→ Definition:
→ I: Bei der Perikarditis handelt es sich um eine Entzündung der beiden Herzbeutelblätter (Lamina visceralis und Lamina parietalis), wobei das angrenzende Myokard nicht selten mitbetroffen ist = Perimyokarditis.
→ II: Man unterscheidet je nach Dauer der Erkrankung zwischen einer:
→ 1) Akuten Perikarditis: Mit Fieber und allgemeine Entzündungszeichen sowie kardialen Symptomen wie Tachykardie und linksthorakale oder epigastrische Schmerzen, die sich durch Bewegungen, Atmen oder Husten verstärken.
→ 2) Chronischen Perikarditis: (> 3 Monate) Zumeist a- oder oligosymptomatischer, klinischer Verlauf. Evtl. manifestieren sich Symptome einer Rechtsherzinsuffizienz oder Zeichen einer Perikardtamponade.
→ 3) Chronisch konstriktive Perikarditis.
→ Epidemiologie: Die tatsächliche Inzidenz liegt deutlich als die klinisch erfasste von 1: 1000 Patienten, da sie oftmals klinisch stumm (inapparent) verläuft.
→ Ätiologie:
→ I: Die akute Verlaufsform ist meist viral (30-50%) verursacht.
→ II: Die chronische Perikarditis beruht häufig auf Autoimmunprozessen, wird aber auch durch eine TBC, Urämie, Kollagenosen und Malignome hervorgerufen.
→ III: Infektiöse Perikarditis:
→ 1) Viren: Coxsackie A/B, Parvovirus B19, Adenoviren, Echoviren, seltener EBV, CMV oder HIV.
→ 2) Bakterien: Seltene Form, zumeist hämatogen im Rahmen einer Sepsis durch Pneumokokken, Meningokokken, Mykobakterien, Staphylokokkus aureus, Haemophilus etc. verursacht.
→ 3) Mykotisch zumeist durch eine Candidainfektion hervorgerufen.
→ IV: Autoimmunprozessen: Rheumatisches Fieber, SLE, rheumatoider Arthritis, Kawasaki-Syndrom, nach Myokardinfarkt (Dressler-Syndrom/Anti-SMA: 1-6 Wochen nach einem Myokardinfarkt bzw. herzchirurgischen Eingriffen kann sich eine fiebrige Perikarditis mit BSG-Anstieg, Leukozytose und Nachweis von AK gegen Herzmuskelzellen manifestieren).
→ V: Stoffwechselerkrankungen: Wie Urämie, Myxödem, infolge einer ausgeprägten Hypothyreose. aber auch bei der Addison-Krise oder diabetischen Ketoazidose.
→ VI: Malignome: Sehr selten bei primären Perikardtumoren oder dem Mesotheliom. Des Weiteren kann es sich im Rahmen eines Lymphoms, Leukämie, Mamma-, Ösophagus- Ca, Bronchialkarzinoms, sowie nach Radiatio und/oder Chemotherapie manifestieren.
→ VII: Weitere Ursachen: Sind eine medikamentös induzierte Perikarditis bei Einnahme von z.B. Hydralazin und Procainamid, eine posttraumatische Perikarditis, begleitend bei Myokarditis.
→ Klinik: Leitsymptom ist der Thoraxschmerz, der präkordial lokalisiert ist und einen eher brennenden bzw. stechenden Charakter aufweist. Durch Inspiration, Husten oder Liegen wird der Schmerz deutlich verstärkt.
→ I: Gerade bei der infektiösen Form besteht ein Prodromi mit Fieber und Myalgien.
→ II: Trockene Perikarditis:
→ 1) Manifestiert sich meist initial mit retrosternalen bzw. linksthorakalen Schmerzen, die im Liegen und bei Inspiration zunehmen und im Sitzen oder in vorgebeugter Position leicht abnehmen.
→ 2) Auskultatorisch ist ein Perikardreiben nachweisbar, welches exspiratorisch am deutlichsten zu hören ist.
→ III: Feuchte Perikarditis: Schließt sich der trockenen Form an mit charakteristischen Symptomen:
→ 1) Abnahme der Schmerzen und Reibegeräusche; die Herztöne werden leiser.
→ 2) Zunahme des ZVD mit prall gefüllten Jugularis- und Zungengrundvenen,
→ 3) Leberkapselschmerz,
→ 4) Bei Ausbildung eines Perikardergusses können sich Symptome eines Low-output-Syndroms mit körperlicher Schwäche, Dyspnoe, Tachypnoe, Tachykardie und Hypotonie (Pulsus paradoxus: Der Blutdruck fällt bei Inspiration um >10-15mmHg ab; sehr gut an der A. femoralis nachweisbar) zeigen.
→ Komplikationen: Wichtige und z.T. schwerwiegende Komplikationen der akuten Perikarditis sind insbesondere:
→ I: Herzbeuteltamponade und
→ II: Kardiogener Schock.
→ Diagnose: Die Diagnose insbesondere der akuten Perikarditis wird klinisch durch die Symptomtrias bestehend aus thorakalen Schmerzen, Perikardreiben und typischen EKG-Veränderungen gestellt.
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Die Auskultation erfolgt in vorgebeugter Haltung über dem 4.-5. ICR parasternal links.
→ 1) Auskultatorischer Nachweis systolischer bzw. systolisch-diastolischer ohrnaher Reibegeräusche initial bei trockener Perikarditis (Perikardreiben = lederartiges herzschlagsynchrones Geräusch, das durch Reibung der in ihrer Oberflächenstruktur veränderten Perikardblätter entsteht).
→ 2) Leiserwerden der Herztöne infolge einer feuchten Perikarditis.
→ 3) Bei einem hämodynamisch wirksamen Perikarderguss Nachweis prallgefüllter Jugularis- und Zungengrundvenen.
→ 4) Kussmaul-Zeichen: Paradoxer Druckanstieg in den Jugularvenen bei forcierter Inspiration.
→ II: Labor:
→ 1) Erhöhung der BGS, CRP, des Fibrinogens und der Leukozytenzahl.
→ 2) Evtl. Erhöhung der Kreatinkinase, des CK-MB sowie des Troponin I/T als Zeichen einer begleitenden Myokarditis.
→ 3) Bei Verdacht auf eine Infektion ist die Virusserologie bzw. Anlage von Kulturen bei bakteriellen Infektionen indiziert
→ III: Röntgen-Thorax: Verbreiterung des Herzens bzw. der Herzshilouette, evtl. Bocksbeutelform.
→ IV: EKG: (findet man in bis zu 90% der Fälle) Konkavbögige ST-Strecken-Hebung meist in allen Ableitungen, PQ-Strecken-Senkung, bei Ergussbildung Niedervoltage-EKG (siehe auch EKG-Befund Perikarditis).
→ V: Echo:
→ 1) Mittel der Wahl bei bestehendem Perikarderguss (ab 50ml).
→ 2) Echofreie Raum hinter dem Herzen bei kleinen Ergüssen (< 100 ml), bei größeren Ergüssen auch vor dem Herzen. Bei Ergüssen > 400 ml spricht man einem „swinging heart“.
→ 3) Besteht eine Herztamponade sind die Herzhöhlen komprimiert.
→ VI: Perikardpunktion: Zum bakteriellen, zytologischen und histologischen Nachweis.
→ Differenzialdiagnose: Wichtig ist die Abgrenzung sind u.a.:
→ I: Angina pectoris und Myokardinfarkt
→ II: Lungenembolie, oder aber auch
→ III: Pleuritis und Oberbauchbeschwerden unterschiedlicher Genese.
→ Therapie:
→ I: Allgemeinmaßnahmen mit Bettruhe und Vermeiden von körperlicher Anstrengung stehen an erster Stelle.
→ II: Behandlung der Grunderkrankung: Wie antibiotische Behandlung bei erwiesener purulenter Perikarditis, Gabe von Glukokortikoiden in einer Dosierung von 60-80mg/d über mindestens 1 Woche, insbesondere wenn die Symptome trotz NSAR-Behandlung mehr als 48 Stunden persisiteren (anschließend ausschleichen). Weitere therapeutische Interventionen sind Dialyse bei Urämie, bei TBC Standardtherapie mit Isoniazid + Rifampicin + Pyrazinamid + Ethambutol über 2 Monate, anschließend Applikation von Isoniazid + Rifampicin über weitere 4 Monate. Bei rheumatischem Fieber wird Penicillin + ASS, + evtl. Glukokortikoide appliziert.
→ III: Symptomatische Therapie:
→ 1) Antiphlogistische Therapie mit NSAR z.B. Diclofenac 3x 50 mg oder Ibuprofen 4x 400-800mg/d p.o.
→ 2) Bei rezidivierender Perikarditis ist ein Versuch mit Colchicin evtl. kombiniert mit einem Glukokortikoid möglich.
→ 3) Hämodynamisch relevante Perikardergüsse werden punktiert.