Definition:

→ I: Bei den Thyreostatika handelt es sich um eine Gruppe von Substanzen, die in unterschiedlicher Weise die Synthesemechanismen der Schilddrüsenhormonbildung hemmen.

→ II: Hierbei sind die Thionamide von besonderer Bedeutung (hemmen die Schilddrüsenhormonsynthese, indem sie die Thyreoperoxidase blockieren).

→ III: Weitere Thyreostatika: Sind u.a.

→ 1) Hemmstoffe der Jodaufnahme wie Perchlorat.

→ 2) Lithiumionen, die die Schilddrüsenhormonfreisetzung blockieren und

→ 3) Amiodaron besitzt auch thyreostatische Effekte, indem es die Umwandlung von T4 in T3 verhindert.

49 Angriffspunkte der Schilddrüsenhormone

→ IV: Klassische Indikationen für die Applikation von Thyreostatika sind:

→ 1) Die Hyperthyreose bei z.B. Morbus Basedow oder Schilddrüsenautonomie. 

→ 2) Die thyreotoxischen Krise.

→ 3) Prophylaktische Substitution vor Kontrastmittel-Gabe, bei Verdacht auf eine latente Hyperthyreose.

→ 4) Überbrückungsintervall bis zum Wirkungseintritt der Radiojodtherapie.

 

Klassifikation: Bei den Thyreostatika unterscheidet man zwischen:

→ I: Thionamide: Hierbei handelt es sich um schwefelhaltige Thyreostatika wie Carbimazol, Thiamazol und Propylthiouracil.

→ II: Perchlorat: Perchlorat hemmt kompetitiv die Jodaufnahme in die Schilddrüse und wird über den Natrium-Jodid-Symporter von den Thyreozyten aufgenommen. Die Wirkung wird durch die Freisetzung des gesamten ungebundenen Jodids aus den Schilddrüsenzellen erreicht. Perchlorat wird oral appliziert; die Wirkung hält jedoch nicht lange an. 

 III: Weitere Thyreostatika: Hierzu zählen u.a.:

→ 1) Hochdosiert Jodid (Kaliumjodid) und

→ 2) Lithiumionen.

66 WIchtige Aspekte der Thyreostatika

 

Wirkmechanismus:

→ I: Schwefelhaltige Thyreostatika:

→ 1) Sie hemmen die Schilddrüsen-Peroxidase (und konsekutiv die Schilddrüsenhormonsynthese), die die Jodisation von Thyrosin(-resten) des Thyreoglobulins katalysieren. Die Blockade ist jedoch von der Jodidkonzentration abhängig:

→ A) Bei niedriger Jodid-Konzentration ist die Blockade irreversibel,

→ B) Bei hoher Jodid-Konzentration ist die Hemmung reversibel und kompetitiv.

→ 2) Propylthiouracil hemmt zusätzlich noch die periphere Konversion von T4 in das aktive T3 in der Schilddrüse und den peripheren Geweben durch Blockade der 5-Dejodase.

→ 3) Der Wirkungseintritt erfolgt mit einer Latenz von 6-8 Tagen, da die Sekretion von bereits gebildeten Hormonen unbeeinflusst bleibt.

II: Carbimazol:

→ 1) Carbimazol stellt ein Prodrug dar und wird in seine aktive Form umgewandelt.

2) Die Initialdosis beträgt 40-60mg/d, die Erhaltungsdosis 5-20mg/d.

3) Prophylaktisch ist es, vor diagnostisch-indizierter Gabe eines jodhaltigen Kontrastmittels z.B. bei bestehender SD-Autonomie in einer Dosis von 10-20mg/d (in Kombination mit 1g Perchlorat) über 8-10 Tagen zu verabreichen.

 → III:Thiomazol: Initialdosis 20-40mg/d, Erhaltungsdosis 5-10mg/d.

IV: Propylthiouracil:

→ 1) Initialdosis 3 x 75-100mg/d, Erhaltungsdosis 25-250mg/d.

→ 2) In schweren Fällen oder bei bestehendem Jodkontakt kann die Dosis deutlich erhöht werden (4-6 x 300-600mg).

074 Prophyluracil

 

→ Indikation: Die Thyreostatika werden insbesondere bei nachfolgenden Erkrankungen eigesetzt; hierzu zählen:

→ I: Hyperthyreose wie beim Morbus Basedow oder der Schilddrüsenautonomie.

→ II: Thyreotoxische Krise.

→ III: Bei Radiojodtherapie zur Überbrückung bis zum Wirkungseintritt.

→ IV: Bei latenter Hyperthyreose prophylaktisch vor Gabe hoher Jod-Dosen im Rahmen z.B. einer Röntgenuntersuchung mit jodhaltigem Kontrastmittel.

→ V: Als Kombinationstherapie mit L-Thyroxin bei Immunthyreopathien zur Erhaltung einer euthyreoten Stoffwechsellage mit konsekutiver Vermeidung einer Struma-Entwicklung.

 

→ Pharmakokinetik:

→ I: Thiamazol und Carbimazol werden nach oraler Applikation rasch und vollständig resorbiert.

→ II: Die Metabolisierung erfolgt in der Leber durch Schwefeloxidation und Konjugation der Glucuronsäure; die Eliminiation erfolgt zu 70% renal.

→ III: Besonderheiten der einzelnen Thyreostatika:

→ 1) Carbimazol: Stellt eine Prodrug dar und wird nach Resorption rasch und vollständig in Thiamazol umgewandelt.

→ 2) Propylthiouracil: Weist eine deutlich kürzere Halbwertszeit als Thiamazol auf und hemmt im Vergleich zu den anderen Thyreostatika noch die 5-Dejodase, wodurch die periphere Konversion zu T3 gehemmt wird; dies stellt einen ausschlaggebenden Grund für die Favorisierung in der Behandlung der thyreotoxischen Krise dar.

67 Pharmakokinetik der Thyreostatika

 

→ Klinisch-relevant:

→ A) Jodmangel verstärkt die Wirkung des Thiamazols, während eine Jodbelastung sie schwächt.

→ B) Thiamazol verursacht eine Wirkungsverstärkung insbesondere von Cumarinen und Propranolol.

 

Nebenwirkungen: Sind vor allem:

→ I: Strumigene Wirkung infolge des T3/T4 Wirkungsausfalls mit konsekutivem TSH Anstieg insbesondere bei hoher Dosierung.

→ II: Hautausschlag, Pruritus, Urtikaria sowie weitere allergische Reaktionen.

III: Selten verursachen sie eine Knochenmarksdepression mit z.B. Thrombozytopenie, hämolytischer Anämie (insbesondere unter Propylthiouracil) bis hin zur lebensbedrohlichen Agranulozytose (setzt schlagartig ein zumeist ab dem 8. Tag bzw. 2-6 Wochen nach Therapiebeginn; die Inzidenz liegt bei 1/500).

→ IV: Weitere Nebenwirkungen: GIT-Beschwerden mit Übelkeit und Erbrechen, Polyneuropathie und Geschmacksverlust (v.a. unter Thiamazol), Cholestase und eine z.T schwere Hepatotoxizität insbesondere bei höheren Dosen; zudem werden ANCA-positive Vaskulitiden beobachtet.

 

Kontraindikationen: Sind u.a. schwere Leberschädigungen und bekannte Unverträglichkeitsreaktionen. Vorsicht in der Schwangerschaft und Stillzeit, da gerade die Thionamide plazentagängig sind. Sie sollten möglichst niedrig dosiert bzw. auf Propylthiouracil umgestiegen werden.

 

Wirkmechanismus:

→ I: Perchlorat: Perchlorat blockiert die Jodidaufnahme in die Thyreozyten und konsekutiv die Hormonsynthese in der Schilddrüse durch Hemmung des basolateralen Natriumjodidsymports.

→ II: Indikation:

→ 1) Es ist besonders gut geeignet zur Substitution bei notwendiger Applikation jodhaltiger Kontrastmittel zur Diagnosestellung einer SD-Autonomie, da es rasch zur Schilddrüsenblockade (= Blockade der Jodaufnahme) führt; zudem wird es zur kausalen Therapie der jodinduzierten Hyperthyreose eingesetzt.

2) Gilt als Substanz der 2. Wahl bei der Behandlung der Hyperthyreose.

→ III: Pharmakokinetik: Nach oraler Applikation wird Natriumperchlorat rasch und vollständig resorbiert. Die HZW des Perchlorat liegt zwischen 4-6 Stunden, bevor es renal eliminiert wird.

IV: Dosierung: In den ersten 1-2 Wochen liegt die Dosis bei 800-1000mg/d (= 3-5x Einzeldosis von 20 Tropfen); die Erhaltungsdosis  bei 100-400mg/d (= 3x 7 Tropfen).

→ V: Nebenwirkungen: Sind

1) Häufig GIT-Beschwerden sowie Gastritis,

2) Allergische Reaktionen: Mit Gelenk- und Muskelschmerzen, Exanthem und evtl. Fieber.

3) Selten Thrombozytopenie, Leukozytopenie, Agranulozytose sowie die aplastische Anämie.

→ 4) Weitere Nebenwirkungen sind die Lymphadenopathie und das nephrotische Syndrom.

 

Klinisch-relevant: Bei den Thyreostatika sollten regelmäßige Blutbildkontrollen erfolgen, um eine mögliche Agranulozytose frühzeitig zu entdecken.

 

Weitere Thyreostatika:

→ I: Jodid:

→ 1) In hohen Dosen wirkt Jodid durch Hemmung der Hormonfreisetzung aus dem Thyreoglobulin thyreostatisch; dies wird als Plummerung bezeichnet.

→ 2) Zusätzlich verhindert es kurzfristig die Aufnahme von Jodid in die Zelle.

→ 3) Indiziert ist die hochdosierte Gabe bei z.B. thyreotoxischer Krise (nicht-jodinduziert).

II: Lithiumionen: Sie wirken auch thyreostatisch durch Hemmung der Proteolyse des Thyreoglobulins. Folglich wird die Hormonfreisetzung unterbunden.