posterior, des M. peroneus und des M. plantaris ist eine Plantarflexion im Liegen aktiv noch möglich.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:

→ 1) Kontinuitätsunterbrechung als tastbare Delle im Verlauf der Achillessehne (die Sehnenstümpfe sind eindeutig tastbar und seitlich verschiebbar), der Achillessehnenreflex ist negativ, ein Einbein-Zehenstand nicht möglich.

→ 2) Thompson-Test: (negativ) Fehlende Plantarflexion bei Kompression der Wade.

615 Wichtige klinische Diagnosekriterien der Achillessehnenruptur

II: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Sonographie/(MRT): Mittel der Wahl bei der Achillessehnenruptur mit Darstellung charakteristischer Veränderungen wie der Kontinuitätsunterbrechung, Dehiszenz sowie abgrenzbarer Sehnenenden (meist 4-5cm oberhalb des kalkanearen Ansatzes) und Messung des Abständes zwischen den Sehnenenden. Weitere sonographische Zeichen sind u.a. Auflockerung der parallelen, streifigen Strukturen sowie echoarme Flüssigkeitsansammlung im Rupturbereich etc.

2) Röntgen: Röntgen in 2 Ebenen (Rückfuss seitlich und Kalkaneus axial) zum Ausschluss knöcherner Ausrissverletzungen.

 

Therapie:

→ I: Konservative Therapie: Sie ist indiziert, wenn:

1) Eine Partialruptur der Achillessehne besteht,

→ 2) Die Ruptur im proximalen Bereich am muskulotendinösen Ubergang lokalisiert ist.

→ 3) Die Distanz zwischen den Sehenenden in Neutralstellung < 0,5-1cm liegt bzw. in 20° Plantarflexion vollständig adaptieren.

→ 4) Ein erhöhtes OP-Risiko besteht sowie eine reduzierte Wundheilung aufgrund eines Diabetes mellitus, Kortison-Einnahme, Niereninsuffizienz nachweisbar ist.

→ II: Verfahren:

→ 1) Anlage einer Unterschenkelgipsschiene in 20° Plantarflexionsstellung (Spitzfußstellung) für einige Tage bis zur Abschwellung.

2) Nachfolgend Anlage eine Spezialschuhs mit einem 3cm hohen Absatz (unter Vollbelastung) für 2 Wochen, anschließende Reduktion auf 2cm für 2 Wochen und schließlich eine weitere Reduktion des Schuhabsatzes auf 1cm für weitere 2 Wochen.

3) Ab der 1. Woche erfolgt begleitend eine Physiotherapie. Das Re-Rupturrisiko ist bei diesem Verfahren jedoch deutlich erhöht.

III: Operative Therapie:

→ 1) Indikation: Ist:

→ A) Frische Ruptur und ungenügende Annäherung der Sehnenstümpfe bei 20° Plantarflexion,

→ B) Junge ambitionierte Sportler sowie Hochleistungssportler.

→ C) Versagen der konservativen Therapie bzw. Reruptur und nicht zuletzt ossäre Ausrisse.

→ 2) Verfahren:

→ A) End-zu-End-Sehnennaht nach  Kessler und Kirchmyr, die das Risiko für WIndheilungsstörungen und Infektionen reduzieren. Ein weitere operative Alternative ist die Durchflechtungsnaht mit einem langsam-resorbierbaren Faden (PDS; Maxon), evtl. unter Einbeziehung des M. plantaris longus. Hierdurch erlangt die Sehen eine höhere Festigkeit und die Gefahr der Reruptur ist deutlich geringer.

→ B) Knöcherner Sehnenausriss: Refixierung mittels Schrauben

616 Operative Techniken der Achillessehnenruptur

IV: Postoperative Behandlung:

→ 1) Postoperative sonographische Untersuchung zur Kontrolle des Gleitverhaltens der betroffenen Achillessehne. 

→ 2) Immobilisation mit Hilfe einer Unterschenkelliegegipsschiene in 20° Plantarflexion für 8-10 Tage. Weitere 2 Wochen im Unterschenkelgehgips in 20° Spitzfußstellung sowie je 2 Wochen in 10° Plantarflexion und anschließend in Neutralstellung.

3) Nach Achillessehnenruptur besteht ein 3-monatiges Sportverbot.

 

Komplikationen:

→ I: Wundheilungsstörungen und Wundinfektion,

II: Tiefe Beinvenenthrombose,

→ III: Reruptur: Bei der konservativen Therapie liegt das Risiko bei 5% bei der Operation bei 2%.

→ IV: Läsion des Nervus suralis.