→ Definition: Bei der Ansteckung mit dem Hepatitis-D-Viroid handelt es sich um eine akut oder chronisch verlaufende Infektion; sie bedarf immer einem Vorhandensein des Hepatitis-B-Virus, da es sich beim HDV um einen inkompletten RNA Virus (= 36nm großes Viroid) handelt. Der Virus benötigt zur Replikation den Hepatitis-B-Virus (nämlich das HBs-AG).
→ Epidemiologie:
→ I: Weltweit sind etwa. 15-20 Millionen Menschen infiziert (5% der Anti-HBs-Ag-Träger), wobei sich eine geographische Häufung in den Mittelmeerländern (Italien, Osteuropa insbesondere Rumänien, aber auch Italien und Griechenland), im Nahen Osten, Südasien und einigen Teilen Südamerikas zeigt. So z.B. sind in Endemiegebieten wie Süditalien und Griecheland 20-30% der Anti-HBs-Ag-Träger auch mit HDV infiziert. In Deutschland ist die Hepatitis-D-Infektion relativ selten.
→ II: Risikogruppen für eine HDV-Infektion entsprechen denen der HBV-Infektion (z.B. Allgemein mitarbeiter in Heilberufen, Zahnärzte, Patiente sowie Mitarbeiter in Dialyse- und onkologischen Abteilungen, Hämophilie-Patienten, Drogenabhängige mit i.v. Substitution, etc.)
→ III: Es besteht bei Infektion eine namentliche Meldepflicht, bei Verdacht, Erkrankung und Tod sowie bei Labornachweis.
→ Pathogenese:
→ I: Für die HDV-Replikation benötigt das inkomplette Virus das Hüllantigen (HBs-Ag) des Hepatitis B-Virus. So ist die HDV-Infektion immer an den HBV gekoppelt, als:
→ 1) Koinfektion: Bei gleichzeitiger Infektion mit der HBV-Infektion oder
→ 2) Superinfektion: Bei chronischen HBs-Ag-Trägern.
→ II: Die Interaktion beider Viren beeinflussen auch das Ausmaß der Replikation; so wird zumeist die HBV-Replikation durch die HDV- unterdrückt.
→ III: Der Hepatitis-D-Virus wird ausschließlich parenteral, sexuell (weniger häufig als bei alleiniger HBV-Infektion) oder perinatal von der Mutter auf das Kind (selten) übertragen. Die Inkubationszeit liegt zwischen 60-110 Tagen.
→ Klassifikation: Bei der Hepatitis-D werden 3 Genotypen unterschieden:
→ 1) Typ I: Westliche Welt sowie Taiwan.
→ 2) Typ II: Ostasien und
→ 3) Typ III: Südamerika.
→ Klinik: Die Hepatitis-D-Infektion kann sich z.T. sehr variabel vom asymptomatischen HDV-Träger bis hin zum fulminant Verlauf präsentieren. Man unterscheidet eine Simultaninfektion von einer Superinfektion:
→ I: Simultaninfektion:
→ 1) Ist die seltenere Form; Die Inkubationszeit beträgt 3-4 Monate, die klinische Symptomatik entspricht der einer akuten Hepatitis, ist jedoch schwerer. Innerhalb von 2-10 Wochen bildet sich das akute Krankheitsbild (> 95%) zumeist wieder folgenlos zurück.
→ 2) In 30% der Fälle manifestiert sich bei der Simultaninfektion ein biphasischer Krankheitsverlauf, bei der insbesondere die 2. Phase in eine fulminante Hepatitis übergehen kann.
→ II: Superinfektion: Die häufiger Form, die Inkubationszeit beträgt im Mittel 3 Wochen. Sie weist in der Akutphase eine mildere Symptomatik auf, geht jedoch meist in eine chronische Verlaufsform mit Ausbildung einer Leberzirrhose über (70-95%). In 2% der Fälle kann eine Superinfektion mit dem HDV einen fulminanten Verlauf aufweisen.
→ III: Langzeitkomplikationen sind hierbei insbesondere die Leberzirrhose und das hepatozelluläre Karzinom.
→ Diagnose: Diagnosekriterium der HDV-Infektion stellt vor allem der Nachweis von Antikörpern gegen HD-Antigen (Anti-HDV) bei gleichzeitiger Bestätigung von HBs-Antigen im Serum dar:
→ I: Simultaninfektion: Koinfektion mit HBV und HDV.
→ 1) Nachweis von HDV-RNA mittels PCR und Anti-HDV-IgM (relativ niedrig < 1/100) bzw. -IgG und nimmt mit Ausheilung der Hepatitis wieder ab.
→ 2) HBs-Ag initial nachweisbar, nach Ausheilung negativ,
→ 3) Anti-HBc-IgM nachweisbar.
→ II: Superinfektion: Hierbei infiziert sich ein chronischer HBs-Ag-Träger mit HDV.
→ 1) Nachweis von HDV-RNA mittels PCR und Anti-HDV-IgM (ist bei der Superinfektion häufig früher nachweisbar und weist einen deutlich höheren Titer) bzw. -IgG.
→ 2) Persistenz von HBs-Ag und
→ 3) Anti-HBc-IgM ist bei der Superinfektion negativ.
→ 4) Die Transaminasen GOT und GPT sind bei Superinfektion zumeist höher als bei einer Simultaninfektion.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Bei erstmaligem Nachweis von HBS-Ag oder Verschlechterung einer chronischen Hepatitis-B-Infektion sollte immer eine Anti-HDV-IgG-Testung zum Ausschluss einer Ko- oder Superinfektion erfolgen.
→ B) 4 Wochen nach Infektion kommt es zum 2-gipfligen Transaminaseanstieg; der 1. Gipfel durch den HBV der 2. durch HDV.
→ C) Fast ausschließlich alle Patienten mit einer Hepatitis-D-Infektion sind HBs-Antigen positiv. Ausnahme bildet alleinig nur die akute und fulminante Hepatitis D, bei der bis zu 15% der Betroffenen HBs-Ag negativ sind. Sie sind aber Anti-HBc-IgM positiv.
→ Differenzialdiagnose: Es müssen von der Hepatitis-D-Infektion insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden.
→ I: Akute Hepatitis-C-Infektion,
→ II: Hepatitis-A-Infektion und die
→ III: Hepatitis-E-Infektion.
→ IV: Aber auch anderer Ätiologie wie Alkoholhepatitis, medikamentös-toxische Hepatitis, Autoimmunhepatitis, etc.
→ Therapie: Eine spezifische Behandlung für die HDV-Infektion besteht bis heute nicht, vielmehr erfolgt sie symptomorientiert (therapeutisch häufig nur schwer beeinflussbar). Insbesondere bei fulminanten Krankheitsverläufen ist eine intensivmedizinische Überwachung indiziert.
→ I: Allgemeinmaßnahmen: Meiden hepatotoxischer Medikamente, Alkoholabstinenz, körperliche Schonung, evtl. Bettruhe.
→ II: Medikamentöse Therapie: Applikation von PEG-Interferon-Alpha-2a ( in hoher Dosierung und über mindesten 12 Monate) und Adefovir; führt in 25% der Fälle zu einer Viruselimination.
→ III: Bei fortgeschrittener Leberzirrhose ist als ultima ratio die Lebertransplantation indiziert.
→ Prognose: Die chronische Hepatitis B und D Infektion weist eine höhere Letalität (5-Jahres-Mortalität ist verdoppelt) als die alleinige Infektion mit dem HBV auf.
→ I: Bei einer akuten HBV/HDV-Simultaninfektion ist die Wahrscheinlichkeit einer Chronifizierung im Vergleich zur HBV-Monoinfektion deutlich geringer (< 10%), wobei das Risiko für einen fulminanten Krankheitsverlauf erhöht ist.
→ II: Die HDV-Superinfektion bei einem Patienten mit chronischer HBV.Infektion verläuft in > 90% chronisch.
→ III: Prophylaxe:
→ 1) Einhalten der hygienischen Richtlinien in Kliniken, Desinfektion, Umgang mit Blut und Blutprodukten mit Einmalhandschuhen, Sicherheitskanülen und Sicherheitslanzetten, aber auch das Benutzen von Kondomen, etc.
→ 2) Blutspendescreening nach Virusmarker (HBV) und Transaminasen.
→ 3) Aktive Immunisierung von Risikopersonen (medizinisches Personal) gegen HBV.