→ Definition: Beim Diabetes insipidus ist die Fähigkeit der Niere, den Urin ausreichend zu konzentrieren (= Asthenurie), deutlich vermindert. Klinische Folgen sind Polydipsie und Polyurie sowie ein verdünnter (hypotonen) Urin, da die Niere die Fertigkeit der Wasserretention verliert (insgesamt stellt der Diabetes insipidus mit < 1% der Fälle eine sehr seltene Erkrankung dar). Man unterscheidet hierbei 2 Formen:
→ I: Zentraler Diabetes insipidus und
→ II: Renaler Diabetes insipidus (diese Form ist durch eine regelrechte ADH-Sekretion mit variablen Verlust der renalen ADH-Sensitivität charakterisiert).
→ Ätiologie: Des renalen/nephrogenen Diabetes insipidus:
→ I: Der renale Diabetes insipidus ist charakterisiert durch das fehlende Ansprechen der Nierentubuli auf ADH.
→ II: In Bezug auf den Entstehungsmechanismus unterscheidet man zwischen einer:
→ 1) Angeborenen Form: Zum einen die X-chromsomal-rezessive Vererbung mit einem Defekt im Vasopressin-Rezeptor-Gen (AVPR2-Gen), das den V2-Rezeptor kodiert. Es besteht eine familiäre Häufung, wobei vorwiegend Männer betroffen sind. Zum anderen die autosomal-rezessive Vererbung mit Defekt im Aquaporin-2, einem Wasserkanal im Nierentubulus.
→ 2) Erworbene Form: Sie ist auf eine chronische Nierenerkrankung mit Tubulusschädigung zurückzuführen. Klassische Nierenerkrankungen sind insbesondere die chronische Pyelonephritis, polyurische Phase einer akuten Niereninsuffizienz, polyzystische Nierenerkrankungen, Nephropathie beim Sjögren-Syndrom, Myelomniere, Amyloidose sowie bei der Sichelzellanämie, aber auch bei persistierenden Elektrolytstörungen wie Hypokaliämie (< 3,0mmol/l) und Hyperkalzämie (> 3,5mmol/l). Eine weitere Ursache (im Sinne einer medikamentös induzierten Form) ist die chronische Lithium-Einnahme sowie Vasopressin-V2-Rezeptor-Antagonisten, Amphotericin B, Colchicin, Barbiturate, etc.
→ Pathogenese:
→ I: Physiologischerweise verursacht die Bindung von ADH an den V2-Rezeptor, dass die im Zytosol in Vesikeln gespeicherte Kanalproteine (Aquaporin 2, 3 und 4) in die basolaterale Membran des Sammelrohrs integriert werden. Folglich kann Wasser vom Tubuluslumen in den Intrazellularraum und schließlich ins Blut (dem osmotischen Gradienten entsprechend) abströmen.
→ II: Beim nephrogenen Diabetes insipidus ist das Ansprechen des distalen Tubulus und Sammelrohrs auf ADH aufgrund eines Rezeptordefektes bzw. einer Störung der cAMP-vermittelten Signalübertragung aufgehoben, sodass die ADH-abhängige Harnkonzentrierung nicht gewährleistet ist.
→ III: Klinisches Korrelat ist eine Asthenurie (= Unvermögen der Harnkonzentrierung) sowie die vermehrte Ausscheidung eines verdünnten Urins (= reduzierte Urinosmolalität). Konsekutiv manifestiert sich u.a. die Abnahme des Körperwassers, eine Hypernatriämie sowie eine erhöhte Plasmaosmolalität.
→ Klinik:
→ I: Das charakteristische Symptomtrias des Diabetes insipidus renalis ist:
→ 1) Polyurie mit vermehrtem Wasserlassen zwischen 5-20l, Nykturie (> 2x/Nacht).
→ 2) Konsekutiv eine Polydipsie und
→ 3) Asthenurie.
→ II: Die Symptome bestehen auch nachts, sodass man bei fehlender Nykturie einen Diabetes insipidus ausschließen kann.
→ Komplikationen: Sind insbesondere:
→ I: Nach längerem Dursten Exsikkosegefahr mit konsekutiver hypertonen Dehydratation.
→ II: Zentralnervöse Störungen: Mit Verwirrtheitszuständen, Somnolenz bis hin zum Koma.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese: Vor allem die Medikamentenanamnese (Lithium, Amphothericin B, Barbiturate).
→ II: Labor: Plasmaosmolalität erhöht (> 295 mOsmol/l), Urinsomolalität erniedrigt (< 300mOsmol/l), ADH normal bis erhöht sowie eine Hypernatriämie.
→ II: Durstversuch: Beim Gesunden steigt nach längerer Durstphase die Urinsomolalität, AHD vermittelt, auf Werte deutlich > 500mOsmol/l an. Im Gegensatz dazu nimmt bei Patienten mit Diabetes insipidus die Plasmaosmolalität > 295mOsmol/l zu, während die die Urinosmolaität < 300mOsmol/l liegt.
→ III: Zur Unterscheidung zwischen renalem und zentralem D.i. wird anschließend eine Testdosis von 10µg Desmopressin (1Desamino-D-Arginin-Vasopressin) substituiert. Während sich beim zentralen Diabetes insipidus ein Anstieg der Urinosmolalität manifestiert, bleibt er beim nephrogenen aus.
→ Differenzialdiagnose: Vom renalen Diabetes insipidus müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Zentraler Diabetes insipidus: Plasmaosmolalität erhöht, Urinosmolalität erniedrigt, ADH erniedrigt. Nach Gabe von Desmopressin steigt die Urinosmolalität an.
→ II. Psychogene Polydipsie: Plasmaosmolalität erniedrigt, Urinosmolalität erniedrigt, ADH erniedrigt, die Urinosmolaität steigt während des Durstversuches an.
→ III: Osmotische Diurese bei Diabetes mellitus (D.m. Typ 1/D.m. Typ 2).
→ IV: Polyurische Phase eines akuten Nierenversagens,
→ V: Diuretika-Überdosierung (z.B. mit Schleifendiuretika),
→ VI: Hyperkalzämische Krise.
→ Therapie:
→ I: Im Vordergrund steht immer die kausale Therapie der Grunderkrankung.
→ II: Bei der hereditären Form kann eine salzarme und eiweißreiche Kost weiterhelfen.
→ III: Medikamentös wird ein Hydrochlorothiazid in einer Dosis von 50-100mg/d substituiert. Thaizide vermindern paradoxerweise die Polyurie, indem sie die Resorption in den proximalen Tubuli vermindert.
→ IV: Evtl. kann die Gabe von NSAR die ADH-Sensitivität am Rezeptor (mit konsekutiver Reduktion der Polyurie) erhöhen.