Definition: Bei der Chondrokalzinose handelt es sich um eine Erkrankung der Knochen, die durch die Einlagerung von Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristallen (CPPD) in den Faserknorpel der Menisken, hyalinen Knorpel, den Bandscheiben und seltnener Sehnenansätzen gekennzeichnet ist. Folge ist eine Entzündungsreaktion sowie Arthritiden, die mono- bzw. oligo- oder polyartikulär auftreten.

 

Epidemiologie: Die Prävalenz für die Entwicklung einer Chondrokalzinose mit Ablagerung von Kalziumpyrophosphatdihydrat in die Gelenke liegt zwischen 3 und 11%, wobei keine Geschlechterbevorzugung existiert (sie ist deutlich seltener als die Arthritis urica). Die Häufigkeit nimmt mit dem Lebensalter zu, sodass 1/3 der 60. Jährigen entsprechende radiologischen Zeichen aufweisen.

 

Ätiopathogenese: Die Chondrokalzinose wird nach ihrer Genese in 2 Formen unterteilt:

→ I: Primäre Form: Stellt die häufigere Form dar und tritt überwiegend familiär oder sporadisch auf.

→ II: Sekundäre Form: Sie manifestiert sich bei jüngeren Patienten zumeist im Rahmen von metabolischen Erkrankungen, die mit einer Störung des Kalzium und Phosphatstoffwechsels einhergehen, wie:

→ 1) Primärer - und sekundärer Hyperparathyreoidismus.

→ 2) Familiäre hyperkalzämische Hypokalziurie und Hypophosphatasie.

3) Hypomagnesiämie

4) Weiteren Erkrankungen: Sind insbesondere Hämochromatose, Morbus Wilson und Akromegalie, etc.

III: Triggermechanismen, die eine Entwicklung der Chondrokalzinose begünstigen sind u.a. lokale Gelenkveränderungen (insbesondere degenerativ) durch vorangegangene Trauma, Gelenkoperation, Gelenkinstabilität, idiopathische Hypermobilität, etc.

 

Klinik: Die Chondrokalzinose verläuft überwiegend klinisch stumm und ist zumeist ein radiologischer Zufallsbefund. Wird sie klinisch manifest sind unterschiedliche Verlaufstypen nachweisbar, die solitär, gleichzeitig oder abwechselnd auftreten können.

I: Akute Mono-/Oligarthritis: Sie gleicht einem Gichtanfall (wird auch als Pseudogicht bezeichnet) und entspricht einem akuten Synovialisschub, verursacht durch eine Phagozytose der Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristalle.

→ 1) Betroffen sind vor allem das Knie- (50%) und das Handgelenk (nie jedoch das Großzehengrundgelenk).

→ 2) Zumeist bildet sich die Erkrankung in einem Zeitraum von einem Tag bis 4 Wochen.

→ II: Subakute Polyarthritis: (= rezidivierend) Sie manifestiert sich in 5% der Fälle und dauert einige Wochen bis Monate. Im Vergleich zur akuten Form sind die klinischen Entzündungszeichen abgeschwächt, allerdings sind verschiedene Gelenke gleichzeitig betroffen. Nicht selten wird diese Verlaufsform mit der rheumatischen Arthritis verwechselt, jedoch kommt es nicht zu den klassischen Gelenkzerstörungen der RA.

→ III: Chronische Gelenkschmerzen: Stellen die häufigste Verlaufsform dar (50%) und betrifft zumeist Frauen. Klinisch manifestiert sich eine destruktive mono-, olig- oder polyartikuläre Arthropathie, die sich relativ rasch innerhalb von Monaten entwickelt und z.T. Zu schweren Verstümmelungen führen kann. Prädilektionsstellen sind in absteigender Häufigkeit das Knie-, Schulter-, Hüft-, Hand-, Ellenbogen- und Sprunggelenk.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Bei der pseudomeningitische Chondrokalzinose handelt es sich um eine hoch-zervikale Arthritis mit Kalzifikation des Lig. transversum.

→ B) 30% der > 70. Jährigen mit rasch verlaufender destruktiver Coxarthrose weisen eine Chondrokalzinose auf.

 

→ IV: Weitere CPPD-Ablagerungen: Die Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristalle können sich auch in den Gelenken der Gliedmaßen und außerhalb der Gelenke an weiteren Strukturen manifestieren:

→ 1) Im Sternoklavikulargelenk, Akromioklavikulargelenk, in den Syndesmosen sternalis und Iliosakralgelenken.

→ 2) In der Wirbelsäule und betrifft vorwiegend den Anulus fibrosus. Nur selten entwickeln sich akute Schmerzen mit Entzündungscharakter.

→ 3) Sehnen: Im Bereich der Achillessehne, des M. triceps brachii, M. quadriceps, Mm. obturatores, Plantarapeoneurose, etc. (radiologisch ist eine deutliche Sehnenverkalkung erkennen, die insbesondere hilfreich sein kann, wenn die klinischen Zeichen unsicher sind.

→ 4) Bänder: Einlagerung von Pyrophosphat in das Retinaculum flexorum mit konsekutiver Entwicklung eines Karpaltunnel-Syndroms.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Mit Eruierung von Vorerkrankungen, Lokalisation der Beschwerden (große Gelenke wie Knie-, Hüft- und Schultergelenk, etc. mit Verkalkungen der Menisken, des Faserknorpels im Handgelenk und der Symphyse am Hüftgelenk, etc.).

→ II: Bildgebung:

→ 1) Röntgen: Darstellung von Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristallen als lineare Verkalkungen insbesondere im fibrösen und hyalinen Anteils des Gelenkknorpels.

→ 2) Gelenkpunktat: Nachweis von CDDP-Kristallen in der Synovialflüssigkeit als rhomboidale Kristalle mit einer positiven Doppelbrechung (polarisationsmikroskopisch).

III: Bei der inflammatorischen Form sind nicht selten die Entzündungsparameter insbesondere die CRP, Leukozytose, Globulin a1 und a2  als Folge der akuten Phase-Reaktion erhöht; auch manifestiert sich oft eine erheblich beschleunigte BSG-Senkung. Zur Erkennung einer sekundären Chondrokalzinose sind die Bestimmung von Kalzium, Magnesium, Phosphat, Parathormon, Eisen, Ferritin, Transferrin, Eisenbindungskapazität, etc. obligat.

965 Diagnose und Therapiealgorithmus bei Chondrokalzinose

 

Differenzialdiagnose: Von der Chondrokalzinose müssen nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Arthritis urica im Rahmen einer Hyperurikämie bzw. Gicht.

→ II: Rheumatoide Arthritis und nicht zuletzt

→ III: Weitere akute und chronische Gelenksaffektionen, etc.

 

Therapie: Es steht bis heute in der Behandlung der Chondrokalzinose keine kausale Therapie zur Verfügung. Insbesondere bei der asymptomatischen sekundären Form sollte die ursächliche Grunderkrankung therapiert werden (eine Basistherapie ist hierbei nicht indiziert).

→ I: Akute Form:

→ 1) Im akuten Anfall (ähnlich wie bei der Gicht), werden primär NSAR verabreicht, die bei Therapieversagen durch Glukokortikoide ersetzt werden.

→ 2) Lokale Therapiemaßnahmen sind intraartikuläre Steroidinjektionen und Radiosynovioorthese.

→ 3) Bei rezidivierenden Attacken kann eine Prophylaxe mit niedrig dosiertem Colchicin (2x 0,5mg/d) versucht werden.

→ II: Chronsiche Form: Die chronische Form erfordert eine umfangreiche Behandlung mit Physiotherapie, physikalischer Behandlung, Ergotherapie und als ultima ratio die Operation z.B. bei Arthrose.

 

Prognose: Die Prognose ist sehr variabel von akut, über rezidivierend bis hin zu chronischen Krankheitsverläufen.