Definition: Unter dem Begriff Hyperthyreose werden die durch den vermehrten Schilddrüsengehalt in der Peripherie mit konsekutiver Stimulation der Stoffwechselvorgänge und sympathoadrenerger Überempfindlichkeit ausgelösten Krankheitsbeschwerden zusammengefasst.

 

Epidemiologie:

→ I: Die Hyperthyreose tritt im Erwachsenenalter (Allgemeinbevölkerung) mit einer Prävalenz von 1-2% auf.

→ II: In Deutschland wird sie zu gleichen Anteilen der Immunhyperthyreose (Morbus Basedow) und der Schilddrüsenautonomie zugeteilt, während in Ländern mit ausreichender Jodversorgung die Autonomie in den Hintergrund tritt.

→ III: Frauen sind 5-8x häufiger von einer Hyperthyreose betroffen als Männer, wobei der Manifestationsgipfel zwischen dem 25.-60. Lebensjahr liegt. 

 

Ätiologie: Die häufigsten Ursachen sind insbesondere die Schilddrüsenautonomie aufgrund eines Jodmangels sowie die Immunhyperthyreose. Letztere gilt heute als genetisch determinierte Störung des Immunsystems, die sich durch:

→ I: Hyperaktivität des lymphatischen Systems.

II: Lymphozytäre Infiltration des Schilddrüsenparenchyms,

III: Häufiger Nachweis von Schilddrüsenautoantikörpern

→ IV: Assoziation zu HLA-Antigenen und nicht zuletzt

→ V: Aufgrund des gehäuften familiären Vorkommens bzw. der Assoziation zu anderen Autoimmunerkrankungen.

 740 Ursachen der Hyperthyreose

 

Pathogenese: Nachfolgende Effekte sind allen Formen der Hyperthyreose gemeinsam und basieren auf erhöhten Schilddrüsenhormonen im Organismus mit konsekutiver Steigerung der schilddrüsenhormonabhängigen biologischen Prozesse:

→ I: Steigerung der Oxidation, Thermogenese, des Cholesterin- und Glykogenabbaus sowie des Umsatzes der freien Fettsäuren.

→ II: Steigerung des Proteinumbaus (beinhaltet sowohl die Synthese als auch den Abbau, wobei letzteres bei der Hyperthyreose überwiegt).

III: Katecholaminwirkung: Bei bestehender Hyperthyreose manifestiert sich eine erhöhte Sensibilität gegenüber den Katecholaminen mit:

→ 1) Gesteigerter Herzfrequenz,

→ 2) Gesteigerter Muskelkontraktion sowie

→ 3) Erhöhter Nervenerregbarkeit.

4) Zusätzlich zeigt sich ein beschleunigter Abbau der Nebennierenrindenhormone (Mineralkortikoide, Glukokortikoide, Androgene).

 

Klassifikation: Die Hyperthyreose wird nach ihrem Schweregrad eingeteilt in:

I: Latente Hyperthyreose: Bei dieser Form ist TSH supprimiert, jedoch liegen die peripheren Schilddrüsenhormone im Normbereich.

→ II: Manifeste Hyperthyreose: Hier ist neben dem TSH auch die peripheren Schilddrüsenhormone erhöht und es besteht in der Regel eine klinische Symptomatik.

→ III: Die thyreotoxische Krise stellt eine lebensbedrohliche endokrine Notfallsituation dar.

 

Klinik: Die klinische Symptomatik der Hyperthyreose resultiert unabhängig von der Genese (z.B. Schilddrüsenautonomie, Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, Thyreoiditis de Quervain, etc.) aus der Wirkung der Schilddrüsenhormone in der Peripherie.

→ I: Klinische Leitsymptome sind u.a.:

1) Allgemeinsymptome mit innerer Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, vermehrtes Schwitzen, Wärmeintoleranz, aber auch depressive Episoden (insbesondere im höheren Lebensalter), etc.

→ 2) Kardiale Symptome: Mit Ruhetachykardie, Palpitation, Tachyarrhythmie bis hin zum Vorhofflimmern.

→ 3) GIT-Beschwerden: Mit vermehrtem Appetit, erhöhter Stuhlfrequenz bis hin zur Diarrhö.

→ II: Insbesondere im höherem Lebensalter (nach dem 60. Lebensjahr) sind die Beschwerden zumeist nur mono- oder oligosymptomatisch.

III: Bei Dekompensation einer schweren Hyperthyreose kann sich eine thyreotoxische Krise entwickeln, die auch heute noch häufig letal endet.

742 Häufige klinische Symptome der Hyperthyreose

 

Diagnose: Die Diagnose der manifesten Hyperthyreose ergibt sich in Abhängigkeit von der Form der Hyperthyreose aus der Anamnese, klinische Untersuchung, Laborparametern und bildgebender Diagnostik.

→ I: Anamnese: Familiäre Häufung von Schilddrüsenerkrankungen, Medikamentenanamnese (z.B. Amiodaron, etc.), Eruierung der Kardinalssymptome (z.B. Nervosität, Schwitzen, Ruhetachykardie, Gewichtsabnahme, etc.).

II: Klinische Untersuchung: Inspektion und Palpation der Schilddrüse mit möglicher Erfassung von:

1) Grad der Struma (I-III) inklusive Bestimmung des Halsumfangs.

→ 2) Knoten (Größe, Schmerzhaftigkeit, Konsistenz, Schluckverschieblichkeit).

→ 3) Stridor, Schwirren, Halsvenenstauung und Erfassung des cervikalen Lymphknotenstatus.

→ 4) Allgemeine Untersuchung mit Puls, Blutdruck, Ödemen, etc.

III: Labor:

→ 1) Das bedeutendste Laborparameter in der Hyperthyreose-Diagnostik ist das TSH basal sowie der freien T3/T4 Schilddrüsenhormone.

743 Klassifikation der Hyperthyreose

2) Schilddrüsenautoantikörper: Sie dienen der Differenzialdiagnose einer Hyperthyreose mit Nachweis autoimmunologischer Formen. Die Bestimmung der Autoantikörper sollte im Stadium der floriden Hyperthyreose erfolgen und umfasst die TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK), Thyreogobulin-Antikörper (TAK) und mirkosomale AK (MAK).

→ IV: EKG: Die EKG-Veränderungen beruhen fast ausschließlich auf der Wirkung der Schilddrüsenhormone auf den Herzmuskel selbst: 

1037 Wichtige EKG Veränderungen bei Hyperthyreose

→ V: Bildgebende Diagnostik:

→ 1) Sonographisch werden Aussagen über Größe, Lage und nicht zuletzt Struktur des Organs getroffen. Häufig zeigt sich bei der Hyperthyreose eine ausgeprägte Echoarmut des Schilddrüsenparenchyms.

745 Schematische Darstellung des Halsquerschnittes in Schilddrüsenhöhe

 → 2) Die Schilddrüsen-Szintigraphie dient als ergänzendes Diagnostikum zur Darstellung morphologischer Besonderheiten.

 

Differenzialdiagnose: Die Differenzialdiagnosen des klinischen Krankheitsbildes sind breit gefächert und umfassen:

→ I: Vegetative Dystonie, aber auch Wechseljahre,

→ II: Kardiale Erkrankungen: Wie u.a.:

→ 1) Sick-Sinus-Syndrom,

→ 2) Herzrhythmusstörungen bis hin zum Vorhofflimmern,

→ 3) Koronare Herzkrankheit,

→ 4) Kardiomyopathie, etc.

III: Diabetes mellitus,

→ IV: B-Symptomatik bei malignen Neoplasien.

→ V: Myasthenia gravis (Ermüdbarkeit, Adynamie, periodische Paralysen).

→ VI: Psychischtrische Erkrankungen: Wie z.B.

1) Psychosen anderer Genese,

→ 2) Involutionsdepression, aber auch

→ 3) Chronische Alkoholabhängigkeit und nicht zuletzt das

→ VII: Phäochromozytom.

 

Therapie: Allgemein hängt die Therapiewahl entscheidend von der Form der Hyperthyreose ab und es stehen prinzipiell 3 Behandlungssäulen zur Verfügung.

→ I: Medikamentöse Therapie: (= thyreostatisch)

→ 1) Hierbei stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, wobei ist Carbimazol bzw. Thiamazol sich als Mittel der ersten Wahl herauskristallisiert haben. Diese Thyreostatika hemmen die Bildung der Schilddrüsenhormone durch Blockade der Umwandlung des Jodthyrosins zu Jodthyronin.

2) Eine Alternative bei z.B. Unverträglichkeit der Thyresotatika vom Mercaptoimidazol-Typ stellt Propylthiouracil mit gleichem biochemischen Angriffspunkt dar.

→ 3) Perchlorat hemmt die Aufnahme von Jodid in die Schilddrüse und wird insbesondere zum prophylaktischen Schutz der Schilddrüse z.B. bei SD-Autonomie vor Jodexposition eingesetzt.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Das Blutbild während der Thyreostatikatherapie sollte zu Behandlungsbeginn eine engmaschige Laborkontrolle zum frühzeitigen Nachweis einer möglichen Leukozytopenie bzw. Agranulozytose, im weiteren Therapieverlauf in ¼-jährigen Abständen erfolgen.

B) Der Schilddrüsenhormonspiegel sollte unter der medikamentösen Behandlung nicht zu tief absinken, um eine vermehrte TSH-Sekretion mit Gefahr der Struma-Bildung zu vermeiden.

 

II: Operative Therapie: Sie dient der Resektion des überaktiven Schilddrüsenparenchyms.

→ III: Radiojodtherapie: Diese Behandlungsoption stellt eine Alternative zur chirurgischen Intervention dar (sie ist während einer Schwangerschaft kontraindiziert und im Anschluss an eine 6 Monate dauernde Karenzphase möglich).

 

Prognose: Die klinische Symptomatik der Hyperthyreose sistiert unter der Therapie mit Erreichen einer euthyreoten Stoffwechsellage rasch.