→ Definition: Bei der Autoimmunhepatitis handelt es sich um eine chronisch, häufig schubförmig verlaufende, entzündliche Hepatitis infolge von Autoimmunprozessen. Serologische Charakteristiska der Autoimmunhepatitis sind insbesondere Nachweis von Autoantikörpern (ANA; SMA, SKM-1AK und SLA), die Erhöhung der Transaminasen sowie eine Hypergammaglobulinämie (IgG).
→ Klassifikation: Man unterscheidet hierbei serologisch 3 Formen:
→ I: Typ 1: Ist mit 80% die häufigste Form und weist ANA, Anti-Aktin und SMA (Smooth-muscle-Antibodies) auf. Sie manifestiert sich im Erwachsenenalter.
→ II: Typ 2: Findet man in nur 4% der Fälle; ist SKM-1-Antikörper (AK gegen Leber und Nieren Mikrosomen) positiv und tritt vorwiegend im Kindes- und Jugendalter auf.
→ III: Typ 3: Sehr selten und SLA (AK gegen lösliches Leber-Antigen) positiv. Wird heutzutage zu der Typ-1-Autoimmunhepatitis gezählt.
→ IV: Kryptogener Typ.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Inzidenz liegt bei ca. 0,2-1,0 Erkrankungen/100000 Einwohner und ist damit selten (z.T. steigende Tendenz); Sie tritt in Regionen vermehrt auf, in denen die HLA-Typen B8 und DR3 häufiger sind (z.B. Nordamerika, Westeuropa).
→ II: Es sind in 80% der Fälle Frauen betroffen; in 50% der Fälle manifestiert sie sich vor dem 40. Lebensjahr, zumeist zwischen dem 15.-25. Lebensjahr (ein weiterer Manifestationsipfel liegt um das 55. Lebensjahr).
→ III: Etwa 5-10% der chronischen Hepatitiden werden durch eine Autoimmunhepatitis verursacht.
→ Ätiologie: Bei der Autoimmunhepatitis sind die Ursachen bis heute noch nicht genau geklärt. Triggermechanismen wie virale Infektionen (z.B. Hepatitis A, HBV, HCV oder Herpes simplex Typ 1), Arzneimittel und Umweltgifte werden diskutiert. Eine genetische Disposition in Form eine familiäre Häufung sowie die Assoziation zum HLA-A1, -B8, -DR3 und HLA-DR4 besteht.
→ Pathogenese: Man geht bei der Pathogenese der AIH davon aus, dass Autoantigene der Leberzellen durch antigenpräsentierende Zellen (APC) gemeinsam mit HLA-Klasse-II-Molekülen, den sogenannten Helferlymphozyten (TH1,TH2) präsentiert werden.
→ I: In diesem Rahmen werden von den aktivierten T-Helferzellen Zytokine wie Interleukin-2, Interferon-y und TNF-Alpha produziert und sezerniert, insbesondere bei Defekt der T-Supressor-Lymphozyten. Folge ist die Auslösung von pathologischen Prozessen, die zu einer Destruktion der Leberzellen führen.
→ II: Da es sich bei der Autoimmunhepatitis um ein multifaktorielles Geschehen handelt spielen weitere Triggerfaktoren auch eine wichtige Rolle; hierzu zählen insbesondere:
→ 1) Genetische Disposition mit vermehrtem Aufkommen bei Frauen.
→ 2) Medikamente und Umwelttoxine sowie
→ 3) Infektionen mit z.B. Salmonellen(-Antigenen), aber auch Viren.
→ Klinik: Zumeist beginnt die Erkrankung schleichend; es existieren aber auch akute Krankheitsbeginne (große Herterogenität bezüglich Klinik, Labor und histologischem Befund):
→ I: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Arthralgien und Polymyalgien.
→ II: Epigastrische Beschwerden sowie möglichem Druckgefühl in der Leberregion, Appetitlosigkeit bis hin zur Anorexie.
→ III: Im entzündlichen Schub Ikterus mit dunklem Urin und hellem Stuhl.
→ IV: Leberhautzeichen: Mit
→ 1) Glatter roter Zunge, Lackzunge und Lacklippen,
→ 2) Atrophie der Haut mit Teleangiektasien,
→ 3) Spider naevi im Gesicht und Oberkörperbereich,
→ 4) Palmar- und Plantarerythem,
→ 5) Weißnägel und Dupuytren-Kontrakturen.
→ 6) Menstruationsstörungen bis hin zur sekundären Amenorrhoe.
→ 7) Beim Mann entwickelt sich eine verminderte Körperbehaarung, eine Gynäkomastie und eine Hodenatrophie aufgrund des Östrogenanstiegs.
→ V: In 50% entwickelt sich einer Milzvergrößerung (= Hypersplenismus) mit leichter Thrombopenie und Leukozytopenie.
→ VI: Evtl. Auftreten von extrahepatischen Autoimmunprozessen wie Lungeninfiltrationen, Pleuritis und/oder Glomerulonephritis.
→ Klinisch-relevant: Die Autoimmunhepatitis ist oftmals mit weiteren extrahepatischen Immunphänomenen assoziiert. Hierzu gehören:
→ A) Autoimmunthyreoditis (Hashimoto-Thyreoditis, Morbus Basedow),
→ B) Diabetes mellitus.
→ C) Rheumatoide Arthritis.
→ D) Sjögren-Syndrom und CREST-Syndrom.
→ E) Auch Overlape Syndrome mit primär biliärer Cholangitis und primär sklerosierender Cholangitis können sich manifestieren.
→ F) Weitere Autoimmunerkrankugen wie Morbus Addison, autoimmunes polyglanduläres Syndrom Typ I, Colitis ulcerosa, Zöliakie, Antiphospholipidsyndrom, Vitiligo etc.
→ Komplikation: Eine schwerwiegende Komplikation der Autoimmunhepatitis ist die Ausbildung einer Leberzirrhose mit Aszites und der Gefahr der Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie, aber auch akute Varizenblutung, etc. Eine mögliche Spätfolge ist die Manifestation eines sich auf dem Boden der Zirrhose entwickelnden hepatozellulären Karzinoms.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Inspektorisch sind Leberhautzeichen nachweisbar, palpatorisch zeigt sich eine vergrößerte konsistenzvermehrte Leber.
→ II: Laborchemisch:
→ 1) Erhöhung der Transaminasen, des Gesamteiweiß sowie eine Hypergammaglobuline, gerade vom IgG-Typ.
→ 2) Zeichen einer dekompensierten Leberzirrhose sind insbesondere die hepatischen Syntheseparameter wie Albumin und Cholinesterase, der Quick-(INR)-Wert und die Thrombozytenzahl (Thrombozytopenie).
→ 3) Nachweis der Autoantikörper:
→ A) Klassische lupoide Autoimmunhepatitis Typ I: Nachweis von Antinukleären Antikörpern (ANA), Antikörper gegen das F-Actin der glatten Muskulatur (SMA) und evtl. Antikörper gegen lösliche zytoplasmatische Leberzellantigene (SLA)
→ B) Autoimmunhepatitis Typ II: Mit Nachweis von Liver-kidney-mikrosome-Antikörpern (LKM-1).
→ C) In 90% ist die Virusserologie negativ.
→ III: Histologie: Die histologischen Veränderungen ähneln denen der Virushepatitis, die Entzündungen spielen sich jedoch im Grenzbereich zwischen Portalfeldern und Leberläppchen ab (= Interface Hepatitis). Das entzündliche Infiltrat weist charakteristischerweise Lymphozyten und Plasmazellen auf.
→ Klinisch-relevant: Das Fehlen der Autoimmunphänomene und/oder des histologischen Leber-Befundes schließt eine Autoimmunhepatitis nicht aus.
→ Differenzialdiagnose:
→ I: Ausschluss viral oder toxisch bedingter Leberveränderungen (Medikamente, Toxine, Alkohol).
→ II: Wichtig ist auch die Abgrenzung der LKM-1 positiven Autoimmunhepatitis zur LKM-1 positiven chronischen Hepatitis C.
→ III: Abgrenzung zur primär biliären Zirrhose. Auch bei dieser Erkrankung sind vorwiegend Frauen betroffen. Laborchemisch zeigt sich mit dem Nachweis der AMA-Antikörper gegen Gallengänge und IgM Erhöhung ein deutlicher Unterschied.
→ Therapie: Um das Risiko einer Leberzirrhose zu minimieren, sollte bei Patienten mit histologisch gesicherter Diagnose und erhöhten Transaminasen frühzeitig eine immunsuppressive Therapie eingeleitet werden.
→ I: Allgemeinmaßnahmen: Hierunter fallen:
→ 1) Vermeiden hepatotoxischer Substanzen wie Alkohol, Drogen und bestimmter Medikamente.
→ 2) Ausgewogene Ernährung und Gewichtskontrolle (BMI < 25kg/m2).
→ 3) Gute Einstellung eines gegebenenfalls vorliegenden Diabetes mellitus (HBA1c < 6,2).
→ II: Medikamentöse Therapie:
→ 1) Initial Gabe von 60mg Prednisolon, nachfolgend langsame Dosisreduktion in 5mg Schritten bis zu einer Erhaltungsdosis von < 10mg.
→ 2) Evtl. Kombinationstherapie mit Azathioprin (1-2mg/kgKG) und 30 mg Prednisolon, um mögliche Nebenwirkungen (iatrogener Morbus Cushing) zu vermeiden.
→ 3) Zusätzlich ist eine Osteoporoseprophylaxe mit Vitamin D (800IU) und Kalzium (bis 2g) indiziert.
→ 4) Die Therapie ist über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren obligat. Danach kann bei fehlender histologischer Leberentzündung ein ausschleichendes Absetzten der Behandlung versucht werden. In 80% der Fälle ist jedoch eine lebenslange Therapie indiziert.
→ 5) Bei Therapieversagen bzw. Progredienz der Leberzirrhose ist die ultima ratio die Lebertransplantation.
→ Prognose:
→ I: Unter immunsuppressiver Therapie ist die Prognose relativ gut mit fast normaler Lebenserwartung.
→ II: Ungünstige Krankheitsverläufe weisen:
→ 1) Einen frühen Krankheitsbeginn (Autoimmunhepatitis Typ 2),
→ 2) Eine HLA-DR3-Positivität sowie späte Diagnosestellung und nicht zuletzt
→ 3) Eine hohe Entzündungsaktivität auf.