→ Definition: Beim Morbus Basedow handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse mit familiärer Häufung, die durch die Bildung von Autoantikörpern (in > 90% sind AK gegen den TSH-Rezeptor nachweibar) zu einer vermehrten Synthese von Schilddrüsenhormonen mit konsekutiver Hyperthyreose führt. Das klinische Krankheitsbild ist durch die fakultative Merseburg-Trias (in 50% der Fälle), bestehend aus Struma, Exophthalmus und Tachykardie, charakterisiert.
→ Epidemiologie:
→ I: Ca. 30% der Hyperthyreosen in Deutschland werden durch den Morbus Basedow verursacht.
→ II: Er kann in jedem Lebensalter auftreten; der Manifestationsgipfel liegt jedoch zwischen dem 20.-50. Lebensjahr, wobei das weibliche Geschlecht 5 x häufiger als das männliche betroffen ist.
→ III: Der Morbus Basedow ist neben der Schilddrüsenautonomie (z.B. autonomes Adenom) die häufigste Ursache für eine Schilddrüsenüberfunktion.
→ Ätiologie:
→ I: Die Ätiologie ist noch nicht genau geklärt, es zeigt sich jedoch ein vermehrtes Auftreten bei HLA-DR3 und B8 beobachtet.
→ II: Eine genetische Komponente besteht, da u.a. die Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen 20-40% beträgt.
→ III: Auslösefaktoren wie hormonelle Veränderungen während der Schwangerschaft, psychosoziale Faktoren, sowie virale bzw. bakterielle Infektionen (Yersinien) werden diskutiert.
→ Pathogenese:
→ I: Ursache ist genetisch determinierte Störung der innuologischen Kontrolle mit konsekutiver lymphzytärer Infiltration der Schilddrüse und Hyperaktivität des lymphatischen Systems.
→ II: Die größte Bedeutung hierbei haben die TSH-Rezeptor-Antikörper, die durch Stimulation der auf den Follikelzellen befindlichen TSH-Rezeptoren eine Hyperthyreose induzieren. Folgen sind u.a.:
→ 1) Eine vermehrte Produktion von Hormonen (T3/T4) mit konsekutiver Schilddrüsenüberfunktion.
→ 2) Ein durch Dauerstimulation verursachter Wachstumsreiz, der zu einer Strumaentwicklung führen kann.
→ III: Des Weiteren sind z.T. Antikörper gegen:
→ 1) Das Thyreoglobulin (=TG-AK) und
→ 2) Die Schilddrüsenperoxidase (TPO-AK) nachweisbar.
→ IV: Histologisch besteht die oben genannte lymphozytäre Infiltration mit Hypervaskularisation des Schilddrüsengewebes.
→ Klinik:
→ I: Merseburg Trias: Bestehend aus Struma (70-90%), Exophthalmus und Tachykardie. Das Fehlen einer Struma oder eines Exopthalmus schließt einen Morbus Basedow nicht aus.
→ II: Symptome einer Hyperthyreose: Mit psychomotorischer Unruhe, feinschlägiger Tremor, Affektlabilität, Hyperhidrosis, Wärmeintoleranz (warmer, feuchter Haut), Schlafstörungen, Tachykardie, tachykarden Rhythmusstörungen insbesondere Vorhofflimmern, supraventrikuläre -/ventrikuläre Extrasystolen, Palpitation, arterielle Hypertonie mit erhöhter Blutdruckamplitude, Pulsus celer et altus, Durst, Heißhunger, Gewichtsverlust, häufiger Stuhlgang aufgrund einer erhöhten Darmmotilität, seltener Diarrhoe und nicht zuletzt Menstruationsstörungen.
→ III: Symptome einer Orbitopathie: Die endokrine Orbitopathie ist beweisend für eine Morbus Basedow und charakteristische klinische Zeichen sind vor allem:
→ 1) Stellwag-Zeichen: Hierbei zeigt sich eine verminderte Lidschlagfrequenz.
→ 2) Dalrymple-Zeichen: Infolge der Retraktion des Oberlides wird die Kornea zwischen Oberlidunterkante und Limbus corneae als feiner weißer Streifen sichtbar.
→ 3) Graefe-Zeichen: Typischerweise bleibt das Oberlid bei der Blicksenkung zurück und schließlich das
→ 4) Möbius-Zeichen: Es handelt es sich um eine Konvergenzschwäche der Augen mit Diplopie.
→ IV: Ein weiteres Symptom ist das prätibiale Myxödem, mit grobporiger, ödematös geschwollener und dunkel-verfärbter Haut, infolge einer Glykosaminoglykan-Einlagerung.
→ V: Komorbiditäten: Der Morbus Basedow ist nicht selten mit weiteren Autoimmunerkrankungen wie Morbus Addison, Diabetes mellitus Typ I, rheumatoide Arthritis und nicht zuletzt Zöliakie assoziiert.
→ Komplikationen: Seltene jedoch z.T. schwerwiegende Komplikationen beim Morbus Basedow sind u.a.:
→ I: Lebersteatose,
→ II: Pleuraerguss und nicht zuletzt
→ III: Perikarderguss.
→ Diagnose:
→ I: Klinische Untersuchung:
→ 1) Palpatorisch ist die Schilddrüse meist vergrößert;
→ 2) Infolge eine Hypervaskularisation der Schilddrüse kann sich auskultatorisch ein schwirrendes Geräusch zeigen.
→ II: Labor:
→ 1) Es besteht eine hyperthyreote SD-Funktion mit TSH-Erniedrigung und T3/T4 Erhöhung.
→ 2) Nachweis von AK gegen TSH-Rezeptoren (= ) in > 90% der Fälle.
→ 3) Ebenfalls sind Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (70%), Seltener sind Anti-Thyreoglobulin-AK (12-30% der Fälle) nachweisbar.
→ III: Bildgebende Verfahren:
→ 1) Sonographie: Diffuse, inhomogene, echoarme z.T. vergrößerte Schilddrüse mit Hypervaskularisation.
→ 2) Szintigraphie: Charakteristischerweise zeigt sich ein diffuses, inhomogenes Radionukleotid-Uptake.
→ Differenzialdiagnose: Von der Basedow-Krankheit sind insbesondere nachfolgende Erkrankungen abzugrenzen:
→ I: Hyperthyreose bei Schilddrüsenautonomie,
→ II: Frühe Phase einer Hashimoto-Thyreoiditis,
→ III: Papilläres Schilddrüsenkarzinom.
→ Therapie:
→ I: Konservative Therapie:
→ 1) Mittel der Wahl in Deutschland ist eine 1-jährige thyreostatische Therapie (12-18 Monate). Eingesetzt werden Thyreostatika, wie z.B. das Carbimazol mit einer Initialdosis von 20-60mg/d. Nach einem Jahr sollte durch Ausschleichen des Medikaments ein Auslass versucht werden. Bei 50% der Patienten kommt es zu einer dauerhaften Remission, die andere Hälfte entwickelt innerhalb von Wochen bis Monaten (bis Jahren) ein Rezidiv; hier ist in der Regel eine definitive thyreoablative Behandlung (mittels Operation oder Radiojodtherapie) indiziert.
→ 2) Des Weiteren erfolgt eine symptomorientierte Therapie mit einem Beta-Blocker, bevorzugt hierbei wird Propranolol, da es zusätzlich die periphere Konversion von T4 in T3 hemmt.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Eine seltene jedoch lebensbedrohliche Nebenwirkung der thyreostatischen Therapie ist die Agranulozytose, insofern sind regelmäßige Blutbildkontrollen obligat.
→ B) Vor jeder Radiojodtherapie muss mit Hilfe einer thyreostatischen Therapie eine euthyreote Stoffwechsellage erreicht werden.
→ II: Radiojodtherapie:
→ 1) Indikation: Indikation für die Radiojodtherapie sind u.a. Therapieversagen nach 1 Jahr, schwere Nebenwirkungen infolge einer thyreostatischen Therapie und nicht zuletzt Kontraindikationen für eine OP bzw. Patientenwunsch.
→ 2) Kontraindikationen: Für die Radiojodtherapie sind insbesondere junges Alter (Kinder und Jugendliche), Zeitraum der Gravidität, etc.
→ III: Operative Therapie:
→ 1) Indikation: Wichtige Indikationen für eine operative Intervention sind u.a. Hyperthyreoserezidive, eine stark vergrößerte Struma mit möglichen mechanischen Komplikationen, ausgeprägte Orbitopathie, thyreotoxische Krise und nicht zuletzt Malignitätsverdacht.
→ 2) Verfahren: (= Subtotale Thyreoidektomie) Hemithyreoidektomie mit subtotaler Resektion der Gegenseite. Ein SD-Restgewebe von 2g wird häufig belassen. Nur selten wird eine totale Thyreoidektomie durchgeführt.
→ 3) Nachsorge: Hier ist eine TSH-adaptierte Substitution von L-Thyroxin indiziert.
→ IV: Therapie der endokrinen Orbitopathie:
→ 1) Allgemeinmaßnahmen wie Schaffung einer euthyreoten Stoffwechsellage, Nikotinabstinenz, befeuchtende Augentropfen, Augensalben und ein nächtlicher Okklusionsverband.
→ 2) In schweren Fällen kann eine Steroidtherapie (Prednisolon 60mg/d; Reduktion über Wochen) indiziert sein.
→ 3) Bei zunehmender Verschlechterung mit Gefahr des Visusverlustes sollte eine operative Orbitadekompression oder eine Retrobulbärbestrahlung erfolgen.