→ Definition:
→ I: Die Verhaltenstherapie versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe. Sie fördert den aktiven Auf- und Ausbau von Bewältigungsstrategien und hilft somit dem Patienten selbst Experte seiner Störung zu werden.
→ II: Weitere Merkmale: Sind insbesondere:
→ 1) Sie orientiert sich an der empirischen Psychologie (d.h. der wissenschaftlichen Überprüfung theoretischer Konzepte) und ist somit ständig in der Entwicklung.
→ 2) Zudem orientiert sich die Verhaltenstherapie an aktuellen Problemen. Dies beinhaltet u.a. die Erfassung individueller Gegebenheiten, sowie die Erarbeitung störungsspezifisch wirksamer Interventionen mit deren Hilfe ein individueller Behandlungsplan entwickelt wird.
→ Klinisch-relevant: Ziel ist es, neben der Lösung aktueller Probleme, eine Generalisierung (d.h. den Transfer neu erlernter Fähigkeiten auf andere Lebensbereiche zu übertragen) zu erreichen.
→ 3) Die Verhaltenstherapie kristallisiert die prädiponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenen Bedingungen heraus. Hierbei ist das therapeutische Ziel, eine dauerhafte Lösung der Störung zu erreichen (fokussiert sich somit v.a. auf die aufrechterhaltenden Bedingungen).
→ 4) Verhaltenstherapie ist transparent, d.h. der Patient soll umfassend über den Therapieprozess aufgeklärt werden z.B. bezüglich der Entstehungsmodelle seiner Störung, über die therapeutischen Interventionen etc.
→ 5) Somit ist die Verhaltenstherapie ziel- und handlungsorientiert, sowohl Therapeut als auch Patient müssen beide aktiv am Prozess teilnehmen, um einen Therapieerfolg zu erreichen.
→ Sieben-Phasen-Modell: (nach Kanfer) Die Verhaltenstherapie ist ein dynamischer Lern- und Problemlöse-Prozess. Er ist strukturiert und bezieht das vorliegende Krankheitsbild sowie die individuellen Gegebenheiten des Patienten (wie soziale Rahmenbedingungen, individuelle Fähigkeiten, Motivation, Lernerfahrungen) mit ein. Hierzu zählen:
→ I: Phase 1:
→ 1) Schaffung einer günstigen Ausgangssituation und einer fundierten Patienten-Therapeuten- Beziehung.
→ 2) Ziel: Klärung von organisatorischen Belangen, Erarbeiten der Erwartungen des Patienten an die Diagnose, Differenzialdiagnose, Therapie; Aufbau einer therapeutischen Beziehung und Schaffung von Hoffnung.
→ II: Phase 2:
→ 1) Analyse und Aufbau der Änderungsmotivation.
→ 2) Ziel: Analyse, ob Fremd- oder Eigenmotivation dahinter steht; potenzielle positive und negative Konsequenzen einer Veränderung erarbeiten.
→ III: Phase 3:
→ 1) Verhaltens- und Problemanalyse.
→ 2) Ziel: Ist die Erarbeitung der Bedingungsanalye (also Lerngeschichte und SORKC-Schema) und die Funktionsanalyse (welche Funktion haben die Symptome für den Patienten und sein Umfeld).
→ IV: Phase 4:
→ 1) Zielanalyse und Vereinbarung von Behandlungsinhalten:
→ 2) Ziel: Erarbeitung von Therapiezielen und Teilzielen, Setzen von Prioritäten, Planen spezifischer therapeutischer Interventionen.
→ V: Phase 5:
→ 1) Durchführung der spezifischen Interventionen.
→ 2) Ziel: Gezielte Anwendung therapeutischer Interventionen, Aufrechterhalten von Motivationen und Mitarbeit des Patienten.
→ VI: Phase 6:
→ 1) Therapiekontrolle: Evaluation und Registrierung von Therapie(-teil-)erfolgen.
→ 2) Ziel: Erfassen von klinischen Erfolgen, Entscheidung des weiteren Vorgehens z.B. bei Stagnation Zurückgehen zur Phase 2/3, evtl. Bearbeiten eines weiteren Problembereiches.
→ VII: Phase 7:
→ 1) Generalisierung und Optimierung.
→ 2) Ziel: Transfer der gemachten Erfahrungen auf Alltagssituationen, Stabilisierung und Rückfallprophylaxe, etc.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Entscheidend für den Therapieerfolg ist das regelmäßige, tägliche Üben.
→ B) Verhaltensanalyse: Diese ist ein Kernpunkt der Verhaltenstherapie und umfasst:
→ 1) Erfassung der Probleme des Patienten auf Symptomebene nach dem SORKC-Schema.
→ 2) Erfassung der Funktion der Probleme.
→ 3) Erfassung der Lern- und Entwicklungsgeschichte.
→ 4) Erfassung der Motivation, das Problem zu verändern.
→ SORKC-Schema: Es umfasst folgende Parameter:
→ I: S= Stimulus: Beschreibt eine innere oder äußere Reizsituation (in der ein bestimmtes Verhalten auftritt wie Kaufhaus, Straßenbahn, Verlassen des Hauses).
→ II: O= Organismus: Beschreibt die individuellen biologischen und lerngeschichtlichen Ausgangsbedingungen einer Person (unregelmäßiger Schlaf-Wachrhythmus mit Schlafsstörungen, problematische Lebenssituationen wie Partnerschaftskonflikte, etc.)
→ III: R= Reaktion: Umfasst die Reaktion auf einen bestimmten Stimulus auf motorischer, vegetativer, affektiver oder kognitiver Ebene:
→ 1) Vegetative Symptome: Findet man Herzrasen, Schwitzen, Schwindel.
→ 2) Motorische Konsequenzen: Anspannung und Flucht,
→ 3) Affektive Symptome: Findet man Angst, Panik, Verzweifelung.
→ IV: C= Consequenz: Beschreibt die Konsequenz, die auf das Verhalten folgt. (Positiver Verstärker: Partner weist vermehrt Zuwendung auf; negative Konsequenz: Isolation, eingeschränkter Aktionsradius, etc.)
→ V: K= Kontingenz: Beinhaltet die Regelmäßigkeit mit der eine Konsequenz auftritt.
→ Beispiel: (anhand einer Zwangsstörung) Ein Patient verlässt seine Wohnung (= Stimulus). Darauf kommt ihm der Gedanke, er könne vergessen haben, den Herd auszustellen (= Organismus: Denkstil bedingt durch dispositionelle Faktoren, Persönlichkeitsstruktur und lerntheoretische Erfahrungen). Daraufhin geht er zurück und kontrolliert den Herd (= Reaktion: Kognitiv: Haus könnte abbrennen; emotional: entsteht Angst; vegetativ: Manifestieren sich Symptome wie körperliche Erregung, Unruhe etc). Die Reaktion kann sich häufen (z.B. bei jedem Haus-Verlassen = Kontingenz). Als Konsequenz findet man kurzfristig eine Spannungsreduktion, jedoch verstärkt sich langfristig der Kontrollzwang.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die Verhaltensanalyse bezieht sich auf Angaben durch Selbstbeobachtungsprotokolle und/oder Fremdanamnese. Sie verdeutlicht auch die Konsequenz der Symptomatik auf ihre Funktionalität bezüglich der zwischenmenschlichen Beziehungen und ihre aufrechterhaltenden Bedingungen. Auch werden die individuelle Lern- und Entwicklungsgeschichte, welche für die Entstehung und Aufrechterhaltung eine wichtige Rollen spielen, erfasst.
→ B) Die Kernpunkte der verhaltenstherapeutischen Diagnostik sind die Problem- und Verhaltensanalyse und erfassen folgende Kriterien:
→ 1) Verhaltens- und Problemanalyse auf Symptomebene nach dem SORKC-Schema.
→ 2) Funktions- und Bedingungsanalyse
→ 3) Die individuelle Entwicklungs- und Lerngeschichte.
→ 4) Motivationsanalyse.