→ Anatomie:
→ I: Beim Akromioklavikulargelenk artikulieren das Acromion der Scapula mit der Extremitas acromialis der Clavicula.
→ II: Die dünne Kapsel wird von straffen Bändern umgeben: Hierzu zählen das:
→ 1) Lig. acromioclaviculare,
→ 2) Lig. coracoacromiale und
→ 3) Lig. coracoclaviculare (unterteilt in ein Lig. trapezoideum und ein Lig. conoideum).
→ III: Als primärer Stabilisator des AC-Gelenkes fungiert das Lig. coracoclaviculare mit seinen 2 Anteilen, der Pars trapezoidea und der pars conoidea; es übernimmt ca. 80% der Kraft.
→ Pathogenese: Entwickelt sich meist im Zuge eines direkten Traumas durch Sturz auf die Schulter bzw. den adduzierten Arm infolge eines Reit- bzw. Fahrradunfalls.
→ Klassifikation: Bei der AC-Gelenksluxation haben sich 2 Einteilungen etabliert:
→ A) Nach Tossy und
→ B) Rockwood (Erweitert die Klassifikation nach Tossy unter Miteinbeziehung der Dislokationsrichtung des lateralen Klavikulaendes).
→ I: Tossy 1: Zerrung und Überdehnung des Lig. acromioclaviculare und des Lig. coracoclaviculare ohne Dislokation des AC-Gelenkes.
→ II: Tossy 2: Ruptur des Lig acromioclaviculare und Überdehnung des Lig. coracoclaviculare mit Subluxation des AC-Gelenkes.
→ III: Tossy 3: Ruptur des Lig. acromioclaviculare und des Lig. coracoclaviculare mit Luxation des AC-Gelenkes.
→ I: Rockwood 4: Dislokation des lateralen Klavikulaendes nach dorsal.
→ II: Rockwood 5: Dislokation des lateralen Klavikulaendes nach kranial (proximal) und
→ III: Rockwood 6: Dislokation des lateralen Klavikulaendes nach kaudal unter das Acromion oder das Korakoid.
→ Klinik: Charakteristische klinische Symptome sind:
→ I: Druckschmerzhaftigkeit,
→ II: Bewegungsschmerz mit Schonhaltung
→ III: Schwellung und Hämatombildung sowie sichtbare Fehlstellung.
→ IV: Die klinische Beurteilung sollte immer im Vergleich zur Gegenseite erfolgen.
→ Klinisch-relevant: Klaviertastenphänomen:
→ A) Es entsteht beim kompletten Zerreißen der beiden Bänder (Lig. acromioclaviculare und Lig. coracoclaviculare), im Rahmen des Tossy-Typ III bzw. Typ V nach Rockwood.
→ B) Verfahren: Durch Druck auf das nach kranial dislozierte, laterale Ende der Klavikula wird sie wieder in Normalposition gebracht.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Klassischer Unfallhergang, evtl. Nachweis eines Klaviertastenphänomens bei Tossy 3 bzw. Rockwood 5. Die klinische Beurteilung erfolgt immer im Vergleich zur Gegenseite.
→ II: Röntgen:
→ 1) Der Schulter in 2 Ebenen mit Nachweis eines erweiterten Gelenkspalts und eines nach kranial dislozierten Klavikulaendes.
→ 2) Panoramaaufnahme: Seitenvergleichende Aufnahme unter Zug an beiden Armen mit einem Gewicht von 10-15kg (Wasserträgeraufnahme). Hierbei erfolgt ein Höhertreten der lateralen Klavikula; wird heute nur noch in Ausnahmefällen angewandt.
→ Differenzialdiagnose: Die Akromiokalvikularverletzungen müssen insbesondere von nachfolgenden Verletzungen/Erkrankungen abgegrenzt werden.
→ I: Akromiokalvikulare Gelenkarthrose,
→ II: Laterale Klavikulafraktur,
→ III: Gicht oder
→ IV: Pseudarthrose.
→ Therapie:
→ I: Konservativ:
→ 1) Indikation: Tossy I, II und Tossy III mit individueller Therapieentscheidung.
→ 2) Verfahren: Schonung, temporäre Ruhigstellung im Gilchrist-/Desault-Verband über einen Zeitraum von 1-3 Wochen, sowie Kryotherapie und Analgesie. Schweres Heben und Kontaktsportarten sind über einen Zeitraum von 6 Wochen zu vermeiden.
→ II: Operativ:
→ 1) Indikation: Tossy III (gerade bei jungen, sportlichen Patienten), Rockwood V, sowie Rockwood IV/VI, floating shoulder und veraltete Luxation mit persistierenden Beschwerden.
→ 2) Verfahren: Direkte Naht des Kapsel-Band-Apparates und temporäre Arthrodese des AC-Gelenkes mittels Zuggurtung (Kirschnerdraht) oder Haken- bzw. Rüssler- oder Balserplatte. Alternativ kann es durch eine Stellschraube oder PDS-Kordel zwischen Korakoid und Klavikula gesichert werden.
→ 3) Postoperative Therapie: Ruhigstellung im Gilchrist-Verband für 1 Woche, anschließend frühfunktionelle Krankengymnastik. Die Metallenfernung erfolgt nach ca. 12 Wochen.
→ Komplikationen: Wichtige postoperative Komplikationen sind insbesondere:
→ I: Ausbildung einer posttraumatischen Arthrose,
→ II: Verknöcherung des Kapsel-Band-Apparates, insbesondere des Lig. coracoclavikulare,
→ III: Hohes Redislokationsrisiko bei bis zu 20% der Fälle nach operativer Therapie,
→ IV: Infektionen,
→ V: Drahtwanderung, Schraubenbruch und Materialversagen.