Definition:

→ I: Hämorrhoiden: Beim Plexus haemorrhoidalis (= Corpus cavernosum recti) handelt es sich um ein anatomisch angelegtes, arteriovenöses Gefäßpolster bzw. Gefäßkonglomerat im proximalen Bereich des Analkanals oberhalb der Linea dentata (die arterielle Blutzufuhr erfolgt über die A. rectalis superior). Er ist ein wichtiger Bestandteil des Sphinkterapparates (Feinverschluss) und erbringt 10-15% der Kontinenzleistung.

→ II: Hämorrhoidalleiden: Das Hämorrhoidalleiden ist als eine pathologische Hyperplasie des Corpus cavernosum recti definiert, die die charakteristischen klinischen Beschwerden hervorruft.

 

Epidemiologie:

→ I: Das Hämorrhoidalleiden gehört zu den häufigsten Erkrankungen in den westlichen Industriestaaten mit steigender Tendenz.

→ II: Männer sind häufiger als Frauen betroffen und es zeigt sich eine Zunahme im höheren Lebensalter.

 

Ätiologie:

→ I: Ursache der Hyperplasie des Plexus hämorrhoidalis ist das Vorhandensein eines rezidivierenden oder chronischen Staus im arteriovenösen Shuntsystem.

→ II: Besonders große Hämorrhoidalpolster manifestieren sich an den Gefäßzuflüssen bei 3, 7 und 11 Uhr in SSL (= Steinschnittlage).

570 Schematische Darstellung der Steinschnittlage

 

→ III: Wichtige Faktoren, die die Entwicklung einer Hyperplasie neben genetischer Disposition, begünstigen sind u.a.:

→ 1) Verstärktes Pressen bei chronischer Obstipation; Insbesondere die Stuhlkonsistenz wie ein zu harter schafskotiger Stuhl führt bei der Entleerung zu einer Traumatisierung des Hämorrhoidalkonvoluts. Aber auch ein zu weicher diarrhö-artiger Stuhl stellt eine unphysiologische Belastung dar.

→ 2) Chronisch erhöhter intraabdominaler Druck bei Gravidität, insbesondere periportal, erhöhtem Pfortaderdruck bei Leberzirrhose, Rektumkarzinom, Blasenentleerungsstörungen etc.

→ 3) Chronisch erhöhter Sphinkterdruck z.B. bei Stress, Analfissur, etc.

4) Bindegewebsschwäche altersbedingt und/oder konstitutionell.

→ 5) Weitere Faktoren: Sind Adipositas, ballaststoffarme Kost, sitzende Tätigkeiten.

 

Klassifikation: Das klinische Krankheitsbild wird abhängig von der Größe der Hämorrhoidalpolster in verschiedene Schweregrade unterteilt:

571 Stadieneinteilung der Hämorrhoiden

 

Klinik:

→ I: Im Stadium I steht bei der klinischen Symptomatik die schmerzlose Blutung (Blutauflagerung auf dem Stuhl oder Toilettenpapier) im Vordergrund.

→ II: Mit Größenzunahme der Hämorrhoidalpolster (= Hämorrhoidalknoten) manifestieren sich Pruritus und ein Perianalekzem infolge verstärkter Schleimsekretion durch den prolabierten Corpus cavernosum, aber auch Fremdkörpergefühl, persistierender Stuhldrang, Gefühl der unvollständigen Entleerung und Prolaps sind Charakteristika. Die klinische Symptomatik wird insbesondere durch Bettruhe (Wärme) verstärkt.

III: Im Stadium III nimmt die Blutungsneigung deutlich ab, jedoch steigt die Komplikationsrate mit Thrombosierung und Inkarzerationen, welche zu ausgeprägten Schmerzen führen kann.

 

→ Klinisch-relevant: Bei einem Prolaps des gesamten Hämorrhoidalbereiches, einschließlich des Anoderms, spricht man von einem Analprolaps.

572 Stadieneinteilung des Hämorrhoidalleidens

 

Komplikationen:

→ I: Wichtige Komplikationen sind u.a. das Analekzem, die Thrombosierung und Inkarzeration der Hämorrhoiden  mit konsekutiv massiver Schmerzentwicklung.

→ II: Eine weitere bedeutende Komplikation ist die schwere tropfende bzw. spritzende Blutung, die zu einer ausgeprägten Anämie führen kann. (Die Intensität der Blutungen ist insbesondere vom Grad der Hämorrhoiden abhängig).

→ III: Seltener entwickeln sich Infektionen mit möglicher Fistel- und Abszessbildung.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese: Abklärung von Blutauflagerungen (hell), Pruritus, dumpfe Schmerzen etc. Die Anamnese ist häufig schon richtungsweisend.

II: Klinische Untersuchung:

→ 1) Inspektion: Durch forciertes Pressen kann ein Prolaps provoziert werden. Hierbei reponieren Hämorrhoiden II Grades spontan, während sie beim Grad III manuell reponiert werden müssen.

→ 2) Palpation: Bei der Digital-rektalen Untersuchung lassen sich die Hämorrhoiden zumeist nicht ertasten nur in den seltensten Fällen z.B. bei Inkarzeration und Thrombosierung.

III: Kolo-/Rektoskopie: Zum Ausschluss eines Kolon- bzw. Rektumkarzinoms ist die Koloskopie obligat (ansonsten besteht eine inkomplette Diagnostik).

 

Differenzialdiagnose: Von den Hämorrhoiden sind vor allem nachfolgende Erkrankungen abzugrenzen:

I: Perianalvenenthrombose,

→ II: Entzündliche Analhauterkrankungen sowie Marisken.

→ III: Condylomata acuminata,

→ IV: Tiefsitzende Polypen im Bereich des Rektums, aber auch Kolon- und Rektumkarzinome.

V: Das Analkarzinom.

 

Klinisch-relevant: Ziel der Behandlung ist nicht die Zerstörung des Corpus cavernosum, sondern vielmehr der beschwerdefrei Patient, da der Corpus cavernosum ein wichtiger Bestandteil des Kontinenzapparates darstellt.

573 Stadienangepasste Behandlungsoptionen bei Hämorrhoidalleiden

 

Therapie: Im Vordergrund der Hämorrhoidenbehandlung, wenn möglich, ist die kausale Therapie.

→ I: Konservative Therapie: Sie umfasst u.a.:

→ 1) Gewichtsreduktion,

→ 2) Gute Analhygiene und Sitzbäder z.B. mit Kamille,

→ 3) Stuhlregulierung: Durch ballaststoffreiche Ernährung, Vermeiden von Pressen bei der Defäkation, ausreichende Flüssigkeitzufuhr, Einnahme von Quellmitteln wie Leinsamen und nicht zuletzt durch milde Laxanzien wie Obstinol-M.

→ II: Medikamentöse Therapie: Sie wird im Stadium I des Hämorrhoidalleidens eingesetzt und umfasst die Applikation von antiphlogistischen Salben wie Faktu oder Suppositorien mit einem Lokalanästhetikum wie Doxiproct. Diese Behandlungsmethode ist eine Therapieform der 2. Wahl.

→ III: Sklerosierungstherapie: Indikation stellt auch hierbei das Stadium I dar. Es erfolgt eine wiederholte submuköse Injektion von 5%-igem Phenolmandelöl oder einer 5%-igen Chininlösung paravasal oder supranodulär im Bereich der zuführenden Gefäße. Folge ist die Entwicklung einer Fibrose, die einerseits die Retraktion des prolabierten Gewebes, andererseits die Drosslung der arteriellen Blutzufuhr bewirkt. Die Sklerosierungstherapie ist das Mittel der 1. Wahl beim Hämorrhoidalleiden im Stadium I.

IV: Hämorrhoidenligatur: Durch die Unterbindung des Hämorrhoidalknotens mittels Gummiring wird ein vollständiger thrombotischer Verschluss mit Absterben des darüber liegenden Gewebes erreicht. Es wird insbesondere im Stadium II, evtl. auch noch im Stadium III angewandt.

→ V: Operative Verfahren: Eine operative Behandlung ist immer im Stadium III und IV des Hämorrhoidalleidens sowie bei starken Blutungen und Inkarzeration indiziert. Hier eine Auswahl von Behandlungsverfahren:

→ 1) Mukosektomie nach Logo: (= Staplerresektion)

→ A) Mit Hilfe eines Rundkopfstaplers wird die Mukosa 2 cm oberhalb der Linea dentata bzw. des Hämorrhoidalknotens zirkulär exzidiert und anschließend mittels Klammernaht verschlossen.

→ B) Das Verfahren wird im Stadium III des Hämorrhoidalleidens eingesetzt. Im Stadium IV, bei nicht reponiblen Hämorrhoiden, kommt dieses Verfahren aufgrund des Verlustes von sensiblen Analschleimhaut und konsekutiver Beeinträchtigung der Feinkontinenz nicht zum Einsatz.

C) Bei unsachgemäßer Operationstechnik besteht ein Schadenspotenzial.

→ 2) Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan: Entfernung des Hämorrhoidalknotens mit der darüberliegenden Mukosa und anschließende Ligatur der zuführenden Arterie an der Basis. Der Mukosadefekt wird bei diesem Verfahren nicht verschlossen.

→ 3) Hämorrhoidektomie nach Ferguson: Sie gilt als Erweiterung der Milligan-Morgan-Technik. Charakteristischerweise wird nach Abtragung des Hämorrhoidalpolsters der Mukosadefekt mittels Längsnaht verschlossen.

→ 4) Submuköse Hämorrhoidektomie nach Parks: Nach einer Y-förmigen Mukosainzision erfolgt das Herauslösen des Hämorrhoidalknotens, sodass keine Schleimhaut mitentfernt wird. Anschließend wird die Schleimhautinzision mittels Naht verschlossen.

 

Prognose: Die Rezidivrate liegt postoperativ zwischen 0-10% und wird durch das Achten auf die Stuhlkonsistenz (= weicher geformter Stuhl) verbessert.