Definition:

→ I: Von einer Hypomagnesiämie spricht man bei einer Magnesium-Serumkonzentration von < 0,75-0,7mmol/l (= 1,7mg/dl). Häufig ist sie mit weiteren Elektrolytstörungen (z.B. Hypokaliämie, Hypokalzämie, metabolische Alkalose, etc.) vergesellschaftet.

→ II: Bei Magnesium handelt es sich ähnlich wie bei Phosaphat und Kalium um ein vorwiegend intrazelluläres Ion in z.B. Knochen, Muskeln, Weichteilen, Erythrozyten, etc. Der Normbereich für Magnesium liegt zwischen 0,73-1,6mmol/l (= 1,8-2,6mg/dl) und wird hauptsächlich über die Niere reguliert. Magensium ist wiederum ein Faktor für die Kaliumrückresorption im aufsteigenden Ast der Henle-Schleife und im distalen Tubulus und trägt zur Aufrechterhaltung des Kaliumspiegels bei. 

 

Physiologie: Der tägliche Bedarf an Magnesium liegt bei 6-10mg/kgKG (= 0,2-0,4mmol/kg). Die physiologische Magnesium-Verteilung im Organismus beinhaltet:

→ I: 20% des im Plasma befindlichen Magnesiums ist an Plasmaprotein gebunden, 50-65% liegt in frei ionisierender From vor und in 20-25% bildet Mg2+ mit Phosphat, Oxalat und anderen Anionen Komplexe.

→ II: Zudem ist Magnesium ein wichtiger Kofaktor für Enzymreaktionen im Organismus (z.B. magnesiumaktivierte N+/K+-ATPase).

→ III: Chronische Hypomagnesiämie führt zur:

→ 1) Reduktion der Parathormon-Sekretion und

→ 2) Noch bedeutsamer zur ossären Parathormon-Resistenz.

 

Ätiologie:

→ I: Angeborene/primäre Form: Des Magnesiumverlustes:

→ 1) Autosomal-rezessiv bedingter, intestinaler Magnesiumverlust mit sekundärer Hypokalzämie und Krampfanfällen.

→ 2) Autosomal-dominant bedingte renale Hypomagnesiämie (seltene Erkrankungen).

→ 3) Familiäre Hypomagesiämie mit Hyperkalziurie und konsekutiver Nephrokalzinose infolge einer Mutation im Paracellin-1-Gen.

→ 4) Gitelman-Syndrom.

→ II: Erworbene/sekundäre Form:

→ 1) Renaler Mg2+-Verlust:

→ A) Sekundär bei Hyperkalzämie durch Hemmung der tubulären Magnesium-Rückresorption.

→ B) Hyperthyreose (z.B. Morbus Basedow, SD-Autonomie),

→ C) Hyperaldosteronismus, Hypoparathyreoidismus

→ D) Diabetes mellitus (Glukosurie bei D.m. Typ 1 /D.m. Typ 2), 

E) Metabolische Azidose, aber auch aufgrund einer Alkoholabhängigkeit.

→ F) Medikamenten-induziert: Diuretika (z.B. Schleifendiuretika, Thiazide, Ausnahme sind K+-sparende Diuretika), Aminoglykoside, Cyclosporin A, Cisplatin, etc.

 2) Enteraler Mg2+-Verlust: Laxantienabusus, Diarrhoe, Malassimilationssyndrom, Colitis ulcerosa, villöse Kolonadenome (Siehe kolorektales Adenom), Zustand nach Magen-Bypass-Operationen, etc..

→ 3) Verminderte Mg2+-Zufuhr:

→ A) Mangelernährung (z.B. Anorexia nervosa),

→ B) Alkoholabhängigkeit und Delirium tremens mit der Gefahr der respiratorischen Alkalose und konsekutiver Magnesium-Verschiebung in die Zelle etc.

 4) Verteilungsstörungen: Bei akuter Pankreatitis und infolge einer Insulintherapie.

429 Beispiele für die Ätiologie der Hypomagnesiämie

 

Klinik: Die klinischen Zeichen treten meist erst bei einer Mg2+-Plasmakonzentration von < 0,5mmol/l auf mit folgenden Symptomen:

→ I: Neuropsychiatrisch: Schwächegefühl, Schwindel, evtl. Reizbarkeit, Depression, Konzentrationsstörungen, neuromuskuläre Störungen Tremor, Parästhesien, Magnesiummangeltetanie und Ataxie sowie erhöhte neuromuskuläre Erregbarkeit mit Hyperreflexie (Chvostek- und Trousseau-Zeichen), Faszikulationen und Krampfanfällen bis hin zum Koma.

→ II: Gelenkbeteiligung durch Einlagerung von Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristallen in die Gelenke im Rahmen einer Chondrokalzinose.

 III: Kardial: 

→ 1) Extrasystolen, atriale und ventrikuläre Arrthythmien (z.B. Vorhofflimmern; Torsades-pointes-Tachykardie), QT-Verlängerung, Entwicklung einer Angina pectoris aufgrund einer erhöhten Koronararterienspasmen-Bereitschaft.

→ 2) EKG-Veränderungen: Werden vor allem bei Serummagnesiumspiegel < 0,6mmol/l beobachtet mit:

→ A) Senkung der ST-Strecke,

→ B) T-Wellen-Abflachung und

→ C) Evtl. QT-Verlängerung, selten jedoch zeigt sich die Entwicklung einer Torsades-de-pointes-Tachykardie (EKG-Befund-Torsades-de-Pointes-Tachykardie).

750 Klinische Symptomatik abhängig von der Serummagnesium Konzentration

 

Klinisch-relevant:

→ A) Eine Hypomagnesiämie steigert die Digitalis-Empfindlichkeit (siehe auch Digitalisintoxikation) signifikant.

→ B) Meist besteht eine begleitende Hypokaliämie und/oder Hypophosphatämie.

→ C) An eine Hypomagensiämie sollte immer dann gedacht werden, wenn die Patienten eine Hypokalzämie, therapierefraktäre Hypokaliämie, chronische Diarrhoe sowie ein vermehrtes Auftreten von ventrikulären Arrhythmien aufweisen.

 

Diagnose:

→ I: Labor:

→ 1) Bestimmung der Plasmaelektrolyte (Mg2+, K+, Ca2+, etc.), der Glukose, Pankreasenzyme (Lipase, Amylase) und des Säure-Basen-Haushaltes.

→ 2) Zur Differenzierung zwischen intestinalem und renalem Magnesiumverlust Bestimmung der Magnesium-Konzentration im 24h-Sammelurin (> 1mmol/l Mg2+ spricht für einen renalen Verlust).

II: EKG: ST-Strecken-Senkung, T-Wellen-Abflachung, QT-Verlängerung.

1222 Refeeding Syndrom

 

Therapie: Indikationen für eine Magnesiumtherapie sind insbesondere, bekannte Hypomagnesiämie, erhöhter Magnesiumbedarf beim Sport, während der Schwangerschaft und bei Patienten auf der Intensivstation sowie im Rahmen einer Präklampsie bzw. Eklampsie und bei bestehenden Muskelkrämpfen.

→ I: Allgemein Maßnahmen:

→ 1) Behandlung der Grunderkrankung,

→ 2) Bei milden Formen kann eine magnesiumreiche Kost mit Obst, Gemüse und Nüssen erfolgen.

→ II: Medikamentöse Therapie:

→ 1) Orale Magnesium-Applikation mit einer Dosierung von 1-2x 4-9mg pro Tag.

→ 2) Intravenöse Substitution mit einer Dosierung von 25mmol Magnesiumsulfat in einer 1000ml 5%igen Glucose-Infusion.