Definition: Beim nephrotischen Syndrom handelt es sich um einen Symptomkomplex bestehend aus:

I: Proteinurie > 3,0-3,5 g/d,

→ II: Hypoproteinämie < 60g/l,

III: Hypalbuminämie (< 30g/l) mit Ausbildung von Ödemen und

→ IV: Sekundäre Hyperlipoproteinämie mit Erhöhung des Cholesterins (Gesamt- und LDL-Cholesterin) und bei schwerer Form auch Erhöhung der Triglyceride.

 

  Ätiologie:

→ I: Nephrotisches Syndrom: Bei primärer glomerulärer Schädigung wie z.B. die Glomerulonephritis:

→ 1) Minimal-change-Glomerulonephritis (häufigste Ursache für ein nephrotisches Syndrom im Kindesalter)

→ 2) Fokal-segmental-sklerosierende Glomerulonephritis,

→ 3) Membranöse GN (häufigste Ursache für ein nephrotischen Syndroms im Erwachsenenalter) und

4) Membranoproliferative GN.

II: Nephrotisches Syndrom: Bei sekundärer glomerulärer Schädigung:

→ 1) Infektionen: Bakterielle Infektionen wie bei der Poststreptokokken-GN oder der bakteriellen Endokarditis, aber auch im Rahmen von viralen Infektionen wie bei der Hepatitis B/Hepatitis C, Mononucleose, CMV, HIV etc.

→ 2) Stoffwechselerkrankungen: Diabetes mellitus im Rahmen der diabetischen Nephropathie (Diabetes mellitus Typ II, Diabetes mellitus Typ I), Hypothyreose.

→ 3) Systemerkrankungen: SLE, rheumatoide Arthritis, Purpura Schoenlein-Henoch, Amyloidose, Colitis ulcerosa.

4) Maligne Erkrankungen: Morbus Hodgkins, Karzinome der Lungen, der Mamma, Magen-CA, Kolons etc.

5) Medikamente: Gold, Penicillamin, NSAR, Lithium, Captopril (in hohen Dosen).

811 Ursachen des nephrotischen Syndroms

 

Klinische-relevant: 70-80% der Patienten mit nephrotischem Syndrom weisen eine primär-glomeruläre Erkrankung auf.

 

Pathogenese: Ursache ist eine erhöhte Permeabilität der glomerulären Kapillaren für Plasmaeiweiß und konsekutiver Proteinurie, hervorgerufen durch:

→ I: Subepitheliale Immunkomplexbildung,

II: Ablagerung von pathologischen Immunglobulinen oder

→ III: Zytokin-bedingte Schädigung der Kapillarwände.

 

Klinik: Die 3 Kardianlssymptome sind:

→ I: Proteinurie > 3,5g/d.

→ II: Hypoproteinämie mit Albumin < 3g/dl (Hypalbuminämie) und konsekutiver Ausbildung peripherer Ödeme (aufgrund einer erhöhten Wasser- und Salzretention, erhöhten Kapillarpermeabiltät) im Bereich der Unterschenkel und Füße sowie eine Anasarka.

→ III: Hyperlipoproteinämie mit Erhöhung des Cholesterins und der Triglyceride.

IV: Erhöhte Infektanfälligkeit: Neben Albumin gehen auch andere Proteine wie insbesondere das Immunglobulin IgG verloren.

V: Erhöhte Thrombose-/Embolieneigung: Verursacht durch den renalen Verlust des Antithrombins (hemmt die Faktoren IX, X, XI sowie Thrombin) und Ausbildung von Nierenvenenthrombosen und tiefen Beinvenenthrombosen.

→ VI: Im fortgeschrittenen Stadium Entwicklung einer Niereninsuffizienz und möglicher arteriellen Hypertonie.

→ VII: Komplikationen: Thromboemolische Komplikationen wie die:

→ 1) Lungenembolie

→ 2) Nierenvenenthrombose mit erhöhter Gefahr der Ausbildung eines akuten Nierenversagens.

 1126 Darstellung des renalen Verlustes und die klinischen Folgen bei nephrotischem Syndrom

 

  Diagnose:

→ I: Urin:

1) Bestimmung der EW-Ausscheidung im 24h-Sammelurin > 3,5g/d.

→ 2) Nachweis von spezifischem Urinsediment:

→ A) Ausgeprägte Proteinurie, gelegentlich findet man auch eine Hämaturie.

B) Freie Fetttröpfen und Fettzylinder 

→ C) Malteserkreuze im Sediment: Hierbei handelt es sich um doppelbrechende cholesterinreiche Zylinder.

→ 3) Anstieg des spezifischen Gewichts des Urins durch den hohen Eiweißgehalt.

→ 4) Im fortgeschrittenen Stadium entwickeln sich Zeichen einer Niereninsuffizienz durch Abnahme der Kreatinin-Clearance.

008 Differenzialdiagnose des nephrotischen   und nephritischen Syndroms

 

→ Klinisch-relevant: Bei der unselektive Proteinurie werden Proteine mit einem großen Molekulargewicht von > 25 x 10´5 Dalton renal eliminiert.

 

→ II: Blut:

→ 1) Elektrophorese mit Albumin und Gamma-Globulin erniedrigt, Alpha-2 und ß-Globulin relativ erhöht.

→ 2) Cholesterin und Trikylzeride erhöht.

→ 3) Evtl. Antithrombin und IgG erniedrigt.

→ 4) Suche nach Auto-Antikörpern bei Verdacht auf membranöse Glomerulonephritis (Nachweis von Anti-PLA2R1-Antikörpern).

→ 5) Bei Niereninsuffizienz manifestiert sich eine erhöhte Harnstoff- und Serumkreatinin-Konzentration; das Kreatinin-Clearance ist erniedrigt.

→ III: Die Sonographie der Nieren und anschließende farbkodierter Doppleruntersuchung der Nierenvenen sind beim nephrotischen Syndrom obligat.

→ IV: Nierenbiopsie: Aus diagnostischen, therapeutischen und prognostischen Gründen.

810 Elektrophorese des nephrotischen Syndroms

 

Therapie:

→ I: Kausal: Behandlung der Grunderkrankung bzw. Absetzten renal-toxisch wirkender Substanzen. 

II: Symptomatisch:

→ 1) Körperliche Schonung

2) Eiweißarme (< 0,8g/kgKG/d), kochsalzarme Kost.

→ 3) Diuretische Kombinationstherapie mit einem kaliumsparenden Diuretikum (z.B. Spironolacton) und einem Thiazid.

→ 4) In Ausnahmefällen, bei sehr schweren Ödemen, Gabe einer kochsalzarmen Albumininfusion zur Hebung des kolloid-osmotischen Drucks.

5) Thromboseprophylaxe durch niedrig-dosierte Heparin-Gabe,

→ 6) Behandlung der Hypercholesterinämie mittels CSE-Hemmer.

7) Therapie der Hypertonie mittels ACE-Hemmer oder AT-1-Hemmer zur Senkung des arteriellen Hypertonus, der die Niere zusätzlich schädigt. 

→ 8) Antibiotische Therapie von Infekten sowie eine prophylaktische Impfung gegen Influenzaviren und Pneumokokken.