→ Definition: Bei der Leberzirrhose handelt es sich um eine Destruktion des Leberparenchyms und der hepatischen Gefäßstruktur mit konsekutiver diffuser Bindegewebsvermehrung infolge verschiedener Lebererkrankungen. Pathologische Veränderungen sind u.a.:
→ I: Entzündlicher Fibrosierung.
→ II: Die Ausbildung von bindegewebigen Septen zwischen den Portalfeldern untereinander (portoportal) bzw. den Portalfeldern und den Zentralvenen (portozentral), sowie
→ III: Die Entwicklung von Regenerationsknoten.
→ Epidemiologie: Die Inzidenz in Deutschland liegt bei ca. 250/100000/Jahr, wobei Männer insbesondere bei der alkoholinduzierten Leberzirrhose doppelt so häufig wie Frauen betroffen sind.
→ Ätiologie: Gerade der Alkoholabusus und die Virushepatitis sind die häufigsten Ursachen für die Entwicklung einer Leberzirrhose:
→ I: Häufige Ursachen:
→ 1) Alkoholabusus bzw. Alkoholabhängigkeit (Frauen > 20g/d; Männer 50g/d).
→ 2) Chronisch aktive Virushepatitiden wie Hepatitis B, Hepatitis C und Hepatitis D.
→ II: Autoimmunerkrankungen:
→ 1) Autoimmunhepatitis,
→ 2) Primär biliäre Zirrhose,
→ 3) Primär sklerosierende Cholangitis.
→ III: Stoffwechselstörungen: wie:
→ 1) Morbus Wilson: Autosomal-rezessive vererbte Störung des Kupferstoffwechsels.
→ 2) Hämochromatose,
→ 3) Alpha-1-Antitrypsinmangel,
→ 4) Mukoviszidose,
→ 5) Galaktosämie,
→ IV: Kardiovaskulär:
→ 1) Chronische Rechtsherzinsuffizienz,
→ 2) Perikarditis constrictiva,
→ 3) Budd-Chiari-Syndrom.
→ V: Medikamente/Chemikalien: Tetrachlorkohlenstoff, Methotrexat, Isoniazid (INH = Antibiotikum zur Behandlung der TBC).
→ VI: Krypotgene Leberzirrhose: Hierbei ist die Ursache nicht eruierbar, jedoch ist sie zumeist auf die nicht-alkoholische Steatohepatitis (= NASH) bzw. auf autoimmune Pathomechanismen zurückzuführen.
→ Klassifikation: Der Leberzirrhose nach ihrer Morphologie:
→ I: Mikronoduläre Leberzirrhose: Die Regenerationsknötchen < 3mm. Sie manifestiert sich beim chronischen Alkoholabusus; der Aufbau ist charackteristischerweise monolobulär.
→ II: Makronoduläre Leberzirrhose: Die Regenerationsknötchen haben eine Größe zwischen 3mm-3cm; gehäuftes Auftreten bei hepatisch bedingter Zirrhose. Charakteristikum ist der multilobuläre Aufbau.
→ III: Gemischtknötige Form.
→ Klinik: Der zirrhotische Umbau der Leber verläuft zunächst klinisch stumm.
→ I: Allgemeinsymptome: Sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Leistungsschwäche, Völlegefühl, Inappetenz, Gewichtsabnahme.
→ II: Im weiteren Krankheitsverlauf treten dann klinische Zeichen einer Leberinsuffizienz bzw. portalen Hypertension auf.
→ 1) Leberhautzeichen: Mit Palmar- und Plantarerythem, Spider-naevi (= Prädilektionstellen sind der Oberkörper und das Gesicht), Caput medusae, Lacklippen, Lackzunge, Mundwinkelrhagaden, Weißnägel und Hautatrophie (Geldscheinhaut) mit Teleangiektasien sowie die Dupuytren Kontraktur.
→ 2) Hormonelle Störungen:
→ A) Mann: Entwicklung eines femininen Behaarungstyps mit Bauchglatze und Gynäkomastie durch den gestörten hepatischen Östrogenabbau, sowie Libido-, Potenzstörungen und Hodenatrophie.
→ B) Frau: Meist Menstruationsstörungen evtl. Ausbildung einer sekundären Amenorrhoe.
→ Klinisch-relevant: Weitere ätiologiespezifische Symptome sind:
→ A) Hämochromatose: Dunkles Hautkolorit.
→ B) Morbus Wilson: Extrapyramidal motorische Störungen.
→ Komplikationen: Sie bilden sich aufgrund einer Dekompensation der Leber (portale Hypertension, Störungen der Syntheseleistung und Entgiftung) aus:
→ I: Aszites, (mit der Gefahr der spontan bakteriellen Peritonitis und des hepatorenalen Syndroms), Ödeme, Varizen (-blutungen) Pfortaderthrombose infolge einer portalen Hypertension.
→ II: Blutungsneigungen und petechiale Hautblutungen aufgrund einer Synthesestörung bzw. Thrombozytopenie.
→ III: Hepatische Enzephalopathie, Leberkoma, Hypersplenismus.
→ IV: Ausbildung eines hepatozellulären Karzinoms.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese und klinische Untersuchung: Die Leber ist meist vergrößert (erst im Spätstadium ist sie verkleinert), derb und weist eine höckrige Oberfläche auf. Evtl. nachweisbare Milzvergrößerung, Aszites oder ein Caput medusae.
→ II: Labor:
→ 1) Erniedrigung der Gerinnungsfaktoren (II, VII, IX und X) und des Antithrombins, des Albumins und der Cholinesterase.
→ 2) Erhöhung des direkten Bilirubins und im entzündlichen Schub der Transaminasen (GOT, GPT) evtl. auch yGT und LDH.
→ 3) Aufgrund einer verminderten Entgiftungsfunktion manifestiert sich eine Hyperammoniämie und erhöhte Konzentration von Medikamenten bzw. deren Metaboliten.
→ 4) Weitere Laborveränderungen sind u.a. die Hypokaliämie; Natrium ist zumeist aufgrund des verminderten Aldosteronabbaus erhöht.
→ 5) Bei der PBC/PSC: Erhöhung der Cholestase-Parameter AP, yGT und LAP.
→ Klinisch-relevant: Charakteristische Veränderung der Serum-Eiweißelektrophorese mit Erniedrigung des Albumins und Erhöhung der ß- und y-Globuline. Je nach Grunderkrankung kann bei den y-Globulinen nochmals differenziert werden.
→ A) Bei der primären biliären Zirrhose ist vorwiegend die IgM-Fraktion stark erhöht.
→ B) Bei der Alkoholzirrhose die IgA-Fraktion und
→ C) Bei der posthepatischen Zirrhose die IgG-Fraktion.
→ III: Sonographie:
→ 1) Unregelmäßige knotige Oberfläche mit abgerundetem Leberrand und inhomogenem, z.T. echoreichem Leberparenchym.
→ 2) Rarefizierung der Lebervenen, geweitete Pfortader mit Verminderung der Fließgeschwindigkeit in der Pfortader, evtl. Pendelfluss oder Flussumkehr.
→ IV: Ösophago-gastro-duodenoskopie: Zum Ausschluss von Ulzerationen und Ösophagusvarizen bzw. Fundus-.
→ IV: Spezielle Untersuchungen: Hepatitisserologie, Bestimmung antinukleärer und antimitochondriale AK, Serumferritin, Transferrin, Coeruloplasmin zur Verifizierung der zugrundeliegenden Erkrankung (PBC, PSC, Morbus Wilson, Hämochromatose).
→ Klassifikation: Des Schweregrades der Leberzirrhose nach Child-Pugh: Die Klassifikation stellt anhand von laborchemischen Parametern eine gute Orientierung für die Prognose dar. Die 1 Jahresüberlebenschance bei Child A beträgt nahezu 100%, während sie bei Child C nur noch bei 35% liegt.
→ I: Laborparameter:
→ 1) Bilirubin: < 2mg/dl (1P.); 2-3mg/dl (2P.); > 3mg/dl (3P.).
→ 2) Albumin: > 3,5g/dl (1P.); 3,5-2,8g/dl (2P); < 2,8g/dl (3P)
→ 3) Quick: > 70% (1P), 70-40% (2P); < 40 % (3P).
→ 4) Aszites: kein; Leicht (2 P); Mittelgradig (3 P).
→ 5) Enzephalopathie: Keine; Stadium I/II ( 2P); Stadium III/IV (3P).
→ Differenzialdiagnose: Von der Leberzirrhose müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Hepatomegalie anderer Genese wie Stauungsleber, Lebermetastase, HCC.
→ II: Aszites anderer Genese;
→ III: Ikterus anderer Genese.
→ Therapie:
→ I: Allgemeinmaßnahmen:
→ 1) Meiden hepatotoxischer Substanzen und des Alkohols.
→ 2) Ausreichend Kalorien- (2000-3000 kcal) und Eiweißzufuhr (1g/kgKG/d).
→ 3) Bei einer Alkoholabhängigkeit ist die Substitution des Vitamins B1 (= Thiamin) indiziert. Bei der biliären Zirrhose die Applikation der fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K).
→ 4) Die hepatischen Enzephalopathie fordert immer eine Eiweißreduktion; bestehen Ödeme bzw. ein Aszites ist eine Kochsalzreduktion (3g/d) indiziert.
→ II: Behandlung der Grunderkrankung:
→ 1) Bei der Immunhepatitis ist eine immunsupressive Therapie indiziert.
→ 2) Bei der Virushepatitis (HBV, HCV, HDV) eine antivirale Therapie.
→ 3) Die Therapie der Hämochromatose beinhaltet den Aderlass und die Gabe eines Chelators, Desferrioxamin, beim Morbus Wilson Penicillamin.
→ 4) Bei Cholestase erfolgt eine Beseitigung des Gallenstaus.
→ III: Behandlung der Komplikationen:
→ 1) Wie der portalen Hypertension, Varizenblutungen und hepatische Enzepahlopathie.
→ 2) Früherkennung eines primären Leberzellkarzinoms durch ½ jährige Kontrolluntersuchungen mittels Sonographie und Bestimmung des Alpha-Fetoproteins.
→ 3) Evtl. kann eine portosystemische Shuntoperation zur Entlastung indiziert sein.
→ IV: Ultima ratio ist die Lebertransplantation.
→ Prognose:
→ I: Sie ist deutlich abhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung und ihrer Behandlungsoptionen.
→ II: Die 1-Jahresüberlebensrate liegt bei:
→ 1) Child A bei 100%,
→ 2) Child B bei 85% und
→ 3) Child C nur noch bei 35%.
→ III: Häufigste Todesursachen sind Leberversagen, Varizenblutungen und das HCC.