Definition:

→ I: Cushing-Syndrom: Beim Cushing Syndrom handelt es sich um einen Symptomkomplex, der durch einen permanenten Hyperkortisolismus im Plasma hervorgerufen wird. 

→ II: Morbus Cushing: Beschreibt wiederum einen Symptomkomplex, der durch eine zentrale ACTH-Überproduktion infolge eines Adenoms im Bereich des Hypophysenvorderlappens entsteht.

→ II: Je nach Ätiologie unterscheidet man verschiedene Formen.

 

Klassifikation:

→ I: Exogen Cushing-Syndrom: (iatrogen) Infolge einer Langzeittherapie mit Kortison in therapeutischer Dosierung (= Dosisäquivalent ist höher als die Kortisol-Tagesproduktion des Körpers von 20-30 mg/d) oder selten durch ACTH.

II: Endogenen:

→ 1) Primärer Cushing/ Peripherer Cushing-Syndrom: Hierbei handelt es sich um ein ATCH-unabhängiges, meist Cortisol-produzierendes solitäres Adenom oder Karzinom (gerade bei Kindern) der NNR.

2) Sekundärer-/ Zentraler M. Cushing: ACTH-abhängig, meist infolge eines kortikotropen Hypophysenadenoms, seltener CRH (= hypothalamisch) bedingt. CRH bewirkt eine Stimulation der kortikotropen Zellen im Hypophysenvorderlappen mit konsekutiver Mehrproduktion von ACTH. Folge ist eine bilaterale NNR-Hyperplasie mit konsekutivem Kortisolexzess.

3) Ektopes Cushing-Syndrom: Paraneoplastisch bedingt, infolge einer ektopen ACTH-Produktion bei Malignomen (in 50% beim kleinzelligen Bronchialkarzinom, seltener infolge eines Karzinoids oder Lymphoms).

 

Epidemiologie:

→ I: Die häufigste Form ist der iatrogen induzierte Morbus Cushing, hervorgerufen durch eine Langzeittherapie mit Cortisol oder selten mit ACTH.

II: Der zentrale Morbus Cushing hat eine Inzidenz von 1/100000/Jahr.

 

Ätiologie:

→ I: Exogener Cushing-Syndrom: Langzeittherapie mit einem Glukokortikoiden.

→ II: Endogener  Cushing:

→ 1) ACTH-Abhängig: Infolge eines ACTH-bildenden Adenoms im Bereich der Hypophyse, ektop bei Malignomen und selten besteht eine vermehrte hypothalamische CRH-Produktion. Folge ist die Ausbildung (sekundär) einer bilateralen NNR-Hyperplasie.

→ 2) ACTH-Unabhängig: Hierbei manifestiert sich meist ein einseitig lokalisierter kortisolproduzierender Tumor; bei Kindern oftmals bösartig. Selten besteht eine disseminierte, mikronoduläre Dysplasie bzw. eine makronoduläre Hyperplasie.

675 Differenzierung ACTH abhängiges oder unabhängiges Cushing Syndrom

 

Klinik: Charakteristische klinische Symptome sind u.a.:

→ I: Fettverteilungsstörungen: Vollmondgesicht, Stiernacken, Stammfettsucht und Fettpolster im Bereich der der Fossa supraclavicularis.

→ II: Muskulatur: Muskelschwäche und -schwund insbesondere der proximalen Extremitätenmuskulatur mit konsekutiver Adynamie.

III: Haut: Plethora (= Gesichtsröte) und Ekchymosen. Des Weiteren zeigen sich breite Striae rubrae, Seborrhö, Steroidakne, Furunkulose und Wundheilungsstörungen.

→ IV: Knochen: Ausbildung einer Osteoporose mit Keil- und Fischwirbelbildung sowie Knochenschmerzen, pathologischen Frakturen und die aseptische Hüftkopfnekrose.

V: Hormonell: Bei Frauen Virilisierung, Hirsutismus, Menstruationsstörungen (sekundäre Amenorrhoe), beim Mann Libidoverlust und Impotenz.

VI: Weitere Symptome: Sind:

→ 1) Arterielle Hypertonie mit evtl. Hypernatriämie und Hypokaliämie,

→ 2) Nephrolithiasis zumeist Kalziumoxalatsteine,

3) Diabetogene Stoffwechselstörung und Infektanfälligkeit sowie

→ 4) Depressive Verstimmung bis hin zur Depression sowie paranoide Vorstellungen und evtl. Psychosen.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Ektopes Cushing-Syndrom: Die Klinik ist durch den akut progressiven Verlauf geprägt mit schwerer Hypertonie, Muskelschwäche und Glucoseintoleranz. Durch die z.T. sehr hohen ACTH-Konzentrationen kann es aufgrund der Melanozyten-stimulierenden Wirkung des ACTH zu einer Hyperpigmentierung der Haut kommen. Weitere Symptome (Tumorkachexie, Anämie) sind durch den Tumor bestimmt.

→ B) Peripherer/ Primärer Cushing: Der Verlauf ist meist langsam und schleichend.

→ C) Iatrogener Cushing: Da die Glukokortikoid-Medikamente meist keine androgene Wirkung aufweisen, fehlen die entsprechenden Symptome wie Virilisierung oder Hirsutismus. Evtl. kann sich unter medikamentöser Therapie eine  aseptische Femurkopfnekrose entwickeln.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese: Gerade beim iatrogen verursachten Morbus Cushing sollte eine ausführliche Medikamenten-Anamnese erfolgen.

II: Labor:

→ 1) Hierbei ist die Plasmakortisolkonzentration erhöht; der zirkardiane Rhythmus ist aufgehoben. (physiologisch nachts am niedrigsten und morgens am höchsten),

→ 2) Freies Kortisol im 24h Sammelurin erhöht.

→ 3) ACTH-Bestimmung:

→ A) Beim adrenalen Cushing ist ACTH erniedrigt,

→ B) Beim Zentralen leicht erhöht und

→ C) Beim Ektopen stark erhöht.

→ 4) Weitere laborchemische Veränderungen sind möglicherweise Eosinophilie, Lymphopenie, Hypokaliämie (besonders häufig bei ektoper ACTH-Produktion), aber auch Hyperlipoproteinämie und diabetogene Stoffwechsellage.

 

Klinisch-relevant: Durch die exogene Cortisolzufuhr ist die Hypothalamus-Hypophysen-NNR-Achse deutlich supprimiert, sodass die morgendliche ACTH- und die endogene Kortisolkonzentration erniedigt ist. Im CRH bzw. ACTH-Test zeigt sich meist keine oder eine stark verminderte Antwort; bildgebende Verfahren stellen eine prägnante Atrophie der NNR dar.

 

→ III: Testuntersuchungen:

→ 1) Niedrigdosierter Dexamethasontest: Nach oraler Gabe von 2 mg Dexamethason (um 24 Uhr) fehlt am nächsten Morgen die Suppression der Kortisolkonzentration < 2-3µg/dl (< 56-84nmol/l).

→ 2) Hochdosierter Dexamethasontest: Dient der Differenzierung des Hyperkortisolismus. Nach Gabe von 8mg Dexamethason (um 24 Uhr) erfolgt die Bestimmung der ACTH und Kortisolkonzentration am nächsten Morgen. Beim zentralen Morbus Cushing wird die Kortisolkonzentration um 50% gesenkt. Bei einem NNR-Tumor oder einem ektopen M. Cushing bleibt die Unterdrückung aus.

→ IV: Bildgebende Verfahren: CT, MRT und Szintigraphie dienen der Lokalisation des Tumors.

 

→ Differenzialdiagnose: Beim Morbus Cushing muss insbesondere zwischen einem:

→ I: Zentralen - (ACTH-abhängig),

→ II: Einem peripheren Morbus Cushing (ACTH-unabhängig infolge eine NNR-Tumor und nicht zuletzt

→ III: Einer ektopen paraneoplatischen Form unterschieden werden.

676 Differenzialdiagnose bei Morbus Cushing

 

 Therapie:

→ I: Peripheres Cushing-Syndrom:

→ 1) Bei einem hormonaktiven NNR-Adenom ist eine operative Adrenalektomie mit postoperativer Glukokortikoidtherapie bis zur Erholung der kontralateralen NNR (über mehrere Monate bis zu 2 Jahren) indiziert.

2) Bei Karzinomen ist die Prognose je nach Stadium schlecht; meist existieren schon weitere Mikrometastasen in Leber (Lebermetastasen) und Lunge. Bei Inoperabilität besteht die Möglichkeit den Hyperkortisolismus mittels Mitotan (= selektives Zytostatika, welches nur die Zellteilung der NNR verhindert) zu behandeln.

II: Hypophysenadenome:

→ 1) Die transsphenoidale/transnasale Adenom-Entfernung ist die Therapie der 1. Wahl und weist gerade bei den Mikroadenomen mit 90% eine gute Heilungschance auf.

→ 2) Bei Rezidiven oder operativen Kontraindikation ist eine Protonenbestrahlung indiziert.

→ 3) Der Therapieerfolg zeigt sich erst nach einigen Monaten (z.T. 18 Monate danach), sodass eine medikamentöse Überbrückungstherapie mit einem Adrenocortikolytikum (= Ketokonazol: Inhibitor der NNR-Enzymen) erfolgt.

→ 4) Bei häufigen Rezidiven kann eine bilaterale Adrenalektomie in toto erforderlich sein.

III: Ektoper Cushing:

→ 1) Hierbei steht die Behandlung der Grunderkrankung (z.B: kleinzelliges Bronchialkarzinom) im Vordergrund.

2) Besteht eine Inoperabilität kann der Hyperkortisolismus mittels Ketokonazol (NW.: selten schwere Leberschädigung) oder einem Zytostatikum, Mitotan, behandelt werden.

→ 3) Evtl. ist eine bilaterale Adrenalektomie erforderlich.

IV: Iatrogener Cushing: Beendigung der Steroidtherapie. Diese muss jedoch aufgrund der Insuffizienz der Hypothalamus-Hypophysen-NNR-Achse (= Hypophysenvorderlappeninsuffizienz) langsam und schrittweise erfolgen, um eine Addison-Krise zu vermeiden.