→ Definition: Als Perikarderguss bezeichnet man jegliche Vermehrung des Perikardinhaltes aufgrund von Exsudation bei Entzündung (z.B. Perikarditis), systemischer Flüssigkeitsretention (= Transsudat), Blutungen, Eiter, Lymphflüssigkeit, Luft, etc. Bei der Perikardtamponade handelt es sich wiederum um eine plötzliche Flüssigkeitsansammlung (zumeist von Exsudat und Blut) im Bereich des Herzbeutels mit konsekutiver Beeinträchtigung der diastolischen Ventrikelfüllung und der hämodynamischen Funktion (Gefahr des kardiogenen Schocks). Die Perikardtamponade stellt immer eine absolute medizinische Notfallsituation dar.

 

→ Ätiologie: 

→ I: Stumpfes Thoraxtrauma, therapeutischer Kathetereingriff, nach herzchirurgischen Operationen.

→ II: Herzwandruptur nach Myokardinfarkt (Dressler-Syndrom), Entzündungen des Herzen (z.B. Myokarditis, Perikarditis), Aortendissektion, Malignome, Urämie, Kawasaki-Syndrom, Zustand nach Bestrahlung, etc.

799 Ätiologie des Perikardergusses nach der Zusammensetzung der Perikardflüssigkeit

 

→ Pathophysiologie: Der Herzbeutel ist akut kaum dehnbar; bei chronischem Druck weitet er sich. Die Angleichung bzw. Übersteigerung des intraperikardialen Drucks an bzw. über den rechts- und linksventrikulären enddiastolischen Druck führt zu einem deutlichen Abfall des Herzzeitvolumens (= HZV) infolge einer unzureichenden diastolischen Ventrikelfüllung (der perikardiale Druck liegt bei 0mmHg; Tamponade-Zeichen entstehen bei Drücken ab 15mmHg).

 

Verlaufsform:

→ I: Akut: Bei rapider Ergussbildung können schon geringe Flüssigkeitsmengen (100ml) durch die fehlende Anpassungsmöglichkeit des steifen Perikards zu hämodynamischen Funktionsstörungen führen.

→ II: Chronisch: Langsame Zunahme der intraperikardialen Flüssigkeitsmenge. Durch die Anpassung des Perikards können auch große Flüssigkeitsmengen (1000ml) nur geringe Symptome auslösen.

 

 Klinik: Das Auftreten der klinischen Beschwerden ist insbesondere von der Dehnbarkeit des Perikards, der Ergussmenge und der zeitlichen Entstehung ab. Bereits 150ml zusätzlich können aussreichen, um eine Perikardtamponade zu verursachen. Der Perikarderguss weist eine z.T. sehr unterschiedliche Ausprägung auf.

→ I: Ausprägung: 

800 Unterschiedliche klinische Ausprägung des Perikardergusses

→ II: Vegetativ: Unwohlsein, Schwindel, Schweißausbruch,  Angst mit innerer Unruhe bis hin zur Schocksymptomatik (z.B. kalte Extremitäten). Der zentrale Venendruck (= ZVD) mit Werten > 25cm H2O ist deutlich erhöht.

→ III: Dyspnoe, evtl. Entwicklung eines Pleuraergusses; typischerweise existiert keine Lungenstauung. Ggf. Husten durch Kompression von Trachea oder Bronchien.

→ IV: Kardiovaskulär: Tachykardie, Hypotonie, Pulsus paradoxus, Rechtsherzinsuffizienz mit sichtbaren Halsvenen durch Jugularvenenfüllung, Hepatosplenomegalie, Beinödemen und evtl. Aszites.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Pulsus paradoxus: Ein Pulsus paradoxus besteht, wenn es inspiratorisch zu einem Blutdruck-Abfall von RRsys. >10-15mmHg kommt. Charakteristisch ist, dass hierbei der Puls deutlich abgeschwächt ist.

→ B) Dieser manifestiert sich auch bei anderen Erkankungen wie:

→ 1) Spannungspneumothorax,

→ 2) Perikarditis constrictiva,

→ 3) Restriktive Kardiomyopathie,

→ 4) Asthmaanfall,

→ 5) Lungenemphysem.

 

V: Kardiale Dekompensation: Mit weiterer Abnahme des Blutdruckes, Globalinsuffizienz bis hin zum kardiogenen Schock.

→ VI: Bei massivem perikardialem Druck kann es zur Sinusknotenkompression mit konsekutiver (fataler) Bradykardie kommen.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Es besteht eine typische Diagnosetrias:

1) Low-output-Syndrom: Hypotonie, Tachykardie, Pulsus paradoxus;

→ 2) Einflussstauung: Tachypnoe, Jugularvenenfüllung, Kussmaul-Zeichen mit Anstieg des Venendrucks bei tiefer Inspiration.

→ 3) Leise Herztöne, nicht tastbarer Herzspitzenstoß.

028 Klinische Diagnosekriterien der Herzbeuteltamponade

→ II: EKG: Es bestehen keine spezifischen EKG-Veränderungen; jedoch zeigt sich oftmals ein Niedervoltage-EKG (siehe auch EKG-Veränderungen Herztamponade). Evtl. elektrisches Alternans mit von Schlag zu Schlag leicht wechselnde QRS-Höhe und -Achse aufgrund eines im Erguss pendelnden Herzens.

III: Röntgen-Thorax: Bei bestehendem Erguss manifestiert sich ein deutlich verbreiterte Herzsilhouette; bei der chronischen Form entwickelt sich durch die massive Flüssigkeitsansammlung eine "Bocksbeutelform" des Herzens. Eine Lungenstauung fehlt charakteristischerweise.

IV: Echokardiographie: Die Echokardiographie stellt das Mittel der Wahl bei der Diagnose der Herztamponade bzw. des -ergusses dar. Die charakteristische Flüssigkeitsansammlung (Blut, Exsudat) wird durch einen echoarmen/-freien Randsaum um das Herz (= "Swinging-heart") dargestellt; weitere Auffälligkeiten hierbei sind u.a. die Kompression der Vorhöfe und Ventrikel mit konsekutiver Füllungsbehinderung der Herzhöhlen (insbesondere der linke Ventrikel erscheint leer = diastolischer Kollaps) und einer Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit über der Mitral- und Trikuspidalklappe während der Inspiration.

 

 Differenzialdiagnose: Von der Herzbeuteltamponade müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

 → I: Spannungspneumothorax

→ II: Akutes Rechtsherzversagen bei bestehender Lungenembolie

→ III: Konstriktive Perikarditis.

 

Therapie:

→ I: Mittel der Wahl bei der akuten Herztamponade ist die Perikardpunktion mit anschließender Einlage einer Perikarddrainage.

063 Therapiealgorithmus der Perikardtamponade

→ II: Eine chirurgische Intervention wie eine Perikardfensterung oder eine Perikardektomie ist:

→ 1) Bei rezidivierenden, chronischen oder durch TBC verursachten Perikardtamponaden,

→ 2) Traumatischen bzw. perforierenden Herzverletzungen sowie

→ 3) Bei postoperativ auftretenden Tamponaden indiziert.