Definition: Schlafstörungen gehören zu den häufigsten Beschwerden und treten insbesondere im Zusammenhang mit somatischen oder psychischen Erkrankungen auf. Zu den Schlafstörungen zählen u.a.:

→ I: Insomnie: (= Schlaflosigkeit) Hierbei handelt es sich um die klassische Schlafstörung, die durch eine Beeinträchtigung des Schlafes mit konsekutiver Störung des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit über einen enormen Zeitraum (mindestens 3x/Wochen über einen Monat) charakterisiert ist.

II: Hypersomnie: Ist definiert als ein Zustand exzessiver Schläfrigkeit oder Auftreten von Schlafattacken sowie Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus.

→ III: Parasomnie: Stellen abnorme, den physiologischen Schlaf unterbrechende Episoden dar, die von weiteren vegetativen Symptomen begleitet werden und umfasst in erster Linie:

→ 1) Pavor nocturnus (= Nachtangst/Nachstschreck),

→ 2) Somnambulismus (= Schlafwandeln),

→ 3) Schlafbezogene Atemstörungen wie das Schlafapnoe-Syndrom und

4) Schlafbezogene Bewegungsstörungen wie das Restless-Legs-Syndrom.

 

Physiologie: Der physiologischen Schlaf stellt episodisch auftretende aktive Erholungsphasen der Stoffwechselvorgänge des Gehirns dar, die durch das Schlafzentrum kontrolliert werden. Das Schlafbedürfnis ist sehr individuell, sodass einige Menschen nur 4 Stunden, währenddessen andere bis zu 9 Stunden benötigen, um voll leistungsfähig zu sein (die durchschnittliche Schlafdauer liegt in der Mitte bei 7 Stunden). Im Alter ändert sich das Schlafprofil zumeist (z.B. Verminderung der Anteile des Tiefschlafs).

→ I: Schlafregulation: Nach dem 2-Prozess-Modell der Schlafregulation unterliegt das Schlaf-Wach-Verhalten einer homöostatischen Kontrolle, dem Schlafdruck (der über die Dauer der Wachheit zunimmt) und einer schlafunabhängigen zirkadianen Rhythmik. Daneben bestimmt eine ultradianer Prozess (= Rhythmen mit einer Periodenlänge unter 24 Stunden) den Non-REM-REM-Rhythmus. Dies wird vom Schlafzentrum im Hirnstamm durch Inhibition monoaminerger-REM-off- und cholinerger REM-on-Neurone gesteuert.

→ II: Schlafstadien: Der Schlaf ist kein homogener Zustand vielmehr besteht er aus verschiedenen Schlafstadien. Differenziert wird zwischen einem REM und einer Non-REM-Schlaf, die sich während der Nacht in regelmäßigen Abständen abwechseln.

→ 1) Non-REM: Umfasst die Stadien des leichteren Schlafs und die Tiefschlafphase. Mit zunehmender Schlaftiefe nehmen zum einen aufgrund der fortschreitenden Synchronisation der Neurone die EEG-Frequenz ab, zum anderen die EEG-Amplitudenhöhe zu; zudem nimmt die Weckschwelle zu. Beim Non-REM-Schlaf unterscheidet man 3 Phasen, das Schlafstadium I, II und den Tiefschlaf (= Slow-wave-sleep bzw. SWS-Stadium).

→ 2) REM-Schlaf: (= Rapid-eye-movement) ist gekennzeichnet durch schnelle Augenbewegungen und einen sehr geringen bis fehlenden Muskeltonus (das EEG ähnelt dem Wachzustand). Aufgrund der kortikalen Aktivierung während der REM-Phase, der hohen Weckschwelle und dem geringen Muskeltonus spricht man hierbei von einem paradoxen bzw. aktiven Schlaf.

668 Wichtige Charakteristika der verschiedenen Schlafstadien

 

Klinisch-relevant: Im Laufe der Nacht nehmen Dauer und Intensität der Tiefschlafphasen ab, während die Dauer der REM-Phasen zunimmt. Jeweils eine Non-REM und REM-Phase bilden eine Schlafzyklus, der beim Menschen etwa 90-100min. anhält. Pro Nacht werden wiederum etwa 4-6 Schlafzyklen durchlaufen.

 

Epidemiologie: Schlafstörungen weisen in der Allgemeinbevölkerung mit 20% eine hohe Prävalenz auf, 10% davon sind behandlungsbedürftig.

→ I: Die Häufigkeit der Insomnie nimmt mit dem Alter zu, wobei das weibliche Geschlecht deutlich häufiger betroffen ist. Die häufigste Form der Schlafstörung ist die nicht-organische, primär psychogene Schlafstörung.

→ II: Aus der Gruppe der Parasomnie sind fast allen Menschen Albträume bekannt; Somnambulismus und Pavor nocturnus jedoch sind primäre Störungen des Kindesalters (nur 2,5% der Erwachsenen schlafwandeln).

→ III: Die Narkolepsie manifestiert sich zumeist in der Jugend und ist insgesamt mit einer Prävalenz von 0,1% sehr selten.

 

669 Beispiele für die Pathogenese einer Schlafstörung

 

Ätiopathogenese: Die Pathogenese der Schlafstörung ist multifaktoriell und reicht von einer genetischen Disposition über psychische und neurologische Störungen bis hin zu internistischen und organischen Ursachen (sie können auch medikamenteninduziert sein). 1/3 der Schlafstörungen werden durch psychische Störungen (Depression, Manie, Angststörungen, Demenz, etc.) und somatische Erkrankungen (z.B. Schlafapnoe-Syndrom, Restless-Legs-Syndrom, etc.) oder pharmakogen-induziert (Antidepressiva, Antidementiva, Parkinson-Mittel, Beta-Blocker, etc.) verursacht und werden als primäre Schlafstörungen bezeichnet. Bei jüngeren Patienten sind die Ursachen meist psychischer oder sozialer Natur, bei älteren Patienten überwiegend aufgrund von somatischen Beschwerden (z.B. Atemstörungen

Schmerzen, etc.); Weitere Faktoren sind u.a.:

I: Biologische Faktoren:

→ 1) Man geht von Regulationsstörung im Bereich des serotonergen, cholinergen und GABAergen Systems aus.

→ 2) Auch eine genetische Komponente (familiäre Häufung) findet man v.a. bei der Hypersomnie und Narkolepsie. Bei der Narkolepsie kommt es zum Versiegen der Orexinproduktion, welches als Neuropeptidhormon das Schlaf-Wach-Verhalten und den Appetit reguliert.

→ II: Psychologische Faktoren: Eine wichtige Bedeutung haben Konditionierungsprozesse und fehlgelerntes Verhalten; gerade bei Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus stehen Schichtarbeit, vermehrtes Reisen (Jetlag), etc. im Vordergrund.

 

Klinisch-relevant: Bei der primären, nicht-organischen Insomnie sind erhöhtes Angespanntheit, schlafbehindernde Gedanken, emotionale Stresssituationen sowie ungünstige Schlafgewohnheiten Störfaktoren.

 

Klassifikation: Zu den Schlafstörungen gehören neben den Schlafdefiziten, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Hypersomnie und Parasomnie.

I: Schlafstörungen können:

→ 1) Ein isoliertes Krankheitsbild sein (primäre Schlafstörungen),

→ 2) Als weiteres Symptom im Rahmen einer psychischen oder somatischen Erkrankung auftreten oder

→ 3) Pharmakogen induziert sein.

→ II: Schlafstörungen werden nach ICD-10 in nicht-organische (psychische - und Verhaltensstörungen) und organische (Krankheiten des Nervensystems) unterteilt:

672 Schlafstörungen nach ICD 10

 

Diagnostik: Wichtige diagnostische Verfahren bei den Schlafstörungen sind eine umfassende Eigen- und Fremdanamnese, Führen von Schlaftagebuchs, körperliche und neurologische Untersuchung mit Labor und Bildgebung, spezifische Untersuchungen mittels Polysomnographie, ambulanter Polygraphie, Aktometrie und nicht zuletzt testpsychologische Verfahren.

→ I: Bei der Anamnese stehen die Exploration von Schlafverhalten, somatische und psychische Vorerkrankungen sowie die Einnahme von Medikamenten und weiteren Substanzen im Vordergrund. Des Weiteren sind fremdanamnestische Hinweise wie Schnarchen, Zähneknirschen, Muskelbewegungen, atypisches Atemverhalten, etc. von Bedeutung.

→ II: Schlaftagebuch: Es sollte mindestens über einen Zeitraum von 2 Wochen durchgeführt werden und dient der Identifikation der subjektiven Schlafqualität.

→ III: Testpsychologische Verfahren: Dienen der strukturierten Erhebung und Verlaufskontrolle von Schlafstörungen und beinhalten insbesondere:

1) Visuelle Analogskalen abends und morgens.

2) Schlaffragebögen (SF-A/SF-B).

→ 3) Pittsburgher Schlafqualitätindex (PSQI).

→ IV: Apparative Verfahren:

→ 1) Polysomnographie: Wird stationär in einem Schlaflabor mittels Elektroenzephalogramm (EEG), Elektrookulographie (EOG) und Elektromyographie (EMG) durchgeführt. Abhängig von der diagnostischen Fragestellung können weitere Untersuchungen wie Atemfluss, Atemexkursion, Atemgeräusche, EKG, etc. miteinbezogen werden.

2) Akrometrie: Hierbei handelt es sich um ein uhrähnliches Gerät, das am Hand- oder Fußgelenk getragen wird und über ein längeres Zeitintervall die Bewegungsaktivität des Patienten aufzeichnet, um Rückschlüsse auf den Schlaf-Wach-Rhythmus schließen zu können.

→ VI: Weitere Untersuchungen: Dienen der differenzialdiagnostischen Abgrenzung und umfasst Labor (mit Blutbild, Entzündungsparametern CRP, BSG Schilddrüsenhormonen sowie Leber- und Nierenwerten), EKG, EEG und nicht zuletzt die kraniale Bildgebung.