Definition: Beim Morbus Whipple handelt es sich um eine seltene chronisch systemische Infektionskrankheit, die sich charakteristischerweise im Gastrointestinaltrakt manifestiert. Eine fakultative Beteiligung des zentralen Nervensystems besteht, in seltenen Fällen kann es sogar zu isolierten ZNS-Symptomen kommen.

 

Epidemiologie:

→ I: Der Morbus Whipple stellt in Deutschland eine seltene Infektionserkrankung dar; eine ZNS Beteiligung liegt bei etwa 6-20% der Fälle.

→ II: Der Manifestationsgipfel liegt vor allem im mittleren Lebensalter (um das 50. Lebensjahr), wobei Männer deutlich häufiger als Frauen betroffen sind (M : F = 8 : 1).

 

Ätiopathogenese: Bei dem Erreger des Morbus Whipple handelt es sich um das Tropheryma Whipplei aus der Klasse der Aktinobakterien.

→ I: Die Übertragung erfolgt durch orale Aufnahme des Bakteriums, das man vor allem im Boden und Abwasser antrifft.

→ II: Die Replikation des Tropheryma Whipplei vollzieht sich intrazellulär im sauren Phagolysosom und führt zu entzündlichen Herden in:

→ 1) Hypothalamus,

2) Ventralen Basalganglien,

→ 3) Medialen Temporallappen,

→ 4) Tektum und Tegmentum (Mittelhirn, Pons), aber auch

→ 5) Zerebellum und Rückenmark; betroffen ist hierbei insbesondere die graue Substanz.

 

Klinik:

→ I: Allgemeinbeschwerden wie Abgeschlagenheit, Fieber, Arthralgien, etc.

→ II: Gastrointestinale Symptome: Mit abdominalen Schmerzen, chronischer Diarrhö, Steatorrhö und nicht zuletzt Gewichtsverlust.

→ III: Neurologische Symptome: Zumeist fakultativ, selten isoliert ohne eine gastrointestinale Symptomatik:

→ 1) Primär-enzephalitisch: Kopfschmerzen, Myoklonien, Ataxie, supranukleäre Ophtalmoplegie, okulomastiktorische Myorhythmie (hierbei handelt es sich um einen langsamen 1Hz pendelnden konvergenten und divergenten Nystagmus im Rhythmus mit unwillkürlichen Kontraktionen der Kaumuskulatur; seltener mit anderen Muskelgruppen; dieses Symptom ist pathognomonisch für den zerebralen M. Whipple und kontinuierlich unabhängig von Schlaf, Umwelteinflüssen oder Koma) sowie epileptischen Krampfanfällen (fokal, sekundär generalisiert).

→ 2) Psychiatrisch: Hypersomnie, Persönlichkeitsveränderungen, Depression, aber auch Orientierungsstörungen, bis hin zu Gedächtnisstörungen und Demenz.

→ 3) Selten PolyneuropathieRadikulitis, Myositis oder Meningitis.

 

Klinisch-relevant: Bei hypothalamischer Beteiligung manifestieren sich Symptome wie Polydypsie, Polyphagie, Hypothermie und nicht zuletzt Libidoverlust. 

 

→ IV: Weitere Symptome: Sind u.a. Uveitis und eine kultur-negative Endokarditis.

 

Diagnose: Einr neurologische Zusatzdiagnostik ist sowohl wichtig für die Erfassung einer subklinischen Beteiligung des Nervensystems, als auch für den weiteren Krankheitsverlauf.

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Mit Eruierung der charakteristischen neurologischen und psychiatrischen Beschwerden.

→ II: Liquoruntersuchung:

→ 1) Gemischtzellige Pleozytose im Liquor cerebrospinalis erreichen bis zu 400 Mpt/l (jedoch bleibt der Liquorbefund in 30% der Fälle unauffällig).

→ 2) Diagnosebeweisend ist der Nachweis Makrophagen mit PAS-positiven Einschlüssen (= sogenannte sickle-form particle-containing cells = SPC) in den beteiligten Geweben und Körperflüssigkeiten.

076 Klinisch diagnostische Kriterien für einen eindeutigen zerebralen Morbus Whipple

 → III: MRT: (T2-gewichtet) Signalhyperintensität in den entzündlich veränderten Gebieten, insbesondere um den III. und IV.- Ventrikel. Evtl. ist auch ein Hydrozephalus nachweisbar.

→ IV: Biopsie: Jejunum- oder (Hirn)-Biopsat mit Nachweis von:

→ 1) PAS-positiven Einschlusskörperchen (= SPC-Zellen).

→ 2) Immunhistochemie mit Anti-Tropheryma.Whipplei-Antikörper.

 3) Weitere Untersuchungen: Wie PCR, Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung und Transmissionselektronenmikroskopie zum Erregernachweis.

 

Therapie: Ohne adäquate antibiotische Therapie endet der Morbus Whipple aufgrund seiner Progredienz überwiegend letal. Die medikamentöse Therapie teilt sich auf in eine:

→ I: Initialtherapie: Über 2 Wochen mit Ceftriaxon 2g/d i.v. Alternativ kann Penicillin G (6-24 Mio. Einheiten/d i.v.) plus Streptomycin (1g/d i.m. oder i.v.); und eine

→ II: Erhaltungstherapie: Sie erfolgt über ein Zeitintervall von mindestens einem Jahr.

→ 1) Standarderhaltungstherapie: Cotrimoxazol in einer Dosis von 2x 160/800mg/d p.o. Hierbei wurden intrinsische oder genetischen Resistenzen des T. Whipplei gegen Trimethoprim beschrieben.

2) Alternative Erhaltungstherapie: Tetracyclin (Doxycyclin 200mg/d p.o.) in Kombination mit Hydroxychloroquin (3x 200mg/d p.o.) insbesondere bei zerebraler Manifestation, aber auch Cefixim in einer Dosis von 400mg/d p.o.

075 Antibiotische Therapie des zentralnervösen Morbus Whipple

 

Prognose:

→ I: Insbesondere bei zerebraler Beteiliung weist der Morbus Whipple einen progredienten Krankheitsverlauf auf, sodass nur ein frühzeitiger medikamentöser Therapiebeginn die Progression positiv beeinflussen kann (es werden in bis zu 25% der Fälle Rezidive beobachtet).

→ II: Nicht selten bleiben (v.a. in späteren Stadien) z.T. erhebliche neurologische Defizite bestehen.