→ Allgemein: Der Talus hat bei der Bildung des Fußgewölbes eine Schlüsselfunktion. Er trägt das gesamte Köpergewicht und unter Belastung auch ein Vielfaches mehr, sodass er ein gut ausgebildete Spongiosa aufweist. Die Gefäßversorgung des Talus erfolgt von peripher nach zentral. Eine zentrale Fraktur im Bereich des Collum oder Corpus tali kann somit häufiger zu einer Nekrose des Sprungbeins führen.
→ Epidemiologie: Die Talusfraktur ist mit einer Prävalenz von 0,3% sehr selten. Meist handelt es sich um eine Begleitverletzung bei:
→ I: Malleolusfrakturen oder
→ II: Kalkaneusfraktur.
→ Ätiologie: Durch große Gewalteinwirkung wie:
→ I: Sturz aus hoher Höher oder Verkehrsunfällen (90% der Fälle) mit konsekutiver Polytraumatisierung.
→ II: Weitere Unfallmechanismen sind insbesondere:
→ 1) Periphere Frakturen: Hierbei handelt es sich um Luxationsverletzungen infolge von Sportunfällen z.B. beim Snowboarden.
→ 2) Abscherverletzungen: (meist im Bereich des Innenknöchels) Infolge eines axialen Stoßes bei blockiertem Gelenk.
→ 3) Flake-Fracture: Zumeist im Zusammenhang mit Umknickverletzungen mit oder ohne Stabilitätverlust des oberen Sprunggelenkes.
→ Frakturlokalisation:
→ I: Bei der Talusfraktur unterscheidet man nach der Fakturlokalisation zwischen:
→ 1) Zentralen Frakturen: Sind mit 85-90% der Fälle die häufigeren Frakturen und des Taluskopf, -hals oder körper lokalisiert.
→ 2) Periphere Frakturen: In 10-15% der Fälle im Bereich des Processus posterior und lateralis sowie osteochondrale Abscherfrakturen (= Flake-fracture).
→ II: Am häufigsten findet man die Fraktur im Bereich des Collum tali (50%), gefolgt von der Corpusfraktur mit 22% der Fälle. Weitere Lokalisationen sind das Caput sowie der Proc. posterior und lateralis.
→ Klassifikation: Es existieren verschiedene Klassifikationen der Talusfraktur. Hierzu zählen unter anderem.
→ I: Klassifikation der Talusfraktur nach Hawkins (modifiziert durch Canale/Kelly):
→ 1) Typ 1: Talusfraktur ohne Dislokation;
→ 2) Typ 2: Talusfraktur mit Dislokation des unteren Sprunggelenkes,
→ 3) Typ 3: Talusfraktur mit Dislokation des unteren und oberen Sprunggelenkes.
→ 4) Typ 4: Wie Typ 3 und zusätzlicher Luxation des Talonavikulargelenkes.
→ II: Klassifikation der Taluskorpusfraktur nach Sneppen:
→ III: Klassifikation der Talusfraktur nach Marti und Weber:
→ 1) Typ I: (der Talusfrakturen) Distale Collum- und Caputfrakturen sowie periphere Frakturen des Tulus, einschließlich der Flake-Fracture.
→ 2) Typ II: (der Talusfrakturen) Sie beinhaltet die nicht-dislozierten Taluskorpusfrakturen und die proximalen Halsfrakturen.
→ 3) Typ III: Es handelt sich hierbei um dislozierteTaluskorpusfrakturen und proximale Halsfrakturen.
→ 4) Typ IV: Es handelt sich um dislozierte Halsfrakturen mit kompletter Luxation des oberen und unteren Sprunggelenkes oder um Korpustrümmerfrakturen.
→ Klinik:
→ I: Allgemeine Frakturzeichen: Mit Schwellung, Hämatombildung, schmerzhaft evtl. aber auch aufgehobener Bewegung im oberen oder unteren Sprunggelenk.
→ II: Besonderheiten: Der klinischen Symptomatik aufgrund der unterschiedlichen Frakturlokalisation:
→ 1) Zentrale Talusfraktur: Stellt eine schwere Verletzung des Fußes dar und ist durch massive Schwellung, gespannter Haut (bei geschlossener Fraktur) und Belastungsunfähigkeit charakterisiert.
→ 2) Periphere Fraktur: Akute Verletzungssymptome können fehlen auch kann die Gehfähigkeit erhalten sein. Insbesondere bei der Flake-Fractur stehen klinische Symptome infolge der Bandruptur im Vordergrund.
→ Begleitverletzungen: Wichtige und z.T. schwerwiegende Komplikationen bzw. Begleitverletzungen sind:
→ I: Polytrauma,
→ II: Weitere Fußverletzungen sowie das
→ III: Kompartmentsyndrom.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/Klinische Untersuchung: Mit Kontrolle und Dokumentation der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität
→ II: Röntgen des Sprunggelenks in 2 Ebenen und in 20° Innenrotation, evtl. Röntgen des Vorderfuß zur Darstellung von Impressionen.
→ III: Gerade bei einer Fraktur des Proc.lateralis ist ein Spiral-CT indiziert. Aber auch zum Ausschluss von Sekundärläsionen wie Knorpelverletzungen oder Talusnekrosen.
→ IV: Bei einer aspetischer Nekrose evtl. MRT oder Szintigraphie.
→ Therapie: Ziel insbesondere der chirurigischen Behandlung ist die anatomische Rekonstruktion der Gelenkfläche und die adäquate Stellung des Talus zu den angrenzenden Gelenken.
→ I: Konservative Therapie: Bei nicht-dislozierten, nicht-gestauchten Talusfrakturen erfolgt eine Ruhigstellung mittels Gips, lokale Kryotherapie, Analgesie und nicht zuletzt Thromboembolieprophylaxe für 6 Wochen. Anschließend ist über einen Zeitraum von weoteren 6 Wochen eine Teilbelastung im Unterschenkel-Gips indiziert.
→ II: Operative Therapie:
→ 1) Ab einer Talusfraktur Typ 2 nach Hawkins erfolgt eine operative Therapie mit Reposition und Fixation. Absolute Operationindikationen stellen v.a.:
→ A) Offene Frakturen,
→ B) Kompartmentsyndrom oder
→ C) Weiteilkomprimierende Fehlstellungen dar.
→ 2) Einfache Talusfrakturen: Offene Reposition und Schraubenosteosynthese mit Hilfe von 2 Kleinfragmentschrauben.
→ 3) Frakturen des Processus lateralis: Kleine Fragmente werden reseziert, große Fragmente mittels Kompressionsschrauben wegen des hohen Pseudarthrose-Risikos fixiert. Der Zugang erfolgt von lateral (Subtalargelenk).
→ Komplikationen:
→ I: Charakteristische Komplikationen ist bei der zentralen Fraktur die avaskuläre Talusnekrose, die gerade bei der Typ 3/4 Fraktur nach Hawkins in 80-100% auftreten. Evtl. ist eine sekundäre Arthrodese indiziert.
→ II: Posttraumatische Arthrose des oberen und/oder unteren Sprunggelenkes.
→ III: In 20-50% der Fälle entwickelt sich eine Pseudarthrose.