Definition: Bei der postoperativen/posttraumatischen Osteitis handelt es sich um eine lokale infektiöse Knochenentzündung aufgrund einer exogenen Keimeinschleppung.

Ätiologie: Die Ursache ist von mehreren Faktoren abhängig:

→ I: Der Keimeinschleppung:

→ 1) Offene Frakturen,

→ 2) Schwere Weichteilverletzungen,

→ 3) Infizierte Endoprothesen.

II: Der Virulenz des Keims: Und der Abwehrlage des Organismus. Nicht selten handelt es sich um eine Infektion mit dem multiresistenten Staphylokkokus aureus. Zudem führt eine schlechte Abwehrlage des Organismus z.B. bei Neoplasien, Immunsuppression, aber auch bei Systemerkrankungen wie Diabetes mellitus zu einer Ausbreitung der Infektion.

III: Der posttraumatische Versorgung: Sowohl die Erstversorgung am Unfallort (erster Verband) als auch das nachfolgende stationäre posttraumatische Management haben eine große Bedeutung.

IV: Weiteren Vorerkrankungen:

→ 1) Durchblutungsstörungen,

→ 2) Postthrombotisches Syndrom

3) Einnahme von Zytostatika, Kortison und Immunsuppressiva.

→ 4) Systemerkrankungen: Wie Nutritionsstörungen, Niereninsuffizienz etc.

→ V: Erregerspektrum: Überwiegend ist der Staphylokokkus aureus, seltener Steptokokken und E. coli nachweisbar.

 

  Klinik: Die Klinik kann akut oder chronisch verlaufen:

→ I: Akute Verlaufsform: Findet man meist einige Tage bzw. evtl. Wochen nach dem traumatischen Ereignis mit:

→ 1) Harmlosen Wundheilungsstörungen,

→ 2) Zunahme des postoperativen/posttraumatischen Wundschmerzes und der Schwellung, evtl. Überwärmung.

→ 3) Temperaturanstieg und Erhöhung der Entzündungsparameter.

II: Chronische Verlaufsform:

→ 1) Sofern keine akuter Schub besteht fehlen Krankheitszeichen.

→ 2) Lokal zeigen sich Indurationen und Fistelbildungen im Wundbereich.

 

  Diagnose:

→ I: Labor: Bestimmung der Leukozyten, der BSG und der CRP.

 

  Klinisch-relevant: Während gerade im Frühstadium der akuten Verlaufsform Leukozyten und BSG z.T. unauffällig sind, ist das CRP meist deutlich erhöht und dient auch zur Beurteilung der Verlaufskontrolle.

 

  II: Mikrobiologischer Keimnachweis: Aus dem Wundsekret (Wundabstrich) ggf. Punktion.

III: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Röntgen: Im Frühstadium wenig aussagekräftig, nach ca. 3 Wochen zeigen sich Strukturauflockerungen und Demineralisierungen, Osteolysen mit Randsklerosierung.

2) CT/MRT: Gut geeignet zur Beurteilung der Sequesterbildung und der Demineralisierung.

3) 3-Phasen-Knochenszintigraphie: Die Knochenszintigraphie dient der Beurteilung der Entzündungsaktivität, ist jedoch auch bei frischen Frakturen positiv. Zur Differenzialdiagnose dient hierbei die Leukozytenszintigraphie.

 

  Therapie: Die einzige Therapieoption bei der posttraumatischen/postoperativen Osteitis ist die operative Sanierung. Folgende Therapieprinzipien bestehen:

→ I: Debridement von Knochen und Weich-teilen,

→ II: Stabilisierung,

→ III: Knöcherner Defektaufbau

→ IV: Weichteildeckung

→ V: Antibakterielle Therapie.

 

Verfahren:

→ I: Intraoperative, parenterale Gabe eines Breitbandantibiotikums; nach Antibiogramm gezielte antibiotische Therapie.

II: Chirurgisch:

→ 1) Radikale Ausräumung des Infektionsherdes und der Nekroseareale, Sequesterektomie, sowie die Entfernung des Osteosynthesematerials.

→ 2) Antiseptische Spülung der Region.

3) Nachfolgende Einlage einer gentamycinhaltigen PMMA-Kette oder eines antibiotikumgetränkten Kollagenvlies.

→ 4) Ggf. erfolgt eine Vakuumtherapie mittels VAC-Schwamm. Hierbei wird die kontaminierte Wundflüssigkeit kontinuierlich unter Sog abgesaut und gleichzeitig die Bildung von Granulationsgewebe gefördert.

→ 5) Die Stabilisierung wird durch einen Fixateur externe (→ AO-Fixateur oder Ilisarow-Ringfixateur) erreicht.

6) Second-Look-Operation:

→ A) Hierbei erfolgt evtl. ein erneutes Debridement oder die Entfernung der PMMA-Kette.

→ B) Bei größeren Knochendefekten ist entweder eine autologe Spongiosaplastik bzw. die Transplantation eines kortikospongiösen Spans indiziert.

→ C) Bei großen Weichteildefekten erfolgt die Deckung mit einem gestielten oder freien Muskelhautlappen.

→ D) Bei langstreckigen Knochendefekten ist evtl. eine Kallusdistraktion (nach Ilizarow) notwendig.

 

Klinisch-relevant: Bei der Kallusdistraktion handelt es sich um ein chirurgisches Verfahren zur Verlängerung eines Knochens. Der zu verlängernde Knochen wird operativ durchtrennt und mittels Fixateur externe über einen längeren Zeitraum kontinuierlich in Längsrichtung auseinander bewegt. Dabei ensteht zwischen den Frakturhälften neue Knochensubstanz.

 

Komplikationen: sind:

→ I: Infektionsrezidiv: Besteht bei langbestehenden Osteitiden und sollte mittels Aufbohrung des Markraums und nachfolgender Eröffnung der Herde behandelt werden.

→ II: Pseudarthrose:  Eine infizierte Pseudarthrose entwickelt sich bei Persistenz der Infektion und ausbleibender Knochenheilung. Die Therapie erfolgt in der radikalen Ausräumung des Infektionsherdes und anschließender Knochentransplantation bzw. Kallusdistraktion mit Weichteildeckung.

→ III: Fistelkarzinom: Im Rahmen einer chronischen Osteitis kann sich ein Filstelkarzinom, welches nur sehr schwer zu diagnostizieren ist, entwickeln. In diesem Zusammenhang sollten eine über Jahre bestehende Fisteln bioptisch auf Karzinomzellen untersucht werden.