Definition: Beim Lichen ruber planus handelt es sich um eine subakute bis chronische, aber trotzdem (überwiegend) selbstlimitierende inflammatorische Entzündung der Haut unklarer Genese und mit einem massiv quälenden Juckreiz als Hauptsymptom. Der Lichen planus stellt den Prototyp lichenoider Gewebsreaktionen dar.

Epidemiologie:

→ I: Der Lichen planus ist mit einer Prävalenz von 0,2-1,0% der erwachsenen Bevölkerung eine häufigere Dermatose.

→ II: Er kann in jeder Altersgruppe auftreten, jedoch betrifft überwiegend Menschen in der Lebensmitte (3.-6. Lebensdekade), wobei sich ein leicht vermehrtes Auftreten beim weiblichen Geschlecht herauskristallisiert.

 

Ätiopathogenese:

→ I: Die Ätiologie des Lichen ruber planus ist bis heute noch nicht bekannt. Diskutiert werden u.a. zellulären Autoimmunreaktionen gegen die Keratinozyten

→ II: Pathogenese: Die lokale Zerstörung der Keratinozyten ruft die Enwicklung der Lichen planus Papeln hervor.

→ 1) Biochemisch kommt es zur Überexpression des Chemokins CXCL9 mit konsekutivem Anlocken von CXCL3+-Lymphozyten.

→ 2) Das entstehende entzündliche Infiltrat besteht aus aktivierten CD4+- und CD8+-T-Zellen. Das von CD4+ freigesetzte Interferon-y und TNF verursacht wiederum die Expression von HLA-DR und Adhäsionmoleküle an Keratozyten, was die Grundvoraussetzung für die Attacke von zytotoxischen CD8+-T-Zellen darstellt.

→ 3) Die Zerstörung des Basalzelllagers erfolgt durch Apoptose, wobei Mechanismen wie FAS/FAS-Ligand, Granzym-B-Perforin, etc. involviert sind. Jedoch ist die primäre Ursache dieser Kaskade bis heute nicht geklärt.

→ III: Weittere Auffälligkeiten: Sind insbesondere:

008 Weitere Faktoren bei der Entstehung des Lichen ruber planus

 

Klinik: Die Primäreffloreszenz des Lichen planus ist eine 0,5-1mm große stark juckende, abgeflachte Papel, die ein eher mattes fliederfarbenes Aussehen meist ohne Schuppung besitzt.

→ I: Charakteristisch und ein diagnostisches Zeichen ist die Reflexion der Papel unter schräger Beleuchtung sowie die herdförmige Gruppierung der Papeln (lichenoid), die z.T. partiell konfluieren.

→ II: Wickham-Streifen: Sie stellen die Grenzlinien zwischen den Papeln dar und bilden ein weißliches Liniennetzwerk. Die weißliche Farbe entsteht durch eine Hypergranulomatose (= Verdickung des Stratum granulosum) und kompakte Hyperkeratose.

→ III: Weitere Symptome: Sind u.a.:

→ 1) Köbner-Phänomen: Entlang mechanischer Mikrotraumen (Kratzen) entstehen spontan z.T auch konfluierende Lichen-planus Läsionen innerhalb von Tagen. 

→ 2) Trotz des quälenden Juckreizes kratzen die Patienten nicht (es wird gerieben), da dies sehr schmerzhaft ist. 

→ IV: Verlaufsformen: Man unterscheidet beim Lichen ruber planus 2 verschiedene klinische Verlaufsformen:

→ 1) Exanthemische Verlaufsform: Beginn zumeist mit einem auf die Prädilektionsstellen beschränktem Exanthem, dass sich schubartig versichtet und im weiteren Krankheitsverlauf disseminiert.

→ 2) Die chronisch lokalisierte Verlaufsform bleibt charakteristischerweise auf eine bestimmte Region beschränkt.

→ 3) Es existieren aber auch Zwischenformen.

V: Prädilektionsstellen: Sind insbesondere die Beugestellen am Handgelenk, Unterarminnenseiten, der untere Rücken, die Kniebeugen und Unterschenkel. Im Bereich der Handflächen, Fußsohlen und der Nagelpfalz erscheinen die Papeln als warzeartig Knötchen. Bezüglich der Nägel kann es zu Wachstumsstörungen kommen.

→ VI: Lichen ruber mucosae:

→ 1) Bei einem großen Teil der Patienten mit Lichen ruber planus manifestieren sich auch Schleimhautläsionen (= Lichen ruber mucosae oris, die auch isoliert auftreten können).

→ 2) Sie können überall auftreten, jedoch existieren Prädilektionsstellen an Wangenschleimhaut und Zungenrand. Charakteristischerweise sind die Schleimhautherde weiß (verhorntes Schleimhautepithel) und machen subjektiv keine klinischen Symptome.

→ 3) Es werden 3 Subtypen des Lichen ruber mucosae oris unterschieden:

009 Klassifikation des Lichen ruber mucosae oris

→ 4) Ähnliche jedoch seltener auftretende Herde können sich auch im Bereich von Vulva, Vagina und Glans penis manifestieren.

 

Komplikation: In lang persistierenden Lichen ruber planus Herden besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines epithelialen Tumors (insbesondere des spinozellulären Karzinoms).

 

Diagnose: Die Diagnose des Lichen ruber planus wird v.a. klinisch und histopathologisch gestellt.

I: Histologie: Der entzündlichen Prozess spielt sich beim Lichen ruber planus vor allem im Bereich der dermoepidermalen Grenze ab u.a. mit einer Degeneration und Apoptose der Basalzellen.

→ 1) Die obere Dermis weist bandförmige lymphohistiozytäre Infiltrate auf, die die Epidermis plateauartige nach oben vorwölbt.

→ 2) Die Epidemis wiederum ist akanthotisch, das Stratum granulosum verbreitert, die Hornschicht kompakt hyperkeratotisch. Das Stratum basale ist vakuolisiert. Apoptotische Keratinozyten, sogenannte Zytoidkörperchen, sind beim LP in großer Zahl nachweisbar.

→ II: Laborchemisch wird eine Hepatitisserologie insbesondere gegen HCV (Hepatitis C) empfohlen.

 

Differenzialdiagnose: Vom Lichen ruber planus müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: LP-ähnliche Exantheme wie Syphilis Stadium II und lichenoides Arzneimittelexanthem,

→ II: Pityriasis rubra pilaris sowie Keratosis pilaris, aber auch

→ III: Prurigo simplex chronica.

→ IV: Der Lichen ruber mucosae muss u.a. von den planen oder verrukösen Leukoplakien bzw. der Leukoplakia nicotinica, Kandidiose differenziert werden.

 

Therapie: Die Therapie des Lichen ruber planus erfolgt ausschließlich symptomatisch.

→ I: Im Vordergrund der fokal-begrenzten Lichen ruber planus steht die Lokaltherapie mit einem stark wirksamen Glukokortikoidwelche zur Entzündungs- und Juckreizreduktion führt. Bei exanthemischer Verlaufsform sollte eine systemische Kortikoidstoßtherapie über ein Zeitintervall von einigen Wochen erfolgen.

→ II: Kombinationstherapie: Bei ausgedehnten bzw. disseminierten Formen ist eine Kombination aus UV-B-Phototherapie oder Photochemotherapie (= PUVA) und dem Retinoid Acitretin indiziert (Initialdosis 0,5mg/kgKG/d Erhaltungsdosis 0,1-0,2mg/kgKG/d über 6 Monate anschließend Auslassversuch).

 

Prognose: Die durchschnittliche Manifestationdauer beträgt in der Mitte zwischen 8 bis 12 Monate (Spontanremission), aber es sind ebenfalls jahrelange chronische Krankheitsverläufe bekannt. Rezidivschübe können auch noch nach Jahren auftreten. Die Heilung der Effloreszenzen erfolgt überlicherweise Restitutio ad integrum, aber manchmal auch mit einer ausgeprägten Hyperpigmentierung infolge einer Pigmentabtropfung im Zusammenhang mit der Basalzelldegeneration. Nur sehr selten manifestiert sich eine Hypopigmentierung oder milde Atrophie.