→ Definition:
→ I: Bei dem autosomal-dominant bzw. (-rezessiv) vererbten Morbus Gilbert-Meulengracht (= Ikterus intermittens juvenilis) handelt es sich um das häufigste familiäre Hyperbilirubin-Syndrom mit fluktuierendem Anstieg des unkonjugierten, indirekten Bilirubins
→ II: Charakteristikum ist die nicht-hämolytisch induzierte Hyperbilirubinämie.
→ Epidemiologie:
→ I: Er kommt mit einer Variabilität von 2-7% in der Allgemeinbevölkerung vor.
→ II: Junge Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen.
→ III: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 20.-30. Lebensjahr.
→ Ätiologie:
→ I: Der Morbus Gilbert-Meulengracht wird austosomal-dominant (-rezessiv) vererbt.
→ II: Charakteristischerweise findet man eine Mutation im Bereich des Exon 1A1 (= TATA-Box: des Promoters des UDP-Glucuronyltransferase-Gens. Anstelle des physiologischen TATA-6 liegt meist aufgrund einer Insertionsmutation ein TATA-7 oder TATA-5 vor).
→ Pathophysiologie: Im Zuge der Mutation entwickelt sich eine verminderte Aktivität der UDP-Glukuronyl-Transferase (Restaktivität auf 30-50% der Norm) mit Störungen der Bilirubinkonjugation und verminderter Aufnahme des Bilirubins in die Leberzellen.
→ Klinik:
→ I: Unspezifische Beschwerden mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, dyspeptische Beschwerden und depressive Verstimmung.
→ II: Intermittierender Ikterus (evtl. nur Sklerenikterus) durch Anstieg des indirekten Bilirubins.
→ III: Die Bilirubinwerte steigen gerade bei Infekten und längeren Fastenzeiten deutlich an.
→ IV: Charakteristische Konstellation ist der männliche Jugendliche der nach Stress oder Phasen des Fastens ikterische Skleren und einen erhöhten indirekten Bilirubin-Serumspiegel aufweist.
→ V: Es kann zu diskreten Hämolysezeichen mit Abnahme des Haptoglobins und Zunahme der Retikulozyten kommen. Sie ist kein obligates Symptom, jedoch bei Manifestation verstärkt sie die Hyperbilirubinämie.
→ Klinisch-relevant: Der Abbau bestimmter Medikamente wie Amitryptilin, Ketokonazol und Ketoprofen ist deutlich verlangsamt.
→ Diagnose:
→ I: Beim Morbus Meulengracht handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Hierbei muss vor allem das Cringer-Najjar-Syndrom und die Hämolyse ausgeschlossen werden.
→ II: Labor: Man findet eine leichte Erhöhung des indirekten, unkonjugierten Bilirubins bei Werten von 2-5mg/dl. Die Transaminasen, yGT und die alkalische Phosphatase liegen im Normbereich; Zeichen einer Hämolyse fehlen.
→ III: Fasten-/Nikotinsäure-Test: Nach einer Fastenzeit von 24 Stunden oder durch die Applikation von Nikotinsäure lässt sich ein leichter Anstieg des indirekten Bilirubins nachweisen.
→ IV: Histologie: Verminderte UDP-Glukuronyl-Transferase in der Leber-Stanzbiopsie.
→ Differenzialdiagnose: Vom Morbus Gilbert-Meulengracht müssen insbesondere die hereditären Störungen des Bilirubinstoffwechsels abgegrenzt werden. Hierzu zählen u.a.:
→ I: Morbus Crigler-Najjar (Typ I und II),
→ II: Morbus Dubin-Johnson und das
→ III: Rotor-Syndrom.
→ Therapie:
→ I: Da es sich beim Morbus Gilbert-Meulengracht um eine benigne Hyperbilirubinämie handelt besteht keine Behandlungsbedarf.
→ II: Die Betroffenen sollten über die Harmlosigkeit der Erkrankung, die verminderte Verträglichkeit bestimmter Medikamente, sowie das Unterlassen einer Fastenzeit aufgeklärt werden.