→ Definition: Das Sjögren-Syndrom gehört zu der Gruppe der Kollagenosen und stellt eine Autoimmunerkrankung (chronische Inflammation) der exokrinen Drüsen, vor allem der Speichel- und Tränendrüsen dar.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Inzidenz liegt bei 4/100000, wobei Frauen deutlich häufiger als Männer betroffen sind (Frauen 10 : Männer 1). Das Sjögren-Syndrom ist nach der chronischen Polyarthritis die 2.-häufigste Autoimmunerkrankung.
→ II: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen 50.-70.Lebensjahr.
→ Ätiologie:
→ I: Primäres Sjögren Syndrom: Hier ist die Ursache nicht genau bekannt; häufig jedoch mit HLA-DR2 und DR3 assoziiert.
→ II: Sekundäres Sjögren-Syndrom: Entwickelt sich im Zuge anderer Kollagenosen wie SLE, Polymyositis (= Overlap-Syndrom), rheumatoider Arthritis, primär biliäre Zirrhose, aber auch bei chronischer Hepatitis B und Hepatitis C.
→ III: Des Weiteren werden virale Infektionen mit z.B. Epstein-Barr-Virus, CMV, HCV oder HIV diskutiert.
→ Pathologie: Es zeigt sich eine lymphozytäre Infiltration mit nachfolgender Zerstörung des Drüsengewebes. Auch kann es zum Befall von extraglandulären Organen wie Niere, Lunge, Muskulatur etc. kommen.
→ Klinik:
→ I: Typische Leitsymptome sind:
→ 1) Keratokonjunktivitis sicca mit Xerophthalmie
→ 2) Verminderte Speichelsekretion mit Xerostomie.
→ II: Weitere Symptome: Können u.a. sein:
→ 1) Befall weiterer exokriner Drüsen auch des Tracheobronchialsystem mit hartnäckigem Hustenreiz (zähem Auswurf,) rezidivierender Bronchitis, weiteren Atemwegserkrankungen und Heiserkeit. Es kommt insbesondere zur Obstruktion der kleinen -, seltener der großen Atemwege; auch sind interstitielle Lungenerkrankungen beschrieben worden.
→ 2) Hypazidität des Magens und
→ 3) Trockenheit der Vaginalschleimhaut.
→ III: Extraglanduläre Symptome: Sind insbesondere:
→ 1) Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, subfibrile Temperaturen etc.
→ 2) Arthritis sowie Fibromyalgiesyndrom (sehr häufig),
→ 2) Raynaud-Syndrom,
→ 3) Autoimmunthyreoiditis (z.B. Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis),
→ 4) Parotisschwellung,
→ 5) Ausbildung einer sekundären Vaskulitis, Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndroms, etc.
→ Komplikationen: Bestehen gerade beim Befall innerer Organe wie:
→ I: Lymphoplasmazelluläre, interstitielle Nephritis mit konsekutiver distaler renal-tubulärer Azidose, Hypokaliämie und evtl. nephrogenem Diabetes insipidus.
→ II: Glomeruläre Veränderungen im Sinne der Immunkomplexnephritis, insbesondere der membranoproliferativen GN, mesangioproliferativen sowie der membranösen GN.
→ III: Idiopathische interstitielle Pneumonie,
→ IV: Bei Befall des Gastrointestinaltracktes evtl. Ausbildung einer Pankreatitis oder einer primär-biliären Zirrhose.
→ V: Neurologische Symptome wie periphere Neuropathie, Innenohrschwerhörigkeit und ZNS-Beteiligung.
→ VI: Entwicklung eines malignen Lymphoms (MALT-NHL).
→ Diagnose: Eine endgültige Diagnose erfolgt durch eine Biopsie der Speicheldrüse.
→ I: Augenärztliche Untersuchungen:
→ 1) Nachweis einer Keratokonjunktivitis sicca mittels Schirmer-Test (Lackmusstreifenpapier < 5mm/5min), sowie
→ 2) Spaltlampenuntersuchung.
→ II: HNO Untersuchung:
→ 1) Saxon-Test: Messung der Speichelproduktion durch wiegen eines Wattebausches, der 2min im Mund verweilte.
→ 2) Sonographie der Glandula parotis usw.
→ III: Szintigraphie: Der Speicheldrüsen mit 99Tc-Pertechnetat; Nachweis einer verminderten Speichelsekretion.
→ IV: Labor:
→ 1) Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie.
→ 2) BSG-Erhöhung, polyklonale Hypergammaglobulinämie.
→ 3) Autoantikörper wie ANA (50-70%), AK gegen extrahierbare nukleäre Antigene SSA (Ro), SSB (La), Rheumafaktor sowie AK gegen die Epithelzellen und Speicheldrüsenausführungsgänge.
→ Differenzialdiagnose: Vom Sjögren-Syndrom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Xerostomie anderer Genese:
→ 1) Hohes Alter,
→ 2) Dehydratation,
→ 3) Kachexie,
→ 4) Medikamenten induziert durch anticholinerg wirkende Substanzen wie Atropin, Spasmolytika, Antihistaminika oder trizyklische Antidepressiva.
→ 5) Bestrahlungsfolge.
→ II: Xerophthalmie anderer Genese wie:
→ 1) Hohes Lebensalter,
→ 2) Vitamin-A-Mangel,
→ 3) Medikamente etc.
→ III: Weitere Erkrankungen:
→ 1) Speicheldrüsenerkrankungen wie z.B. der Küttner-Tumor (= Chronische Sialadenitis der Glandula submandibularis).
→ 2) Heerfordt-Syndrom: Hierbei handelt es sich um eine extrapulmonale Manifestation des Morbus Boeck mit charakteristischen klinischen Zeichen wie Uveitis, Parotisschwellung uns Fazialisparese.
→ 3) Multiple Sklerose sowie Virusinfektionen wie die Parotitis epidemica.
→ Therapie:
→ I: Symptomatisch:
→ 1) Künstliche Speichel- und Tränenflüssigkeit, Kaugummi, Parasympathomimetika wie Pilocarpin-Derivate und Bromhexin fördern die Tränen- und Speichelsekretion, Schutz vor Austrocknung durch Augentropfen.
→ 2) Insbesondere beim sekundären Sjögren-Syndrom ist die Behandlung der Grunderkrankung obligat.
→ 3) Bei distaler renal-tubulärer Azidose evtl. Gabe von Bicarbonat.
→ 4) Besteht eine Organbeteiligung infolge von Vaskulitiden, Glomerulonephritiden oder einer Lungenbeteiligung ist eine immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoide (Prednisolon 0,5-1mg/kgKG/d) indiziert.
→ 5) Bei sehr schweren Verlaufsformen erfolgt die Behandlung mittels Azathioprin und MTX.
→ Prognose: Meist günstig; es besteht ein erhöhtes Risiko für das MALT-Lymphom. Bei der sekundären Form ist die Prognose von der Grunderkrankung abhängig.