→ Anatomie:
→ I: Der Kalkaneus (Fersenbein) besteht aus 3 wichtigen Strukturen:
→ 1) Tuber calcanei (dient als Ansatzstelle für die Sehne des M. ticeps surae).
→ 2) Processus anterior und
→ 3) Sustentaculum tali (medial gelegen; unter ihm verläuft die Sehne des M. flexor hallucis longus).
→ II: Er weist 4 Gelenkflächen auf;
→ 1) 3 zum Talus, nämlich die Facies articularis tasalis, die Facies articularis anterius und medius.
→ 2) Sowie eine Gelenkfläche zum Kuboid.
→ Epidemiologie: Die Kalkaneusfraktur macht 2% aller Frakturen aus und weist mit 75% eine hohe Gelenkbeteiligung auf.
→ Ätiologie:
→ I: Häufigste Ursache ist die axiale Gewalteinwirkung durch Sturz aus hoher Höhe.
→ II: Direkte Gewalteinwirkung bei Verkehrsunfällen. Der Fakturtyp ist insbesondere von der Stellung des Fußes zum Zeitpunkt des Unfalls abhängig.
→ III: Entenschnabelbruch: Hierbei kommt es zum knöchernen Achillessehenenabriss durch indirekte Gewalteinwirkung.
→ Klassifikation: Bei der Kalkaneusfraktur exsistieren verschiedenen Einteilungen z.B. nach Sander, Essex-Lopresti und die AO-Klassifikation: Allen gemeinsam ist, dass maximal 5 Hauptfrakturfragmente (Tuberositas, Sustentakulum, anteriores Hauptfragment, anteriores Facettenfragment (sehr selten) und posteriores Hauptfragment) bestehen.
→ I: Einteilung nach Essex-Lopresti:
→ 1) Frakturen ohne Beteiligung des subtalaren Gelenkes.
→ A) Fraktur der Tuber calcanei.
→ B) Frakturen mit Beteiligung des Kalkaneokuboidgelenks.
→ 2) Frakturen mit Beteiligung des subtalaren Gelenks:
→ A) Tongue-Typ: Vertikale Fraktur unterhalb des Processus lateralis tali und horizontale Fraktur Richtung Tuber calcanei.
→ B) Joint-Depression-Typ: Vertikale Fraktur unterhalb des Processus lateralis tali und konzentrische Fraktur hinter der dorsalen kalkaneotalischen Gelenkfläche mit Impression.
→ II: Einteilung nach Sander: Einteilung der Fraktur in nicht-dislozierte (Typ I) und dislozierte Frakturen. Der Corpus wird in 3 Säulen, nämlich eine laterale (A), eine zentrale (B) und eine mediale (C) Säule unterteilt und der Frakturtyp nach der Bruchlinie zum Sustentakulum (medialste Säule) bestimmt.
→ 1) Typ II: Ist eine Zweifragmenfraktur; es ist eine Säule A-C betroffen.
→ 2) Typ III: Dreifragmentfraktur bei der 2 Säulen, also AB, AC oder BC, betroffen sind.
→ 3) Typ IV: Es handelt sich um eine Vierfragmentfraktur oder einen Trümmerbruch.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Der Schweregrad der Fraktur bzw. die Prognose ist abhängig von der Anzahl der Frakturfragmente und der Einbeziehung von Gelenkfacetten (je mehr Frakturfragmente vorhanden sind und je mehr Gelenkfacetten betroffen sind, umso komplizierter die Fraktur).
→ B) Je weiter die Frakturlinie vom Sustentakulum entfernt ist, umso schwieriger die Rekonstruktion beim lateralen Zugang (wegweisend für die OP-Strategie).
→ Klinik:
→ I: Massive Weichteilschwellung und Hämatombildung, evtl. Ausbildung von Spannungsblasen im Bereich des Rückfußes.
→ II: Deformität der Ferse (mit verkürzter Ferse) und Abflachung des Fußgewölbes.
→ III: Belastungsunfähigkeit und aufgehobene Beweglichkeit im Subtalargelenk.
→ Begleitverletzungen:
→ I: Kompartmentsyndrom,
→ II: Talusfraktur,
→ III: Verletzungen des Copart- oder Lisfranc-Gelenk,
→ IV: Fraktur der Wirbelsäule, des Beckens oder des Oberschenkels.
→ Diagnose: Zur Beurteilung der Fehlstellung ist die Bestimmung des Böhler-Winkels von Bedeutung:
→ I: Böhlerwinkel: Ist der Winkel, der bei Kreuzung der Verlängerung der Oberkante der Tuber und der Linie durch den subtalaren Gelenkspalt entsteht. Physiologisch liegt er zwischen 25-40°.
→ II: Klinische Untersuchung: Mit Kontrolle der Durchblutung, Sensibilität und Motorik, sowie dem Ausschluss eines möglichen Kompartmentsyndroms im Fußbereich.
→ III: Röntgen: Des Kalkaneus (mit OSG) seitlich, a.p. und axial (Darstellung des Sustentakulums). Die Aufnahme nach Broden dient der Darstellung des hinteren und mittleren Subtalargelenkes (Unterschenkel um 45° nach innenrotiert). Es werden 4 Aufnahmen gemacht, wobei die Röntgenröhre um 10°, 20°,30° und 40° nach kaudal gekippt wird.
→ IV: CT: Ist obligat, dient zur genauen Beurteilung des Schweregrades der Fraktur und der Operationsplanung.
→ Therapie:
→ I: Konservativ: Bei extra und intraartikulären, nicht-dislozierten Frakturen erfolgt eine temporäre Ruhigstellung mittels dorsaler Unterschenkelgipsschiene, Hochlagerung, Thromboseprophylaxe, Kühlung, regelmäßige Weichteilkontrolle usw. Nach Abschwellung beginnende Mobilisation mittels Rückfußentlastungsschuh; Vollbelastung nach 6-8 Wochen.
→ II: Operative Therapie:
→ 1) Minimal-invasiv: Bei Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand und deutlicher Varus bzw. Valgusstellung oder Trümmerfrakturen: Geschlossene Reposition und perkutanes Kirschner-Draht-Fixation an den Talus und das Chopart-Gelenk.
→ 2) Bei Entenschnabelfrakturen oder einfachen Gelenkfrakturen erfolgt eine offene Reposition mit nachfolgender Schrauben- oder Spickdrahtosteosynthese.
→ 3) Bei Impressionsfrakturen mit Gelenkbeteiligung des OSG und USG (subtalar) hingegen muss eine Spongiosaplastik sowie eine Plattenosteosynthese (= Ulmer-Platte) erfolgen.
→ III: Postoperative Maßnahmen: In der postoperativen Phase erfolgt die Kryotherapie sowie die Hochlagerung des Beines mittels Unterschenkelgips bis zur Wundheilung; anschließend ist eine frühfunktionelle Therapie ohne Belastung indiziert. Je nach Wundheilung und Frakturform kann eine Vollbelastung nach ca. 12 Wochen erfolgen.
→ Komplikationen:
→ I: Wundheilungsstörungen, Infektionen sowie die Osteitis.
→ II: Weichteilnekrosen.
→ III: Bewegungseinschränkungen bis hin zur Arthrodese im unteren Sprunggelenk.