Definition: Beim Morbus Whipple handelt es sich um eine seltene, chronische (rezidivierende) Multisystemerkrankung, deren Hauptsymptom das Malabsorptionssyndrom ist. Sie wird durch eine Infektion mit dem Aktinobakterium, Tropheryma whipplei, hervorgerufen. Tropheryma whipplei ist ein (gram-positives) stabförmiges Bakterium mit einer Länge von ca. 1,5-2,0µm (im Elektronenmikroskop zeigt sich eine prominente Dreischichtigkeit der Zellmembran).

 

Epidemiologie: Der Morbus Whipple stellt eine sehr seltene sowie sporadisch auftretende Erkrankung dar und manifestiert sich fast ausschließlich bei der weiße Bevölkerung, wobei Männer mit 80% der Fälle deutlich häufiger betroffen als Frauen. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 3. und 5. Lebensjahrzehnt.

 

Ätiologie: Die genaue Pathogenese ist noch nicht gänzlich geklärt. Eine bedeutende Annahme ist u.a.: 

 I: Infolge eines zellulären Immundefektes kommt es zur Bakterieninvasion des Tropheryma whipplei in die Darmmukosa. Diese breiten sich lymphogen im Organismus aus (insbesondere in der Dünndarmmukosa und den mesenterialen Lymphknoten) und können sich hierüber auch in extraintestinalen Organen wie Herz, Gehirn oder Gelenke manifestieren. PAS-(period-acid-Schiff) positive Makrophagen phagozytieren die Tropheryma und bilden sichelförmige Plasmaeinschlüsse aus (sie werden auch als Sickle-form-particle-containing-cells = SPC-Zellen bezeichnet).

 II: Durch die Verstopfung der Lymphgefäße mit PAS-positiven Material kommt es zu einer Erweiterung der Mukosalymphgefäße.

 

Klinik: Es können unspezifische Arthralgien und nicht-destruierende Arthritiden (meist akuter Beginn mit starken Schmerzen und zumeist auf die großen Gelenke beschränkt) über Jahre der eigentlichen Symptomatik vorausgehen.

→ I: Allgemeinsymptome: Fieber, eine bräunliche Hautpigmentierung, enteraler Eiweißverlust, Lymphknotenschwellung und eine sich im weiteren Verlauf entwickelnde Steatorrhoe (Stuhlfett > 7g/d) sind kennzeichnend für den Morbus Whipple.

 II: Abdominal: Wässrige Diarrhoe, Steatorrhoe, Abdominalschmerzen, Gewichtsverlust, aber auch okkulte intestinale Blutungen sind häufig anzutreffen. Weitere charakteristische Symptome sind Aszites, Ödeme, Hepatosplenomegalie sowie vergrößerte periphere und mesenteriale Lymphknoten. 

III: Extraintestinal:

→ 1) Enterohepatische sero-negative Arthritis oder Sakroiliitis (in 5% der Fälle) z.T viel früher.

2) Kardial: Endokarditis mit Klappeninsuffizienz (insbesondere Aorten- und Mitralinsuffizienz, aber auch Trikuspidalstenose, etc.), Perikarditis.

3) Neurologische: (= zerebraler Morbus Whipple) Cerebelläre Störungen äußern sich der Ophthalmoplegie, Nystagmus und Ataxie. Weitere Symptome sind Myoklonien, Krampfanfälle und selten Paresen, aber auch eine psychiatrische Symptomatik im Sinne von Schlafstörungen (Schlaf-Wach-Rhythmik), Persönlichkeitsveränderungen, demenziellen Störungen (Demenz) und der Wernicke-Enzephalopathie können eruierbar sein.

4) Weitere Symptome: Polyserositis, bräunliche Hautpigmentierung, periphere Lymphknotenschwellung und Splenomegalie (5-20% der Fälle).

939 Klinische Manifestationen des Morbus Whipple

 

Diagnose:

→ I: Labor: Es gibt für den Morbus Whipple keine beweisenden Laborveränderungen:

 1) Beschleunigte BSG, CRP erhöht, Leukozytose, Lymphozytopenie, Hypalbuminämie und nicht zuletzt hypochrome Anämie.

→ 2) Zeichen einer Malabsorption mit Verminderung von Serumcarotin, Vitamin D, K, B12 und Folsäure, etc.

→ 3) Hämoccult: im Stuhl positiv.

II: Endoskopie und Biopsie: Die Dünndarmbiopsie, die mehrmals in den verschiedenen Dünndarmabschnitten erfolgen sollte (Biopsieentnahme sollte im proximalen und distalen Duodenum und wenn möglich im Jejunum jenseits des Treitz-Bandes erfolgen), ist das beweisende Nachweisverfahren:

→ 1) Endoskopisch zeigt sich eine erythematöse oder erosive oft auch kontaktvulnerable Mukosa. Zusätzlich sind häufig zahlreiche weißliche bis gelbliche punktförmige Auflagerungen (= Lymphzysten) erkennbar.

2) Nachweis der Infiltration PAS-positiver Makrophagen (bzw. PAS-positive Granula in den Makrophagen), sogenannter SPC-Zellen (PAS-Färbung).

3) PCR zum Nachweis von Tropheryma-Whipplei-DNA im Biopsat. Auch die Kontrolle der Liquorflüssigkeit ist von besonderer Bedeutung, da bei etwa jedem 2. Patient zum Zeitpunkt der Diagnose Tropheryma whipplei (mittels PCR) nachweisbar sind.

4) Elektronenmikroskopisch: Nachweis von stäbchenförmigen Bakterien.

III: Bildgebung Sonographie/CT: Sonographisch zeigt sich eine verdickte Dünndarmwand. Die Mucosa ist ausgesprochen echoreich, was insbesondere durch die Lipideinlagerung und die zystisch-erweiterten Lymphgefäße verursacht wird. Auch sind vergrößerte mesenteriale und retroperitoneale Lymphknoten darstellbar. Nicht zuletzt ist in den Dünndarmschlingen, der Diarrhoe entsprechend, ein großer Anteil an Flüssigkeit sowie eine lebhafte Peristaltik nachweisbar.

 

Differenzialdiagnose: Der Morbus Whipple muss vor allem von allen anderen Formen des Malassimilationssyndrom, dem Eiweißverlust-Syndrom sowie von einer Infektion mit dem Mykobakterium avium intracellulare abgegrenzt werden.

 

Therapie:

→ I: Initialtherapie: Zu Therapiebeginn ist eine 2-wöchige Gabe von Penicillin G in einer Dosierung von 1,2 Millionen U i.v. kombiniert mit Streptomycin 1g/d i.m. indiziert; alternativ kann Ceftriaxon 2g/d i.v. verabreicht werden.

II: Erhaltungstherapie: Gabe von Cotrimoxazol 160/800mg/d über 1 Jahr, alternativ kann Doxyzyklin appliziert werden.

→ III: Zur Vermeidung eines ZNS-Rezidivs sollte ein liquorgängiges Antibiotika verabreicht werden.

 

→ Prognose: Unbehandelt endet diese Erkrankung innerhalb von Monaten zumeist letal. Bei adäquater, medikamentöser Behandlung stellt sich jedoch rasch eine Restitutio ad integrum der Symptomatik ein. Das frühzeitiges Absetzen der antibiotischen Therapie führt allerdings häufig zu Rezidiven.