→ Definition:
→ I: Bei den Schleifendiuretika handelt es sich um eine Substanzgruppe, die die stärkste diuretische Wirksamkeit unter den Diuretika aufweisen und ca. 20-30% des glomerulär filtrierten Kochsalzes und Wassers renal eliminiert.
→ II: Sie sind Sulfonamid-Derivate, da sie wie die Thiaziddiuretika eine Sulfonamidgruppe enthalten; wichtige Vertreter sind u.a.:
→ 1) Furosemid,
→ 2) Torasemid und
→ 3) Piretanid.
→ Wirkungsmechanimus:
→ I: Gemeinsamer Wirkungsort aller Schleifendiuretika ist der dicke aufsteigende Ast der Henle-Schleife. Hier sind in der luminalen Zellmembran sogenannte Na+/K+/2Cl--Co-Transporter lokalisiert, die durch Anlagerung an die Cl--Bindungsstelle des Transporterproteins reversibel inhibiert werden.
→ II: Folge ist eine vermehrte Na+, Cl- sowie H2O-Elimination.
→ III: Weitere Wirkungsmechanismen:
→ 1) Furosemid blockiert zusätzlich noch die Carboanhydrase im proximalen Tubulus, das die diuretische Wirkung zusätzlich (gering) steigert.
→ 2) Schleifendiuretika steigern Prostaglandin-vermittelt die Nierendurchblutung.
→ 3) Insbesondere durch die Blockade des Na+/K+/2Cl--Symporters wird auch (unerwünscht) vermehrt Kalium im dicken Ast der Henle-Schleife ausgeschieden. Wichtig hierbei ist, dass mit steigender Na+-Ausscheidung auch vermehrt K+ (H+) renal eliminiert wird. Auch wird die K+-Ausscheidung durch das erhöhte Angebot von Natrium und H2O im distalen Tubulus mit konsekutiver Induktion eines sekundären Hyperaldosteronismus gesteigert.
→ 4) Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, denn Schleifendiuretika stimulieren die Reninfreisetzung im juxtaglomerulären Apparat und führen zu einer reflektorischen Sympathikus-Aktivierung. Des Weiteren manifestiert sich ein Anstieg der renalen Ca2+ und Mg2+-Ausscheidung durch Entwicklung eines transepithelialen Potenzials im dicken aufsteigenden Ast der Henle-Schleife.
→ Wirkung: Die Schleifendiuretika weisen eine schnelle, kurze und starke Wirkung auf und finden insbesondere Einsatz in der Akuttherapie:
→ I: Die Schleifendiuretika haben im Vergleich zu anderen Diuretika die stärkste natriuretische Wirkung mit konsekutivem antihypertensiven Effekt.
→ II: Zusätzlich senkt diese Substanzgruppe die Preload und den zentralen Venendruck durch eine indirekte Vasodilatation mit Reduktion möglicher peripherer Ödeme (bzw. bei Lungenödem).
→ III: Senkung des peripheren Widerstandes mit Abnahme der Nachlast.
→ Klinisch-relevant: Der vasodilatatorische, vorlastsenkende Effekt der Schleifendiuretika tritt noch vor der diuretischen Wirkung ein und wird humoral über die Niere vermittelt. Voraussetzung hierfür sind eine intakte Prostaglandin-Synthese und ein aktiviertes Renin-Angiotensin-Aldosteron-System.
→ Indikation:
→ I: Zur Behandlung von kardialen, renalen (bei z.B. dem nephrotischen Syndrom) und hepatischen (z.B. Aszites bei Leberzirrhose) Ödemen; zumeist mit einem Thiaziddiuretikum kombiniert.
→ II: Therapie des Lungenödems durch Senkung der Vorlast. Hierbei macht man sich den extrarenalen, direkten vasodilatatorischen Effekt auf die venösen Kapazitätgefäße zu Nutze. Die Applikation erfolgt infolge eines raschen Wirkgungseintritts intravenös.
→ III: Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz mit peripheren Ödemen, aber auch der akuten Linksherzinsuffizienz. Nach Reduktion der Stauungssymptomatik kann auf ein Thiazid umgestellt werden.
→ IV: Niereninsuffizienz und akutes Nierenversagen zur Aufrechterhaltung der Diurese.
→ V: Arterielle Hypertonie: (Insbesondere bei gleichzeitig bestehender eingeschränkter Nierenfunktion) Die Verabreichung eines Schleifendiuretikums ist in niedriger Dosierung (z.B. Torasemid 5 mg/d) möglich, jedoch sind Thiazide geeigneter.
→ VI: Elektrolytverschiebung/-entgleisung:
→ 1) Hyperkaliämie: Hierbei ist insbesondere bei der lebensbedrohlichen Hyperkaliämie eine Kombinationstherapie aus Furosemid (40mg intravenös), Natriumbicarbonat, Kalziumglukonat und einer Glukoselösung indiziert.
→ 2) Hyponatriämie: Bei einer Serum-Natriumkonzentration von < 125mmol/l sollte eine Schleifendiuretika-Behandlung zusammen mit einer hypertonen Kochsalzlösung erfolgen, da das Diuretikum die Nierenfunktion, konzentierten Harn zu produzieren, beeinträchtigt.
→ 3) Hyperkalzämische Krise: Es ist eine Furosemid-Substitution in einer Dosierung von 40-120mg bei gleichzeitiger isotoner Kochsalzlösung indiziert.
→ VII: Sekundäre Toxinelimination durch forcierte Diurese bei z.B. durch Amphetamine oder Lithium, aber auch präventiv zur Verhinderung von Nierendestruktionen durch nephrotoxische Substanzen z.B. Cisplatin.
→ Klinisch-relevant: Insbesondere Furosemid weist auch bei einer glomerulären Filtrationsrate von 5ml/min eine diuretische Wirkung auf.
→ Pharmakokinetik: Schleifendiuretika zeichnen sich durch ihre schnelle, kurze und starke Wirksamkeit aus und eignen sich insbesondere für die Akuttherapie.
→ I: Nach oraler Applikation werden die Schleifendiuretika im Gastrointestinaltrakt resorbiert und an Plasmaeiweißprotein gebunden.
→ II: Anschließend werden sie durch das im proximalen Tubulus lokalisierte Anionentransportersystem in das Tubuluslumen sezerniert, gelangen mit dem Primärharn in den aufsteigenden Ast der Henle-Scheife, wo sie den Na+/K+/2Cl--Kotransporter hemmen.
→ III: Die diuretische Wirkung tritt nach oraler Verabreichung nach 30-60min ein, erreichen ihr Wirkmaximum nach 1-2 Stunden und hält ca. 6 Stunden an. Bei intravenöser Applikation setzt der Wirkeintritt deutlich schneller (10min) ein; die Wirkdauer beträgt ca. 1-2 Stunden.
→ Nebenwirkungen:
→ I: Eine häufige Nebenwirkung bei der Behandlung mit Schleifendiuretika ist die Elektrolytstörung mit z.T. lebensbedrohlicher Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie und die mögliche Entwicklung einer hypochlorämischen mit Gefahr der metabolischen Alkalose.
→ II: Hypotonie: Zumeist infolge einer Hypovolämie mit RR-Senkung, Schwindel orthostatischer Dysregulation und evtl. einem Harnstoff- und Kreatininanstieg (Tbl.: Diuretikaresistenz). Zudem besteht eine erhöhte Thromboseneigung.
→ III: Ototoxizität: Insbesondere bei rascher i.v. Applikation durch veränderte Elektrolytzusammensetzung der kaliumreichen Endolymphe. Tinnitus, Hörverlust und Taubheit stellen hierbei reversible klinische Symptome dar.
→ IV: Metabolische Störungen:
→ 1) Hyperurikämie/Gicht durch Hemmung der renalen Uratausscheidung.
→ 2) Des Weiteren können sich eine verminderte Glukosetoleranz (Hyperglykämie), ein Anstieg des LDL- und Triglyceridspiegels, sowie die Reduktion der HDL-Konzentration im Serum manifestieren.
→ V) Weitere Nebenwirkungen: Sind u.a.:
→ 1) Gastrointestinal: Mit Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö.
→ 2) Allergische Reaktionen: Der Haut und Schleimhäute,
→ 3) Blutbildveränderungen: Mit Anämie, Thrombozytopenie (z.B. idiopathische thrombozytopenische Purpura, etc.) und evtl. Leukopenie.
→ Klinisch-relevant: Im Verlauf der Schleifendiuretika-Therapie besteht die Möglichkeit der Wirkungsabschwächung als sogenannte "Diuretikaresistenz" infolge einer kompensatorischen Resorptionssteigerung im distalen Tubulus. Hierbei ist es wichtig, nicht die Dosis zu erhöhen, sondern vielmehr muss eine Kombination mit einem Thiaziddiuretikum erfolgen, die zu einer sequenziellen Nephronblockade und zur Zunahme der Diurese führt. Weitere Ursachen für eine Diuretikaresistenz sind Hyponatriämie und die Behandlung mit NSAR.
→ Kontraindikationen: Sind u.a.:
→ I: Überempfindlichkeiten gegenüber Sulfonamiden.
→ II: Schwere Leber- (z.B. hepatisches Koma) und Nierenerkrankungen sowie anurisches Nierenversagen.
→ III: Weitere Kontraindikationen: Sind insbesondere:
→ 1) Schwere Elektrolytverschiebungen wie Hypokaliämie, Hyponatriämie, aber auch schwere Hypovolämie.
→ 2) Schwangerschaft und Stillzeit.
→ 3) Digitalisintoxikation.
→ Wechselwirkungen:
→ I: Additive Blutdrucksenkung bei einer Kombinationstherapie mit Antihypertensiva, ACE-Hemmern, ß-Blockern, Nitraten, Vasodilatatoren, trizyklischen Antidepressiva.
→ II: Digitalis: Die Digitaliswirkung wird durch kaliumausscheidende Diuretika deutlich gesteigert.
→ III: Durch Kombination mit Lithium oder Theophyllin wird die renale Ausscheidung von Schleifendiuretika gehemmt, wodurch es zu einer Wirkungsverlängerung/-verstärkung kommt.
→ IV: Orale Antidiabetika und harnsäuresenkende Substanzen führen zu einer Wirkungsverminderung der Schleifendiuretika.
→ V: Die gleichzeitige Therapie mit einem Aminoglykosidantibiotika ist, durch die gesteigerte ototoxische Wirkung zu vermeiden; die Nephrotoxizität der Cephalosporine wird durch Schleifendiuretika verstärkt.