Definition: Bei der Meniere Krankheit handelt es sich um eine Erkrankung des Vestibularorgans und sie ist durch eine charakteristische Symptomtrias bestehend aus rezidiverenden akuten Drehschwindelattacken, Tinnitus und Hörverlust gekennzeichnet. Es existieren Sonderformen des Morbus Meniere:

46 Sonderformen des Morbus Meniere

 

Epidemiologie:

→ I: Die Inzidenz für den Morbus Meniere liegt in Deutschland bei 50/100000 und es zeigen sich geographische Unterschiede (17/100000 Japan, 150/100000 USA).

II: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 40.-60. Lebensjahr, wobei Frauen und Männer gleich häufig betroffen sind (Kinder seltener).

 

Ätiopathogenese: Der Morbus Meniere stellt eine Labyrintherkrankung unklarer Genese dar.

→ I: Pathophysiologisch manifestiert sich ein endolymphatischer Hydrops wahrscheinlich aufgrund einer Resorptionsstörung der Endolymphe im Sacculus endolymphaticus und konsekutiver lokaler Störung der Ionenhomöostase (Kaliumintoxikation mit Lähmung des Bodengangsnervs).

47 Anatomie der Chochlea

→ II: Die Drehschwindelattacken werden durch rezidivierende Ruptur einer Membran zwischen Endo- und Perilymphe (= Reissner-Membran) verursacht. Eine Hypakusis lässt sich auf eine Druckatrophie kochleärer Neuronen erklären.

III: Auslösemechanismen sind u.a. (bzw. werden diskutiert):

→ 1) Idiopathisch (familiäre Komponente), aber auch chronisch rezidivierende viraler oder bakterielle Infektionen z.B. Herpes zoster oticus, Meningitis, etc.

→ 2) Zustand nach Labyrinthitis.

3) Autoimmunschädigung des Labyrinths (= Cogan-Snydrom).

→ 4) Weitere mögliche Ursachen sind u.a. Trauma, hormonelle Dysregulation, Durchblutungsstörungen.

 

Klinik: Im Mittelpunkt der klinischen Symptomatik steht die Symptomtrias besteht aus plötzlichen heftigen Drehschwindel mit Fallneigung, Hörminderung (einseitig mit Hörverlust im Tief- und/oder Mittelfrequenzbereich) und Tinnitus (tieffrequent, rauschend). Die Patienten werden von den Schwindelattacken plötzlich ohne Auslöser, auch aus dem Schlaf, überfallen.

→ I: Weitere Symptome: Sind insbesondere:

1) Fakultativ Druckgefühl auf dem Ohr.

→ 2) Nausea und Erbrechen.

→ 3) Aber auch Bradykardie, Hyperhidrosis und nicht zuletzt Diarrhoe.

→ II: Charakteristischerweise klingen die Schwindelanfälle innerhalb von Minuten (20min) bis Stunden (nicht mehr als 24 Stunden) spontan wieder ab.

 

Klinisch-relevant: Im symptomfreien Intervall normalisiert sich zunächst das Hörvermögen; jedoch mit Zunahme der Attackenfrequenz persistiert

dann auch die Hypakusis und der Tinnitus.

 

Diagnose: Im Mittelpunkt der Diagnose stehen u.a.:

I: Anamnese mit Nachweis der charakteristischen Symptomtrias (Schwindelattacke, Hörminderung und Tinnitus).

→ II: Nystagmogramm: Horizontaler Spontannystagmus zum kranken Ohr in der Reizphase und wechselnd zum gesunden Ohr in der Ausfallphase (zudem kalorische Untererregbarkeit).

→ III: Wenn die Hörminderung nicht komplett ist, dann zeigt sich typischerweise ein positives Recruitment-Phänomen.

IV: Beim akustisch evozierten Potenzial (AEP) ist eine Innenohrschwerhörigkeit nachweisbar.

→ V: Evtl. Bildgebung mit MRT von Kopf und Hals zum Ausschluss einer Raumforderung im Kleinhirnbrückenwinkel.

→ VI: Histologie: Histologisch lassen sich Verklebungen und Verwachsungen im Saccus endolymphaticus insbesondere im Bereich der Pars rugosa und distalis nachweisen. Zudem zeigt sich eine deutliche subepitheliale Fibrose im Saccus. 

 

Differenzialdiagnose: Vom Morbus Meniere müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Akuter Hörsturz mit Druckgefühl auf dem Ohr und Tinnitus (gelegentlich auch von Schwindel begleitet).

→ II: Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel.

→ III: Neuritis vestibularis.

→ IV: Weitere Differenzialdiagnosen: Sind insbesondere:

1) Vestibularisparoxysmie,

→ 2) Vestibuläre Migräne.

→ 3) Perilymphfistel.

50 Differenzialdiagnosen des Morbus Meniere

 

Therapie: Ziel der Behandlung des Morbus Meniere ist die Reduktion der Anfallfrequenz und -stärke.

I: Im akuten Anfall:

→ 1) Mit schwerer Nausea stehen insbesondere Antivertiginosa (z.B. Flunarizin, Cinnarizin, Sulpirid, etc.) und Antiemetika evtl. auch Sedativa (z.B. Benzodiazepine) im Vordergrund.

→ 2) Weitere Maßnahmen sind u.a. Bettruhe, salzarme Kost, Alkoholkarenz, etc.

→ II: Anfallsprophylaxe mit Betahistin (= Histaminanaloga), alternativ Applikation von Sulpirid, Arlevert, etc.

49 Histaminanaloga in der Therapie des Morbus Meniere

III: Intratympanale Applikation einer ototoxischen Substanz wie Gentamycin (über Paukenröhrchen vor dem runden Fenster liegenden Katheter oder Trommelfellpunktion) zur Ausschaltung des sekretorischen Epithels.

→ IV: Chirurgische Interventionen:

→ 1) Eröffnung des Saccus endolymphaticus (via Mastoidektomie) zur Verhinderung einer Drucksteigerung im Endolymphraum.

→ 2) Labyrinthektomie.

→ 3) Ausschaltung des Hirnnerv VIII (N. Vestibulocochlearis).

 

Prognose: Allgemein sind die Schwindelattacken beim Morbus Meniere unvorhersehbar, rezidivierend und entwickeln mit zunehmender Attackenfrequenz ein Persistieren von Schwerhörigkeit und Tinnitus sowie einen bilateralen Befall. Im Krankheitsverlauf von 5-10 Jahren zeigt sich bei 80-90% der Patienten dann aber ein spontanes Sistieren der Erkrankung (der Hörverlust bleibt jedoch bestehen).