→ Definition: Das Brugada-Syndrom ist definiert als eine polymorphe (maligne) Kammertachykardie mit ST-Strecken-Elevation (in den rechts-präkordiale Ableitungen V1-V3) bei normalem QT-Intervall und normal-strukturiertem Herzen. Verursacht wird es durch eine genetisch determinierte Kanalopathie der kardialen spannungsabhängigen Natriumkanäle.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Prävalenz für das Brugada-Syndrom liegt bei 1-2000 bis 1-5000, wobei Männer deutlicher betroffen sind als Frauen (M : F = 8 : 1). Ein vermehrtes Auftreten der Erkrankung findet man insbesondere in Südostasien und Japan.
→ II: Der Manifestationgipfel liegt zwischen dem 30.-40. Lebensjahr (kann aber auch deutlich früher auftreten).
→ Ätiologie: Das Brugada-Syndrom wird autosomal dominant vererbt mit unterschiedlicher Penetranz, eine familiäre Häufung ist nachweisbar. Bei ¼ der Patienten manifestiert sich eine Mutation im SCN-5A-Gen (auf Chromosom 3) mit Defekt einer Untereinheit der myokardialen Natriumkanäle (= "Loss-of-function-Mutation" mit Funktionsminderung des einwärtsgerichteten Natriumkanals) und konsekutiv vermindertem Natriumeinstrom.
→ Klinisch-relevant: Das Brugada-Syndrom kann durch nachfolgende Mechanismen/Situationen getriggert werden:
→ A) Fieberhafte Infekte (Temperaturerhöhung),
→ B) Ein Überwiegen des Parasympathikus.
→ Klinik: Charakteristisch für das Brugada-Syndrom sind aus einer Bradykardie heraus auftretende ventrikuläre Tachykardien.
→ I: Klassisch sind Schwindel, Präsynkopen und Synkopen (häufig auch nachts).
→ II: Eventuell retrosternale Schmerzen und eine pectanginöse, klinische Symptomatik.
→ III: Plötzlicher Herztod, dem häufig polymorphe, ventrikuläre Tachykardien vorausgehen. Diese treten gerade in Ruhe und nachts auf (= Sudden-nocturnal-Death-Syndrom).
→ Diagnose:
→ I: Anamnese und Familienanamnese (plötzlicher Herztod bei Familienangehörigen).
→ II: EKG:
→ 1) Das EKG ist nicht selten unauffällig (normales QT-Intervall). Eine Demaskierung bzw. Verstärkung der ST-Strecken-Elevation kann mit Hilfe des Ajmalin-Tests, durch Applikation eines Natrium-Kanal-Blocker in einer Dosis von 1mg/kgKG langsam i.v., erfolgen. Weitere demaskierende Na+-Kanal-Blocker sind u.a. Flecainid (2mg/kgKG über 10 min) oder Procainamid (10mg/kgKG über 10 min). Ein sofortiger Abbruch ist bei einer J-Punkt-Elevation > 2mm in mindestens einer präkordialen Ableitung indiziert. Die Untersuchung muss unter kontinuierlichem Monitoring und Defibrillationsbereitschaft erfolgen.
→ 2) In den rechtspräkordialen Ableitungen V1-V3 kann sich typischerweise eine sattelförmig bis zeltförmig deszendierende ST-Strecken-Hebung mit Übergang in eine T-Wellen-Negativierung zeigen.
→ 3) (In-)Kompletter, atypischer Rechtsschenkelblock (EKG-Befund: Schenkelblock allgemein).
→ III: Ajmalin-Test: Bei unklaren Synkopen, intravenöse Gabe eines Natrium-Kanalblockers z.B. Ajmalin 1mg/kgKG unter EKG-Kontrolle und Reanimationsbereitschaft. Dies kann eine ST-Strecken-Elevation deutlich verstärken bzw. eine unauffälliges EKG demaskieren. (Siehe auch EKG-Befund: Brugada-Syndrom).
→ Differenzialdiagnose: Andere Erkrankungen, die zu einer pathologischen ST-Strecke (in den Ableitungen V1-V3) führen. Hierzu gehören:
→ I: Myokardinfarkt (z.B. anteroseptal),
→ II: Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomypathie,
→ III: Myokarditis,
→ IV: Synkopen anderer Genese.
→ V: Weitere Differenzialdiagnosen: Sind u.a.:
→ 1) Lungenembolie,
→ 2) Aortendissektion, aber auch
→ 3) Elektrolytverschiebungen insbesondere die Hyperkaliämie und Hyperkalzämie.
→ Therapie:
→ I: Bei Patienten mit rezidivierenden Synkopen, nachgewiesenen ventrikulären Tachykardien und/oder Zustand nach Reanimation, ist eine ICD-Implantation indiziert.
→ II: Die Gabe eines Beta-Blockers ist aufgrund der gesteigerten Induktion bradykardie-assoziierter Kammertachykardien, insbesondere des Kammerflimmerns, kontraindiziert.
→ Prognose: Unbehandelt liegt das Mortalitätsrisiko beim Brugada-Syndrom bei 10% pro Jahr. Patienten mit internem Defibrillator haben in der Bevölkerung eine vergleichbare Mortalität.